Maskendiplomatie gegen Corona So wächst Chinas Einfluss in Europa

AP

16.4.2020

Eine chinesische Flagge in Serbiens Hauptstadt Belgrad.
Eine chinesische Flagge in Serbiens Hauptstadt Belgrad.
Bild: Darko Vojinovic/AP/dpa

China liefert in der Corona-Krise nicht nur Schutzmasken nach Europa, sondern auch Propaganda. Auf fruchtbaren Boden fällt das in Serbien, Ungarn und Tschechien — wo Peking seit Jahren versucht, mit Krediten und Technik seinen Einfluss zu stärken.

Als die erste medizinische Lieferung aus China in Serbien eintraf, war Präsident Aleksandar Vucic am Flughafen in Belgrad und küsste die chinesische Flagge. In Ungarn spielen die Behörden die Unterstützung der EU im Kampf gegen das Coronavirus herunter und rühmen Pekings Hilfe. Auch in Tschechien sagt Präsident Milos Zeman, nur China stehe dem Land in der Pandemie zur Seite.

Anderswo in der Welt muss China darum kämpfen, sein in der Corona-Krise angeschlagenes Image wieder aufzupolieren. Der Westen hatte das Land kritisiert, anfangs den Ausbruch von Covid-19 aufgrund politisch motivierter Verzögerungstaktik nicht eingedämmt zu haben. Jetzt setzt China auf Maskendiplomatie — eine Kombination aus weicher politischer Einflussnahme und Hilfslieferungen, die das Bild eines grosszügigen und effizienten Verbündeten vermitteln soll.

In Ländern wie Serbien und Ungarn, deren populistische Führungen enge Beziehungen mit Peking oder Moskau unterhalten, fällt diese Strategie auf fruchtbaren Boden. Seit Jahren baut China seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss mithilfe von Projekten der sogenannten Neuen Seidenstrasse aus. Dabei konkurriert es mit der EU und im Fall Serbien mit Russland. Die medizinischen Corona-Hilfen aus China wurden aber auch in Italien, Spanien, den Niederlanden und der Slowakei begrüsst, auch wenn einige Test-Ausrüstungen und Schutzmasken fehlerhaft oder defekt waren.

«Wir müssen uns im Klaren sein, dass es eine geopolitische Komponente gibt, einschliesslich eines Kampfes um Einfluss durch Imagekampagnen und eine Politik der Grosszügigkeit», schrieb der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell kürzlich mit Blick auf China in einem Blog: «Wir müssen Europa mit Fakten gegen seine Verleumder verteidigen.» China hat Vorwürfe, aus seinen medizinischen Hilfen politische Vorteile zu schlagen, wiederholt zurückgewiesen: Die Vorwürfe seien die Folge von tief verwurzelten Fehleinschätzungen der Ziele Chinas im Westen, hiess es.

In Serbien, das sich um die EU-Mitgliedschaft bewirbt, haben Behörden und staatliche Medien die Millionen Euro an Zuschüssen und Krediten aus Brüssel heruntergespielt und die Lieferungen, Spenden und bezahlten Käufe aus China gepriesen. Die serbische Opposition fordert, die chinesischen Hilfen im Vergleich zu jenen aus der EU offenzulegen. Doch Gehör hat sie damit noch nicht gefunden. Stattdessen zeugen Werbetafeln von der serbischen Unterstützung für Chinas Präsidenten Xi Jinping, den Serbiens Staatschef Vucic regelmässig seinen «Bruder» nennt.

«Europäische Solidarität gibt es nicht. Nur China kann helfen»

Die EU hat dem serbischen Gesundheitswesen 15 Millionen Euro Hilfen zugesagt, sowie 78,4 Millionen Euro Wirtschafts- und Sozialhilfen. Ausserdem hat sie den Transport von mehr als 280 Tonnen dringend benötigte medizinische Güter nach Serbien mit zwei Millionen bezuschusst. Vucic dankte zwar für das Geld, betonte aber, aus China sei mehr gekommen. Genaue Zahlen nannte er nicht und kritisierte zudem, die EU liefere keine Beatmungsgeräte.



«Europäische Solidarität gibt es nicht. Nur China kann helfen», sagte Vucic schon im März, als er den nationalen Notstand erklärte, der ihm in der Corona-Krise weitreichende Macht sichert. Immerhin wehrten sich pro-westliche Serben, als der Premierminister vorschlug, der serbisch-chinesischen Freundschaft ein Denkmal zu errichten: «Werden wir jetzt denen ein Denkmal setzen, die die weltweite Pandemie über uns – auch über Serbien – gebracht und dabei gelogen haben?», fragte ein Kommentator.

Serbien und Ungarn wichtige Tore

Serbien und auch Ungarn sind für Chinas Investitionen und Infrastrukturprojekte wichtige Tore nach Europa. Peking hat dem serbischen Staat bereits geschätzt 6 Milliarden Dollar (5,5 Milliarden Euro) für Autobahnen, Bahnstrecken und Kraftwerke geliehen und will bei der Einführung eines 5G-Netzwerkes und mit Ausstattung für die Gesichtserkennung helfen. US-Behörden warnen vor Pekings «Schuldenfallen-Diplomatie», die Serbien die Souveränität kosten könne, falls es die Kredite nicht zurückzahlen könne.

Unterstützung durch EU heruntergespielt

Ungarns autoritäre Regierung hat wiederholt China und andere asiatische Länder dafür gelobt, dass sie Schutzmasken, Beatmungsgeräte und weitere Hilfsmittel gegen die Ausbreitung des neuen Coronavirus geliefert haben. Ministerpräsident Viktor Orban und andere Minister spielen dagegen die Unterstützung der EU-Länder herunter und würdigen alle herab, die kritisieren, welch aussergewöhnlich grosse Macht sich die ungarische Führung im Pandemie-Notstand gesichert hat.

«Ganz Europa, einschliesslich Westeuropa, ist immer äusserst kritisch und belehrt gern über das Wesen der Demokratie», sagte der ungarische Aussenminister Peter Szijjarto vergangene Woche im Parlament. «(Aber) alle stehen in China Schlange nach den Gesundheitsprodukten. Möglicherweise muss die europäische Politik nach dem Ende der Corona-Pandemie in Bezug auf ihre östlichen Beziehungen ein klein wenig neu bewertet werden.»

Eine Expertenkommission, die Chinas Wirken in Südosteuropa beobachtet, warnte diesen Monat in einem Bericht, das Land sei «zunehmend aktiv in politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen» der Region. So sagte Tschechiens Präsident Zeman, der für seine pro-russischen und pro-chinesischen Ansichten bekannt ist, Mitte März im Fernsehen: «China war das einzige Land, dass uns mit der Schutzausrüstung geholfen hat.» Der tschechische China-Experte Martin Hala hielt dagegen, dass eine «riesige Propaganda mit der sogenannten Hilfe» einhergehe. China habe zudem keine Hilfe geschickt, sondern «eine normale kommerzielle Lieferung».


Bilder des Tages

Zurück zur Startseite