«Meilenstein» für das InternetSo will die EU Onlineriesen wie Amazon und Google regulieren
afp/dpa/twei
23.4.2022
Kriegspropaganda, Lügen, Hass und Hetze – von all dem soll es im Internet bald weniger geben. Die EU hat sich auf ein wegweisendes Gesetz verständigt. Die letzte Verhandlungsrunde hatte es in sich.
afp/dpa/twei
23.04.2022, 16:34
afp/dpa/twei
Soziale Netzwerke wie Facebook und andere Plattformen im Internet müssen in der EU künftig einheitliche Regeln etwa beim Löschen von Hassrede und anderen illegalen Inhalten einhalten. Auch in der Schweiz dürften die Regelungen mittelfristig in Kraft treten.
Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten einigten sich am frühen Samstagmorgen in Brüssel auf ein Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA), das für eine strengere Aufsicht von Online-Plattformen und mehr Verbraucherschutz sorgen soll. Für die letzte Verhandlungsrunde wurden ganze 16 Stunden gebraucht. Die Reaktionen auf den Deal fielen überwiegend positiv aus.
Ursula von der Leyen sieht historische Einigung
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einer historischen Einigung. «Unsere neuen Regeln werden die Online-Nutzer schützen, die freie Meinungsäusserung gewährleisten und den Unternehmen neue Möglichkeiten eröffnen.» Dies sei ein starkes Signal für die Menschen, Unternehmen und Länder weltweit. Der deutsche Digitalminister Volker Wissing sprach gar von einem «Meilenstein».
Das Gesetz über digitale Dienste geht auf einen Kommissionsvorschlag von 2020 zurück. Sobald es in Kraft tritt, müssen sich Online-Riesen in der Europäischen Union an mehr Auflagen halten. Neben grossen Unternehmen wie Google und Amazon müssten sich auch kleinere Internetplattformen strengeren Vorschriften beugen.
Für wen das Gesetz gelten soll
Mit den verschärften Regeln will die EU besonders die sehr grossen Onlinekonzerne stärker regulieren. Als sehr gross werden Unternehmen mit mehr als 45 Millionen aktiven Nutzerinnen und Nutzern in der EU definiert. Das sind potenziell rund 20 Unternehmen, darunter Google mit dem Tochterkonzern Youtube, Meta mit Facebook und Instagram, Microsoft mit seinem sozialen Netzwerk LinkedIn, Amazon, Apple und Twitter.
Der DSA aktualisiert die derzeit geltenden Regeln der E-Commerce-Richtlinie aus dem Jahr 2000. Einige Regelungen sollen ausser für Kleinunternehmen für alle Internetplattformen gelten.
Wie die EU Hassnachrichten den Kampf ansagt
Das Gesetz soll Internetkonzerne dazu verpflichten, stärker gegen Hassnachrichten vorzugehen. Onlineplattformen sollen etwa Nutzerinnen und Nutzer sperren, die häufig illegale Inhalte wie Hassreden oder betrügerische Anzeigen verbreiten.
Dies soll für eine Vielzahl von Plattformanbietern gelten, nicht nur für die allergrössten wie Instagram, Facebook und Youtube. Ausserdem sollen die Plattformen «unverzüglich» illegale Inhalte löschen oder unzugänglich machen, sobald diese ihnen gemeldet wurden. Richtwert sind 24 Stunden.
Wie die EU Werbenanzeigen transparenterer machen will
Die Nutzerinnen und Nutzern sollen sehen können, mit welchen Einstellungen Werbung auf sie angepasst wird, und ebenso, wer die Anzeige finanziert. Besonders sensible Daten wie sexuelle Orientierung, politische Einstellung und Religionszugehörigkeit dürfen nicht für gezielte Werbung genutzt werden. Im Fall von Minderjährigen wird personalisierte Werbung vollständig verboten.
Grosse Plattformen müssen zum Beispiel auch gegen sogenannte Rache-Pornos («revenge porn») vorgehen, also etwa wenn Ex-Partner im Internet Nacktbilder verbreiten. Das EU-Parlament hätte gerne auch kleinere Pornowebseiten, auf denen Nutzer selbst Videos hochladen können, dazu verpflichtet.
Wie die EU ihre Regeln durchsetzen will
Die sehr grossen Digitalkonzerne sollen der EU-Kommission Zugang zu ihren Daten gewähren, damit sie die Einhaltung der Regeln beaufsichtigen kann. Bei den kleineren Internetfirmen soll eine zuständige Behörde mit Ermittlungs- und Sanktionsbefugnissen in dem jeweiligen EU-Land, in dem die Firma ihren Hauptsitz hat, die Einhaltung der Regeln kontrollieren.
Die Strafen könnten bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes des betroffenen Unternehmens betragen. Ausserdem soll ein Zwangsgeld von fünf Prozent des Tagesumsatzes verhängt werden können, um einen Verstoss gegen den DSA zu beenden.
Was die EU sonst noch plant
Neben dem Gesetz über digitale Dienste hat die EU mit dem Marktkontrollgesetz weitere Regeln angestossen. Mit dem Digital Markets Act (DMA) soll verhindert werden, dass die Onlineriesen ihre Marktmacht missbrauchen - also etwa, dass Microsoft und Apple nur bestimmte Anwendungen auf ihren Geräten zulassen.
Für das Marktkontrollgesetz rechnet Digitalkommissarin Margrethe Vestager nach jüngsten Angaben mit einem Inkrafttreten im Oktober. Der DSA könnte 2023 kommen.