Die Nato feiert ihr 70-jähriges Bestehen in Washington, aber die Stimmung ist nicht besonders feierlich. Die Botschaften der USA an Deutschland bleiben hart. Und das ist nicht der einzige Streit.
Überschattet von internem Streit hat die Nato in Washington ihr 70-Jähriges Bestehen gefeiert. Deutschland musste sich bei dem Treffen der Aussenminister am Donnerstag erneut Forderungen nach höheren Verteidigungsausgaben stellen. Die Regierung von Präsident Donald Trump richtete scharfe Worte an Berlin. Gleichzeitig eskalierte ein Streit zwischen den USA und der Türkei über den Kauf eines umstrittenen russischen Raketenabwehrsystems durch die Regierung in Ankara.
Zumindest in einem Punkt wahrten die Minister aber Einigkeit: In einem Entwurf für die Abschlusserklärung bekannten sie sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur und von «Spiegel Online» noch einmal ausdrücklich zur Beistandspflicht im Angriffsfall.
Die US-Regierung blieb aber insgesamt ihrem konfrontativen Kurs gegenüber anderen Mitgliedsstaaten treu. Aussenminister Mike Pompeo warnte die Verbündeten mit scharfen Worten: Es sei nicht die Zeit, «müde Ausreden» zu wiederholen. Es sei die Pflicht jedes Mitgliedsstaates, seine Bürger von der Notwendigkeit höherer Ausgaben zu überzeugen.
Trumps Vize Mike Pence hatte schon am Mittwoch zu einem neuen Rundumschlag gegen Deutschland ausgeholt: Er kritisierte die deutschen Verteidigungsausgaben und rügte Deutschlands Kooperation mit Russland beim Bau der Erdgaspipeline Nord Stream 2.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, er begrüsse, dass Deutschland und andere Verbündeten nach Jahren der Kürzungen wieder mehr Geld in ihre Verteidigungshaushalte steckten. Er erwarte aber noch mehr. «Alle Verbündeten haben das Versprechen abgegeben, mehr in Verteidigung zu investieren und die Lastenteilung im Bündnis zu verbessern», sagte der Norweger. Man habe dieses Versprechen nicht abgegeben, um die USA zu erfreuen, sondern weil man in einer zunehmend unsicheren und unberechenbaren Welt lebe.
Die Staats- und Regierungschefs der Nato hatten 2014 vereinbart, dass sich alle Mitgliedstaaten bei ihren Verteidigungsausgaben bis 2024 einem Wert von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts annähern sollen. Die Bundesregierung hat bislang nur 1,5 Prozent zugesagt und kann nicht einmal darlegen, wie sie dieses Ziel erreichen will. Die mittelfristige Planung sieht nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium lediglich 1,26 Prozent für das Jahr 2023 vor. Demnach müssten die Verteidigungsausgaben von 2023 auf 2024 um einen zweistelligen Milliardenbetrag erhöht werden, wenn das Ziel erreicht werden soll.
Bundesaussenminister Heiko Maas sieht die Nato trotz des Streits über die Verteidigungsausgaben in keiner tiefen Krise. «Es ist nicht so, dass diese Debatte hier in irgendeiner Weise unversöhnlich geführt wird», sagte er. «Die Nato ist eine grosse multilaterale Erfolgsgeschichte, daran hat auch Deutschland seinen Anteil.»
Deutschland will Verpflichtungen einhalten
Der Aussenminister versicherte erneut, dass Deutschland seine Zusagen zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben einhalten werde. «Deutschland wird sich an seine Verpflichtungen halten und wir werden unseren Beitrag dazu leisten, dass die Nato allen Herausforderungen der Zukunft auch gerecht werden kann.» 70 Jahre Nato bedeuteten 70 Jahre Sicherheit auch für Deutschland. «Wir werden die Nato auch in Zukunft brauchen.»
In einem Entwurf für die Abschlusserklärung, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag, bekannten sich die Minister noch einmal zum Zwei-Prozent-Ziel. Ausserdem bekräftigten sie ihre Unterstützung für Artikel 5 des Nordatlantikvertrags. In diesem ist festgeschrieben, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere von ihnen als ein Angriff gegen alle angesehen werden wird und sie sich gegenseitig unterstützen. Der Bündnisfall wurde bislang erst einmal ausgelöst – und zwar nach den Terrorangriffen gegen die USA vom 11. September 2001.
Trump hatte in der Vergangenheit mehrfach Zweifel daran geweckt, ob die USA im Fall eines Angriffs auf einen europäischen Alliierten wirklich bedingungslos militärische Unterstützung leisten würden. Aus Verärgerung über die seiner Meinung nach zu geringen Verteidigungsausgaben von Ländern wie Deutschland drohte er sogar mit einem Rückzug der USA aus dem Bündnis. Nach Einschätzung von Kritikern erschüttert Trump mit solchen Äusserungen die Grundfesten der Nato.
Streit zwischen USA und Türkei verschärft sich
Zwischen den USA und Türkei verschärfte sich unterdessen der Streit um den Kauf eines umstrittenen russischen Raketenabwehrsystems durch Ankara. Die USA erhöhten den Druck auf die Türkei, die an dem Deal mit Moskau aber unbeirrt festhielt.
US-Vizepräsident Mike Pence sagte in Washington: «Die Türkei muss wählen: Will sie ein entscheidender Partner des erfolgreichsten Militärbündnisses der Weltgeschichte bleiben, oder will sie die Sicherheit dieser Partnerschaft riskieren, indem sie unverantwortliche Entscheidungen trifft, die dieses Bündnis untergraben?» Sollte die Türkei das S-400-Raketenabwehrsystem kaufen, riskiere das Land den Ausschluss aus dem Programm des F-35-Kampfjets.
Der türkische Vizepräsident Fuat Oktay reagierte mit ähnlicher Wortwahl. «Die Vereinigten Staaten müssen wählen», schrieb er auf Twitter. «Wollen sie ein Verbündeter der Türkei bleiben, oder wollen sie unsere Freundschaft riskieren, indem sie sich mit Terroristen zusammentun, um die Verteidigung ihres Nato-Verbündeten gegen seine Feinde zu untergraben?» Oktay spielte auf die Unterstützung der USA für die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien an. Ankara sieht in der YPG einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.
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