Sorge vor Einflussnahme Sorge vor russischer Einflussnahme bei den US-Zwischenwahlen

AP

3.9.2018

Von links nach rechts: Ein Facebook-Posting einer vermutlich russischen Gruppe, die demokratische Senatorin Claire McCaskill und Wahlapparate in Chicago.
Von links nach rechts: Ein Facebook-Posting einer vermutlich russischen Gruppe, die demokratische Senatorin Claire McCaskill und Wahlapparate in Chicago.
dpa

Noch gibt es keine Belege für grossangelegte Manipulationsversuche aus Russland. Hält Putin sein Pulver nur für die Präsidentschaftswahl 2020 trocken? Oder schlummert Schadsoftware bereits in vielen US-Systemen und muss nur noch aktiviert werden?

Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 hatten russische Hacker ihre Finger im Spiel. Vergangenes Jahr gab es Versuche, über gefälschte Webseiten die Passwörter von Senatoren abzugreifen, wobei die Spur auch nach Russland deutete. Im November stehen nun die Zwischenwahlen für den Kongress an. Bislang gibt es keine klaren Hinweise, dass Russland plant, bei den «Midterms» umfassend Einfluss zu nehmen, wie Experten erklären. Aber das muss nichts bedeuten.

Michael McFaul, Architekt der Russlandpolitik von Barack Obama, glaubt nach eigener Aussage, dass sich Wladimir Putin wenig Nutzen von einer grossangelegten Störung der Wahlen verspreche. Der russische Präsident halte sein Pulver lieber trocken für die Präsidentschaftswahl 2020, erklärte McFaul.

Grund zur Beruhigung ist das allerdings nicht. Nach Einschätzung von Experten ist es ohnehin zu spät, die US-Wahlsysteme für diese Periode noch abzusichern. Dass Präsident Donald Trump kürzlich beschloss, den Posten für Cybersicherheit im Weissen Haus zu streichen, gilt nach Einschätzung von Kritikern als Indiz dafür, dass er wenig Interesse hat, einer russischen Einmischung etwas entgegenzusetzen. Auch der Kongress hat bislang keinerlei Gesetze auf den Weg gebracht, um einer Einmischung bei den Wahlen oder Desinformation in diesem Zusammenhang entgegenzuwirken.

Daten von 500'000 Wählern gelangten zu Hackern

Mitte 2016 drangen Hacker in die Datenbank der Wahlbehörde von Illinois ein. In der Anklageschrift von Russland-Sonderermittler Robert Mueller gegen ein Dutzend russische Agenten heisst es, dabei seien die Daten von 500'000 Wählern in die Hände der Hacker gelangt. Es ist der grösste bekannte Angriff auf das US-Wahlsystem. Auch wenn es derzeit keine Hinweise gibt, dass Informationen geändert oder gar Wahlautomaten manipuliert wurden, könnten die Hacker nach Ansicht von Experten eine Schadsoftware eingeschmuggelt haben, die solche Manipulationen später ausführt.

Hinzu kommt, dass ein Grossteil der Technik, die zur Erfassung und Auswertung der Stimmen verwendet wird, nicht mehr dem neuesten Stand entspricht und viel Angriffsfläche für Cyberattacken bietet. «Wenn jemand nur eine Handvoll Wahlmaschinen beeinträchtigt, würde das meiner Meinung nach ausreichen, um die Menschen dazu zu bringen, dem System nicht mehr zu trauen», warnt Sherri Ramsay, eine ehemalige ranghohe Mitarbeiterin des US-Geheimdienstes NSA.

Die demokratische Senatorin Claire McCaskill strebt in Missouri die Wiederwahl an, einem US-Staat, in dem eine überwältigende Mehrheit Trump gewählt hat. McCaskill war Ziel eines russischen Hackerangriffs, der im Juli bekannt wurde. «Auch wenn der Angriff nicht erfolgreich war, so ist es doch empörend, dass sie glauben, damit davonkommen zu können», erklärte sie.

Bei mindestens einem ihrer Mitarbeiter wurde versucht, über eine gefälschte Senatsseite, das Kennwort abzugreifen. Es war der bislang schwerwiegendste Vorfall in diesem Jahr. Die gefälschte Seite wurde von Microsoft identifiziert. Dem Software-Giganten zufolge gab es zwei Versuche des russischen Militärgeheimdienstes GRU, Senatoren im Internet zu hacken.

Man sieht es womöglich erst ganz spät kommen

Seit Mitte 2017 seien aus dieser Richtung aggressiv politische Gruppen, Universitäten, Strafverfolgungsbehörden und andere Organisationen attackiert worden, berichtet das Unternehmen TrendMicro, das unter anderem auf Internetsicherheit spezialisiert ist.

Eric Rosenbach, ein ehemaliger hoher Beamter für Sicherheit unter Obama, sagt, die bislang bekannt gewordene russische Infiltration könne nur die Spitze eines Eisbergs sein. «Vielleicht hat es schon Gefährdungen bei wichtigen Kampagnen gegeben, die den Ausgang beeinflussen oder das Vertrauen in die Wahl unterwandern», sagt er. «Wir sehen das möglicherweise bis zum allerletzten Moment nicht.»

Mit gezielten Desinformationen in Sozialen Netzwerken wie Facebook haben russische Agenten in den vergangenen Jahren unter anderem versucht, die Spannungen zwischen Weissen, Schwarzen und anderen Ethnien in den USA zu verschärfen. Wie gross die Bedrohung durch solche Falschinformationen ist, ist schwer abzuschätzen.

Im Wahljahr 2016 war der grösste Schaden, das Hacken und die Veröffentlichung von E-Mails aus Hillary Clintons Wahlkampfteam und der Demokratischen Partei, über die in den Medien gross berichtet wurde. Aber relativ wenige hätten die vielen Einzelteile von Desinformationen in den sozialen Medien gesehen, sagt der Politikwissenschaftler Brendan Nyhan von der Universität Michigan.

Es gilt als sicher, dass Russland ähnliche Desinformationsstrategien auch anderswo anwendet, etwa im Iran. Ziel ist es, langfristig die US-Politik zu beeinflussen. «Wir dürfen nicht im Kontext der nächsten Wahl denken», sagt Lee Foster vom Cybersicherheitsunternehmen FireEye. «Es ist nicht so, dass das nach den Midterms verschwindet.»

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