Mit Streitäxten und Schwertern US-Aktivisten feiern Lockerung des Waffenrechts in Hawaii

AP/toko

1.9.2024 - 00:00

Mitglieder der Hawaii Firearms Coalition  mit ihren Waffen auf Waikiki.
Mitglieder der Hawaii Firearms Coalition  mit ihren Waffen auf Waikiki.
AP Photo/Mengshin Lin/Keystone

Seit Mai sind die bislang strengen Waffengesetze in Hawaii gelockert. Waffenbefürworter ziehen nun demonstrativ mit Streitäxten oder Speeren durch Waikiki. Das gefällt längst nicht allen.

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  • Hawaii hat seine strikten Waffengesetze als Reaktion auf eine Entscheidung des Obersten US-Gerichts gelockert.
  • Waffennarren feiern die Lockerung, indem sie sich mit Streitäxten, Samurai-Schwertern und Hellebarden in der Öffentlichkeit zeigen.
  • Zuvor konnte jeder, der mit einer solchen Waffe angetroffen wurde, sofort festgenommen werden.

Beim abendlichen Spaziergang zu Schlüssel, Handy und vielleicht noch einer Kappe zu greifen, ist normal. Bei Andrew Roberts kommt seit einigen Monaten noch eine Streitaxt hinzu. Für den Vorsitzenden des Schusswaffenverbands von Hawaii ist es ein Statement – und ein Instrument, um über die Waffengesetze ins Gespräch zu kommen.

Er sei ein «wahrer Gläubiger des zweiten Verfassungszusatzes», sagt Roberts mit Blick auf die Klausel, die das Recht zum Tragen von Waffen verteidigt. Wenn er mit Hellebarde oder Streitaxt unterwegs sei, wolle er das Bewusstsein für die Rechte stärken. «Bei einem durchschnittlichen Abendspaziergang werde ich wahrscheinlich zwei- oder dreimal angehalten und führe dann ein Gespräch über die Waffengesetze auf Hawaii», erklärt Roberts.

Gerichtsurteil führte zu Kehrtwende

Seit Mai dreht er so seine Runden – seit Hawaii seine strikten Waffengesetze als Reaktion auf eine Entscheidung des Obersten US-Gerichts gelockert hat. Laut dem Urteil des Supreme Courts in Washington von 2022 haben Amerikaner und Amerikanerinnen das Recht, in der Öffentlichkeit Schusswaffen zur Selbstverteidigung zu tragen. Hawaii reagierte dieses Jahr dann mit einem Gesetz, das das offene Tragen gefährlicher oder gar tödlicher Waffen in der Öffentlichkeit grundsätzlich erlaubt.

Zuvor konnte jeder, der mit einer solchen Waffe angetroffen wurde, sofort festgenommen werden. Die Vorschriften von Hawaii zählten zu den strengsten des Landes.

Die Aktivisten präsentieren in Honolulu ihre Waffen.
Die Aktivisten präsentieren in Honolulu ihre Waffen.
AP Photo/Mengshin Lin/Keystone

Hellebarde und Samurai-Schwerter

Zum Treffen seiner Aktivistengruppe im Kapiolani-Park von Waikiki bringt Andrew Roberts seine Hellebarde mit. Andere kommen mit Samurai-Schwertern, einer hat ein Butterfly-Messer dabei, an der Hüfte eines Mannes in rotem Kilt baumelt ein hölzernes schottisches Schwert. Die Gruppe ist zusammengekommen, um zur Feier der neuen hawaiianischen Waffengesetze durch Waikiki zu ziehen.

Begleitet werden die Aktivisten von der Polizei, als sie durch die Kalakaua Avenue am Meer entlang marschieren. Einige Touristen schauen zwei Mal hin, aber die meisten scheinen von den bewaffneten Männern mit US-Flagge unbeeindruckt.

«Niemand schien besonders geschockt», sagt Roberts. «Es ist einfach eine Gelegenheit, mit den Leuten darüber zu sprechen, was in Hawaii vor sich geht, über die Rechte des zweiten Verfassungszusatzes zu sprechen.»

Das neue Gesetz sei aber keineswegs ein Freibrief für das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit, betonen die Justizbehörden von Hawaii. «Die Vorstellung, dass man Waffen einfach tragen kann, wie und wo man will, ist einfach nicht korrekt», heisst es in einer Erklärung des Justizministeriums des Staates. Es gebe zahlreiche bestehende Gesetze und Vorschriften, die den Gebrauch und Besitz von Waffen regelten. Diese würden auch weiterhin durchgesetzt. So ist etwa das verdeckte Tragen von Waffen weiter verboten.

«Kulturelle Einstellung gehört nicht zu Hawaii»

Dennoch stossen die Lockerungen in der Öffentlichkeit auch auf Unverständnis und Widerstand. Selbst wenn Knüppel oder Messer vielleicht nicht so gefährlich seien wie Schusswaffen, gehörten sie nicht auf die Strasse, sagt Chris Marvin von der Organisation Everytown for Gun Safety, die sich gegen Waffengewalt einsetzt.

«Ich kann ja das Selbstverteidigungsargument durchaus verstehen», erklärt er. «Aber die kulturelle Einstellung, die wir damit beginnen zu übernehmen, gehört nicht zu Hawaii.» Mit solchen Gesetzen «werden wir mehr und mehr wie das Festland, das voll von aggressiven, streitsüchtigen Menschen ist, die zu schnell zu Gewalt greifen», befürchtet Marvin.

Für einige bedeutet die Möglichkeit, traditionelle Waffen offen zeigen zu können, indes weniger das Pochen auf Rechten oder die Option zur Selbstverteidigung. Sie sehen es als Ausdruck von Traditionen und Zugang zur Kultur der Inseln. Die Beschäftigung mit traditionellen Waffen wie dem Holzspeer, den sein Onkel gefertigt habe, sei eine Verbindung zu seinen hawaiianischen Wurzeln, sagt etwa Michael Rice. Auch zu dem Marsch in Waikiki reiste er mit Speer. «Ich habe nicht so oft die Gelegenheit, meine Kultur zum Ausdruck zu bringen», sagt Rice.

Er könne nun in öffentlichen Parks auch mit Waffen üben und unterrichten, begrüsst der philippinische Kampfkunstlehrer Burton Richardson die Lockerungen und betont: «Auf den Philippinen ist die Tradition des Messer-, Stock- und Schwertkampfes ein wichtiger Bestandteil der Kultur.»

Um Kai, der traditionelle hawaiianische Waffen wie Speere, Dolche und Keulen fertigt, verwendet diese vorrangig für Zeremonien. Um sich bei Angriffen im Alltag zu wehren, seien sie jedoch eher unpraktisch, findet er: «Zur Selbstverteidigung würde ich nicht jeden Tag eine mit Haifischzähnen besetzte Keule mit mir herumtragen.»