Nahost «Tausendmal Nein» – warum die Palästinenser Trumps Plan ablehnen

Von Philipp Dahm

29.1.2020

Zum Scheitern verurteilt: Donald Trumps Nahost-Plan ist in Israel zwar euphorisch aufgenommen worden, gehört für den Palästinenserpräsidenten jedoch in den «Mülleimer der Geschichte».

Der lange erwartete Nahost-Plan von US-Präsident Donald Trump ist in Israel auf Begeisterung, aber in weiten Teilen der arabischen Welt auf Ablehnung gestossen.

«Tausendmal Nein», sagte der palästinensische Präsident Mahmud Abbas zu dem Vorhaben, das zwar einen eigenen Staat Palästina vorsieht, aber gleichzeitig Israels Souveränität über Siedlungen im Westjordanland anerkennt. Die Palästinenser haben nach der Präsentation des Plans nach der Veröffentlichung des Plans zu einem «Tag des Zorns» aufgerufen.

Trump hatte den Plan am Dienstag im Weissen Haus in Anwesenheit des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vorgestellt. Er soll zu einer «realistischen Zwei-Staaten-Lösung» für Israel und die Palästinenser führen, sagte Trump. Netanjahus Reaktion: «Ihr Deal des Jahrhunderts ist die Gelegenheit des Jahrhunderts. Seien Sie versichert, dass Israel diese Gelegenheit nicht verpassen wird.»

Donald Trump präsentiert an der Seite von Benjamin Netanjahu am 28. Januar in Washington seinen Nahost-Friedensplan.
Donald Trump präsentiert an der Seite von Benjamin Netanjahu am 28. Januar in Washington seinen Nahost-Friedensplan.
Bild: Keystone

Vollkommen anders dagegen die Einschätzung von Mahmud Abbas aus: Trumps Plan werde «im Mülleimer der Geschichte landen», sagte er im palästinensischen Fernsehen. «Nachdem wir all diesen Müll gehört haben, sagen wir erneut ‹Nein› zum ‹Deal des Jahrhunderts›».

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas: «Tag des Zorns» statt Friedensplan.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas: «Tag des Zorns» statt Friedensplan.
Bild: Keystone

Ins selbe Horn stiess die islamistische Hamas: «Der ‹Deal des Jahrhunderts› ist Nonsens, es ist ein feindlicher Deal», sagte Chalil al-Haja, ein führender Vertreter. «Die Palästinenser werden alle möglichen Anstrengungen mit allen Mitteln aufwenden, um ihn zu bekämpfen, bis er gescheitert ist.»

Palästinenser bekommen «Rest-Jerusalem»

Jerusalem soll dem Plan zufolge die ungeteilte Hauptstadt Israels bleiben. Die Hauptstadt eines unabhängigen Palästinenserstaates soll in Ost-Jerusalem liegen – in den ärmlichen und überfüllten arabischen Vororten hinter der gewaltigen Betonabsperrung in der Stadt. Diese Mauer soll bestehen bleiben «und soll als eine Grenze zwischen den Hauptstädten beider Parteien dienen».

Trump kündigte an, in Ost-Jerusalem eine US-Botschaft zu errichten, sollte der Plan umgesetzt werden. Abbas entgegnete: «Jerusalem steht nicht zum Verkauf.» Die Palästinenser fordern ganz Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines unabhängigen Staates. 

Als Kompensation für die wichtigen verlorenen Gebiete im Westjordanland würden die Palästinenser lediglich kleine Teile Südisraels erhalten. So dürfte Trumps Rechnung zustande kommen, dass die Palästinenser ihr Gebiet durch seinen Plan mehr als verdoppeln könnten.

Welches Zugeständnis Israel erbringen müsste

Netanjahu sagte, der Plan erkenne Israels Souveränität über alle israelischen Siedlungen im Westjordanland sowie das Jordantal an. Der Plan spricht von einem «entmilitarisierten» Palästinenserstaat. Israel werde die Sicherheitskontrolle über das komplette Gebiet westlich des Jordans behalten – also das Westjordanland. Langfristig sollten die Palästinenser mehr Kontrolle erhalten.

Turbulente Zeiten in Nahost

Das einzige scheinbar echte Zugeständnis, das Trump von Israel einforderte, ist ein vierjähriger Stopp bei der Errichtung neuer Siedlungen in bestimmten Teilen des Westjordanlandes. Netanjahu stellte aber später klar, dass es nur um jene Gegenden gehe, in denen es keine Siedlungen gebe und wo Israel keine unmittelbaren Pläne für eine Annexion habe. Aus seiner Sicht setze Trumps Plan keine Grenzen für den Siedlungsbau, sagte Netanjahu.

Trump sagte den Palästinensern wirtschaftliche Entwicklung zu, sollten sie dem Plan zustimmen. Die USA würden in die Gebiete investieren mit dem Ziel, das Wirtschaftswachstum zu verdoppeln und die Arbeitslosigkeit zu halbieren. Er stellte internationale Investitionen in Höhe von 50 Milliarden Dollar in Aussicht.

Annexion der Siedlungsgebiete angestrebt

Im Gegenzug müsste jedoch die Hamas im Gazastreifen entwaffnet werden und das Gebiet entmilitarisiert. Die Palästinenser müssten Israel als jüdischen Staat anerkennen, der weiterhin für die Sicherung der Grenzen verantwortlich bliebe. Die Palästinenserführung warf Trump daraufhin vor, in dem Konflikt einseitig Partei für Israel zu ergreifen.

Für sie ist sein Plan nicht annehmbar: Er beinhalte einen unzusammenhängenden palästinensischen Staat, der wichtige Gebiete des Westjordanlandes an Israel übergebe. Ein Sprecher kündigte dessen ungeachtet an, Netanjahu werde sein Kabinett bitten, seinem Plan für eine Annexion der Siedlungsgebiete im Westjordanland zuzustimmen. Angesichts des Gegenwindes der Palästinenser wird der Plan wohl kaum umzusetzen sein.

Auch international gab es Kritik: Das Aussenministerium der Türkei, die enge Beziehung zu den Palästinensern pflegt, sprach von einer «Totgeburt». In einer Mitteilung aus Ankara hiess es: «Es handelt sich um einen Annektierungsplan mit dem Ziel, die Zweistaaten-Lösung zu zerstören und die palästinensischen Gebiete zu erobern.» Irans Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif nannte den Plan «einen Albtraum für die Region und die Welt».

Saudi-Arabien begrüsst Initiative

Die Vereinigten Arabischen Emirate begrüssten dagegen ebenso wie Saudi-Arabien das Vorhaben: Beide Staaten sind enge US-Verbündete. Das Aussenministerium in Riad rief beide Seiten dazu auf, unter der Schirmherrschaft der USA direkt zu verhandeln. Abbas machte aber bereits am Dienstag deutlich, dass er für Verhandlungen auf Basis von UN-Resolutionen sei, aber nicht unter US-Führung.

Netanjahu steht wegen einer Korruptionsklage unter Druck. Einen Antrag auf Immunität vor Strafverfolgung, den er zu Jahresbeginn beim Parlament gestellt hatte, zog er am Dienstag wieder zurück. Daraufhin reichte die Generalstaatsanwaltschaft die Anklageschrift beim Gericht in Jerusalem ein. Der Korruptionsprozess gegen Netanjahu wird vermutlich erst nach der Wahl am 2. März beginnen. 

Israel hatte 1967 während des Sechstagekriegs unter anderem das Westjordanland, Ost-Jerusalem und die Golanhöhen erobert. Die Vereinten Nationen stufen die Gebiete als besetzt ein. Aus dem damals ebenfalls eroberten Gazastreifen ist Israel abgezogen. Die Palästinenser wollen in Westjordanland und Gazastreifen einen unabhängigen Staat mit der Hauptstadt Ost-Jerusalem ausrufen.

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