«Mister Security» gegen Ein Ex-Armeechef gegen «Mister Security» – Israels Schicksalswahl

dpa/phi

9.4.2019

Richtungsweisender Urnengang: Israels Premier Netanjahu kämpft nach Korruptionsvorwürfen um sein politisches Überleben. Der Wahlkampf war bis zuletzt hochemotional.

Der Wahlkampf ist dreckig, die Gegner überziehen sich mit immer neuen Vorwürfen, es geht um Korruption, die seelische Gesundheit des politischen Gegners und möglichen Landesverrat. Israel wählt am Dienstag ein neues Parlament – im Vorfeld stehen aber mehr Emotionen als politische Inhalte im Mittelpunkt.

«Diese Wahlen drehen sich nicht um Innenpolitik oder den Friedensprozess, es geht um Ministerpräsident (Benjamin) Netanjahu», sagt Menachem Klein, Politikprofessor an der Bar-Ilan-Universität bei Tel Aviv. «Es geht darum, ob die Öffentlichkeit möchte, dass Netanjahu weiter macht, trotz der Vorwürfe gegen ihn, oder nicht.» Netanjahu drohen in drei Fällen Anklagen wegen Korruption.

Wahlkampfplakat am Obststand: Erstmals hat Netanjahu echte Konkurrenz.
Wahlkampfplakat am Obststand: Erstmals hat Netanjahu echte Konkurrenz.
Bild:  Keystone

Die Vorwürfe lauten auf Bestechlichkeit sowie Betrug und Untreue – es dreht sich um den Verdacht der Beeinflussung von Medien und teure Geschenke von befreundeten Milliardären. Der 69-Jährige streitet alle Vorwürfe ab. Der Regierungschef verweist dagegen lieber auf seine Erfolge im Sicherheitsbereich, was ihm den Spitznamen «Mister Security» eingebracht hat. In den vergangenen zehn Jahren herrschte in Israel trotz des Gaza-Kriegs 2014 militärisch gesehen relative Ruhe.

Erstmals Konkurrenz

Doch im Sicherheitsbereich macht Netanjahu sein Herausforderer Benny Gantz als Ex-Militärchef jetzt ernsthafte Konkurrenz. «Das erste Mal in einem Jahrzehnt steht Netanjahu ein Rivale gegenüber, eine Bedrohung», sagt Klein. Gantz erhält dabei mit seinem Bündnis der Mitte, Blau-Weiss, noch Unterstützung durch zwei weitere Ex-Militärchefs.

Nah an der Basis: Benny Gantz.
Nah an der Basis: Benny Gantz.
Bild: Keystone

Die Politikwissenschaftlerin Gail Talschir von der Hebräischen Universität sagt: «Das grösste Thema in dieser Wahl ist für mich die israelische Demokratie: Bist Du für eine liberale Demokratie oder für eine neokonservative, nicht liberale Demokratie?» Dies sei die entscheidende Frage für die Wähler. «Netanjahu führt eine neokonservative Regierung, die tief illiberal ist», sagt die Analystin. Regelmässig attackiert der Regierungschef etwa das Höchste Gericht, «linke» Journalisten und Kritiker aus der Gesellschaft.

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Gantz mit Blau-Weiss stehe dabei für den israelischen Konsens für liberale Demokratie, sagt Talschir. Allerdings sei dafür die Position des 59-Jährigen bei diversen Themen nicht klar, etwa beim Konflikt mit den Palästinensern oder seine Vision der Wirtschaft. Netanjahu prägt seit Jahrzehnten die israelische Politik. Seit 2009 ist der frühere Unternehmensberater durchgängig Regierungschef – nach einer Amtsperiode in den 1990er-Jahren.

Internationale Schützenhilfe

Sollte er im Sommer noch den Posten innehaben, wäre er der am längsten amtierende Ministerpräsident Israels – und würde damit Staatsgründer David Ben Gurion überholen. «Ich denke, dies ist der Kampf Netanjahus, es geht um Netanjahus Überleben», sagt Talschir. Der Regierungschef argumentiere mit «dem Recht der Mehrheit gegen das Recht des Gesetzes».

Sollte er die Wahl gewinnen und anschliessend angeklagt werden, mache er bereits seine Argumentationslinie deutlich: «Die Wähler wussten Bescheid und haben mich gewählt, Ihr löst mich undemokratisch ab.»

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Bis kurz vor der Wahl versucht Netanjahu zudem, mit aussenpolitischen Erfolgen zu punkten. Vor einer Woche stand er mit Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro an der Klagemauer, dem grössten Heiligtum für Juden auf der Welt. Auch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kam er wenige Tage vor der Wahl noch in Moskau zusammmen. Ende März traf Netanjahu ausserdem US-Präsident Donald Trump in Washington, dabei erkannte Trump die besetzten Golanhöhen als israelisch an.

U-Boot-Deal mit Beigeschmack

Der israelische Wahlkampf erreicht dafür jede Woche einen neuen Tiefpunkt. «Das ist der dreckigste Wahlkampf, den wir je hatten, er verletzt alle heiligen Kühe, die es in der israelischen Gesellschaft gibt», sagt Talschir. Israelische Medien berichteten im März, der Geheimdienst Schin Bet habe Gantz schon vor mehreren Wochen über einen iranischen Hackerangriff auf sein Smartphone informiert. Netanjahus Likud-Partei erklärte anschliessend, Gantz sei nun erpressbar und könne somit nicht Ministerpräsident werden.

Netanjahu sagte, Gantz werde offen durch den israelischen Erzfeind Iran unterstützt. Später porträtierte die Partei Gantz als mental instabil. Blau-Weiss wiederum warf Netanjahu vor, umgerechnet rund vier Millionen Euro im Zusammenhang mit dem umstrittenen U-Boot-Deal mit Deutschland eingenommen zu haben, ein Parteimitglied sprach von möglichem Landesverrat. Der Ministerpräsident drohte anschliessend mit einer Klage wegen Verleumdung.

Es wird eng bei der Wahl am Dienstag. Doch es geht für die Kontrahenten nicht nur darum, mit der eigenen Partei die meisten Stimmen zu holen. Entscheidend ist, welches Lager die Mehrheit hat: Links-Mitte oder Rechts. In zahlreichen Umfragen war Gantz' Blau-Weiss zwar die stärkste Kraft – allerdings hatte der Links-Mitte-Block keine Mehrheit.

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