Washington vs. BundesstaatenTest ... Test ... Test?
Von Philipp Dahm
21.4.2020
Vor Kurzem haben Corona-Tests auf Donald Trumps Prioritätenliste noch hinten gestanden. Nun nutzt der Präsident sie für seinen Kleinkrieg gegen Reporter – und erst recht im Kampf gegen die US-Gouverneure.
Seit Beginn der Corona-Krise werden nicht nur Tests gemacht und wird nach Impfstoffen geforscht, sondern es wird auch überall nach einem Gegenmittel gesucht: einem Mittel gegen den Vorwurf, den sich manch eine Regierung ausgesetzt sieht, wonach sie versagt habe. Erst recht die modernen Machthaber selbst brauchen in Zeiten wie diesen einen Sündenbock – auf internationaler Ebene wird das Ganze dann «blame game» genannt.
Am offensichtlichsten ist jenes Spiel um den Schwarzen Peter gerade in den USA. Nein, gemeint ist nicht Donald Trumps Vorwurf, die WHO habe ihn nicht früh genug gewarnt, was ihn vorerst die Zahlungen an die Weltgesundheitsbehörde einstellen liess. Sondern es geht darum, wie viele Covid-19-Tests gemacht werden – oder eben nicht.
Ende März sprach Donald Trump im Weissen Haus darüber, wann der Lockdown gelockert werden könne. «Viele Staaten, über die ich rede, haben keine Probleme», sagte er damals. «Wir haben einige grosse Probleme, die sich aber auf bestimmte Gebiete beschränken, die dicht besiedelt sind. Warum sollten wir die gesamte Bevölkerung testen – 350 Millionen Leute?»
«Südkorea kenne ich besser als jeder andere»
Gleichzeitig lobte sich der US-Präsident selbst: «Wir haben die Möglichkeit, zu testen und sind schon weit gekommen, seitdem ich ein veraltetes, kaputtes System übernommen habe. Wir haben – mit dem besten Test – bei Weiten mehr Leute getestet als irgendjemand sonst. Kein Land kommt da auch nur in unsere Nähe.»
In der Folgewoche merkte eine Journalistin an, dass die USA zwar viel testeten, aber die Aussagekraft der Tests pro Kopf nicht mehr so gut sei. Wann man denn auf dem Niveau anderer Länder sei, wollte sie wissen?
«Wir sind doch alle ähnlich unterwegs», versuchte Trump in üblicher Manier die Redaktorin des «Public Broadcasting Radio» zu korrigieren. «Schauen Sie: Wir haben Gebiete auf dem Land, die sehr weitläufig sind. Südkorea kenne ich besser als jeder andere: Da ist es sehr eng. Wissen Sie, wie gross Seoul ist? 38 Millionen. Das ist grösser als alles, was wir haben. 38 Millionen Leute, die eng miteinander verwoben sind.»
Erfolg, Krieg und Weltrekord
Zwar hat die Hauptstadt Südkorea nur knapp zehn Millionen Einwohner, doch das ist nicht das Entscheidende, entscheidend ist, dass jene Tests nach Lesart des Weissen Hauses offenbar doch Chefsache zu sein scheinen. Nicht umsonst grätschte Trump verbal nach.
«Statt so eine Frage zu stellen, sollten Sie lieber den Leuten gratulieren, die solche Tests gemacht haben. Sie sollten lieber ‹Herzlichen Glückwunsch sagen›, statt so eine abfällige Frage zu stellen», ereifert sich der Republikaner – dann brach er die Pressekonferenz ab.
Die Gegenwart: Sonntagnachmittag, Pressekonferenz im Weissen Haus. «Viele gute Sachen passieren», beginnt Donald Trump seinen Bericht über den «andauernden Erfolg» im «Krieg gegen das Virus»:
«Bis heute haben wir 4,18 Millionen Amerikaner getestet. Das ist ein Weltrekord. Die USA haben mehr Tests durchgeführt als alle anderen Länder zusammen: Frankreich, Grossbritannien, Südkorea, Japan, Singapur, Österreich, Australien, Schweden und Kanada. Die Tests weiten sich rapide aus – um Millionen und Millionen von Menschen.»
«Präsident, Sie sehen müde aus»
Der Präsident spricht das Thema nicht ohne Grund an: Die «New York Times» hat kurz zuvor berichtet, dass die Testkadenz nicht ausreiche. Diese liege bei 146'000 Tests täglich, müsse sich aber in der Grössenordnung 500'000 bis 700'000 abspielen, wenn der Lockdown enden solle.
Deshalb posaunt Trump herum: Es laufe rund mit den Tests, freilich fliesst China in seiner Statistik gar nicht mit ein.
Die Zahlen beeindrucken nicht einmal dann, wenn man bedenkt, dass sich Indien und Japan aus politischen Gründen bei den Tests sehr zurückhalten und die anderen genannten Nationen eine viel kleine Bevölkerung haben.
Doch zurück zur Pressekonferenz, bei der Trump signalisieren will, dass seine Administration das Äusserste tut. «Jemand sagte zu mir: ‹Präsident, Sie sehen müde aus.›», so Trump ab Minute 2:28, «ich sagte: ‹Ich sollte müde sein! Wir alle sollten müde sein, aber wir müssen gewinnen, oder?›»
10 Prozent der Gouverneure sind Trump 90 Prozent zuwider
Trump erwähnt noch, dass sich sein Vize Mike Pence am Folgetag mit den Gouverneuren telefonisch besprechen werde, wobei es auch um das Testen auf lokaler Ebene gehe. Und ein paar weitere Tagesordnungspunkte verrät der Präsident. «Vor dem Anruf senden wir ihnen eine Liste mit Labor-Maschinen in den einzelnen Staaten.»
«Einige von ihnen» würden nämlich nicht wissen, dass gewisse Maschinen – «übrigens von hoher Qualität» – umfunktionalisiert werden könnten. «Sie sind erst bei zehn Prozent», weiss Trump, «90 Prozent könnten es also noch mehr sein.» Ausserdem würden einige Bundesstaaten private Labore nicht mit einbeziehen, die noch Kapazitäten aufwiesen.
Dann wird die Szenerie völlig absurd: «Wir schaffen weiterhin Millionen dieser Abstrich-Tupfer an. Ich habe zufällig einen hier.» Trump zieht etwas hervor, was wie ein verpacktes Essstäbchen aussieht.
«Das ist ein Tupfer»
Trump hält es hoch. «Das ist ein Tupfer ... Will jemand sehen, wie er aussieht? Soll ich öffnen?» Es grenzt an Bescherung.
Trump hält den Tupfer weiter hoch. «Darum geht es!» Kameras knipsen und surren. «Erinnert der euch an was?» Der Präsident nestelt wieder an seiner Jackentasche. «Das eine ist ein Tupfer, das andere ein Wattestäbchen. Sie sind tatsächlich verschieden.»
Auf jeden Fall sind die Tupfer für einige Gouverneure ein Problem, zumindest gemäss Trump: «Sie wurden an die Bundesstaaten geschickt, und einige Gouverneure wissen nicht, wo sie hingekommen sind.» Und nach der Spitze gegen die Gouverneure endet es so: «Und was machen wir jetzt mit dem Tupfer? Karen, komm, mach einen Extra-Test», sagt er – und übergibt das Ding einer seiner Untergebenen in der Nähe.
Fazit
Erstens: Donald Trump Ansichten zu Corona-Tests sind flexibel. Zweites: Der Ton zwischen Gouverneuren und Präsident wird rauer. Drittens: Karen hat kein Covid-19.
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