Myanmar Neuwahlen in Myanmar erst 2023 – Putschistenchef jetzt Premier

SDA

1.8.2021 - 15:28

ARCHIV - Min Aung Hlaing, Oberbefehlshaber der Streitkräfte Myanmars Foto: Alexander Zemlianichenko/Pool AP/dpa
ARCHIV - Min Aung Hlaing, Oberbefehlshaber der Streitkräfte Myanmars Foto: Alexander Zemlianichenko/Pool AP/dpa
Keystone

In Myanmar soll es nach dem Putsch des Militärs erst im August 2023 Neuwahlen geben.

Genau ein halbes Jahr nach der Machtübernahme in dem südostasiatischen Land kündigte Juntachef Min Aung Hlaing in einer langen Fernsehansprache am Sonntag an, dass der Ausnahmezustand bis dahin verlängert werde. Die Junta teilte ausserdem mit, dass Min Aung Hlaing zum Premierminister einer «Übergangsregierung» ernannt wurde. Bisher stand er einem «Staatsverwaltungsrat» vor.

Die Generäle hatten am 1. Februar dieses Jahres die Macht ergriffen und die Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi gestürzt. Dem Militär, das sich nach Jahrzehnten an der Macht per Verfassung von 2008 deutliches Mitspracherecht in Parlament und Regierung erhalten hatte, soll die zur Ikone gewordene Regierungschefin immer gefährlicher geworden sein.

Auch am Sonntag gab es in Myanmar wieder landesweit zahlreiche Proteste aus der Bevölkerung, die die Wiedereinsetzung der zivilen Regierung fordert. Der Widerstand wurde von der Junta in den vergangenen Monaten mit brutaler Härte unterdrückt. Nach Schätzungen der Gefangenenhilfsorganisation AAPP wurden bisher 940 Menschen getötet. Fast 7000 wurden festgenommen.

Der Ausnahmezustand sollte zunächst ein Jahr dauern, wurde dann auf zwei und nun auf zweieinhalb Jahre verlängert. In seiner 51 Minuten dauernden Rede erneuerte der Juntachef seine Vorwürfe gegen die gestürzte Regierung. Er warf Aung San Suu Kyi Machtmissbrauch vor und behauptete, die Parlamentswahl vom November 2020 sei manipuliert worden. Suu Kyi, die seit dem Putsch erneut im Hausarrest sitzt, hatte die Wahl mit ihrer Partei «Nationale Liga für Demokratie» (NLD) klar gewonnen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warf den Machthabern in Myanmar Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Dazu zählten Mord, gewaltsames Verschwindenlassen, Folter, Vergewaltigung und andere Form von sexueller Gewalt, hiess es in einer Stellungnahme vom Samstag. «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» zählte zu den vier Anklagepunkten beim Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess 1945/46, woran Human Rights Watch in ihrer Stellungnahme erinnerte. Die Organisation rief ausländische Regierungen dazu auf, die Gasimporte aus dem südostasiatischen Land zu reduzieren, um die Junta von ihrer wichtigsten Devisenquelle abzuschneiden.

Die Vereinten Nationen schrieben, dass sich die wirtschaftliche und soziale Situation sowie die Sicherheitslage in Myanmar in den vergangenen sechs Monaten deutlich verschlechtert hätten. Sie erinnerten zugleich an den bewaffneten Widerstand gegen die Junta in verschiedenen von ethnischen Minderheiten bewohnten Regionen. Insgesamt seien seit 1. Februar mehr als 220 000 Menschen in Myanmar wegen Konflikten und Unsicherheit heimatlos geworden.

Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen sieht einer Mitteilung zufolge durch den Putsch das Ende der Medienfreiheit in dem Land besiegelt. Das Militär entzog mindestens acht Medienorganisationen die Lizenz. Dutzende Journalisten sollen festgenommen worden sein. Darunter auch Reporter, die vom Widerstand gegen die Junta berichteten.

Derweil werden Suu Kyi ein halbes Dutzend Vergehen vorgeworfen. Beobachter und Menschenrechtsexperten vermuten, dass die Junta die Politikerin durch die Verfahren langfristig zum Schweigen bringen will. Die 76-Jährige stand schon einmal insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest, damals wegen ihres Widerstandskampfes.

Myanmar leidet zudem unter einer schweren Corona-Welle. Die britische UN-Botschafterin Barbara Woodward warnte, der Putsch habe zu einem fast vollständigen Zusammenbruch des Gesundheitssystems geführt. Nach manchen Schätzungen könne innerhalb der nächsten zwei Wochen die Hälfte der Bevölkerung mit dem Virus infiziert sein, sagte sie laut Medienberichten.