Grenze USA-Mexiko Testlauf für Trumps Mauerpläne

von Norman Merchant und John L. Mone, AP

16.4.2018

Am Rio Grande in Texas ist die Zahl der illegalen Grenzübertritte in die USA laut Regierung besonders hoch. Deswegen soll dort das erste Teilstück einer Mauer zu Mexiko entstehen. Doch viele US-Bürger in der Region sehen das skeptisch.

Es war eines seiner grossen Wahlversprechen: Mit einer Mauer zu Mexiko will Donald Trump die illegale Einwanderung aus Mexiko in die USA stoppen. Bei der Umsetzung hat es bislang gehapert. Doch zumindest auf einem Bruchteil der Grenze soll nun bald mit dem Bau begonnen werden.

Im vergangenen Monat verwehrte der Kongress dem US-Präsidenten die bis zu 25 Milliarden Dollar (rund 24 Milliarden Franken) für die Finanzierung der kompletten Mauer. Lediglich für gut 50 Kilometer im Rio-Grande-Tal in Texas erhielt Trump das Geld. Dort kommt es nach Regierungsangaben zu den meisten illegalen Grenzübertritten auf der Strecke zwischen dem Pazifik und dem Golf von Mexiko.

Vor wenigen Tagen bezog die Nationalgarde auf Geheiss des Präsidenten Position in der Gegend. Wenn sie wieder abzieht, soll dort die Mauer stehen. Sie könnte die Region für immer verändern.

Der Ort Roma mit seinen rund 10'000 Einwohnern liegt idyllisch am Ufer des Rio Grande. Von dort hat man einen Blick auf Ciudad Miguel Alemán auf der Südseite des Flusses und kann sehen, wie Schulkinder eine kleine Brücke überqueren. Man kann auch Truthähne rufen hören. Inzwischen sind dort die ersten Nationalgardisten aufmarschiert, patrouillieren mit Gewehren und beobachten durch Ferngläser, was auf der anderen Seite des Flusses passiert.

Folge einer verzerrten Berichterstattung?

Trump sagt, die Nationalgarde sei notwendig, um die Grenze zu schützen, bis die Mauer steht. Seine Regierung und der texanische Gouverneur Greg Abbott, wie Trump Republikaner, verweisen darauf, dass die Zahl der illegalen Grenzübertritte gestiegen sei und mehr Schmuggler und Gang-Mitglieder in die USA gekommen seien.

Viele Menschen, die auf der amerikanischen Seite des Flusses leben, sehen die Situation jedoch anders. Sie sagen, ihre Gemeinden seien sicher vor der Gewalt der Drogenkartelle, die den Norden Mexikos erschüttert. Viele der Menschen, die über die Grenze kämen, würden sich zudem stellen und Asyl beantragen. Unter ihnen seien Tausende Erwachsene und Kinder, die vor der Gewalt und Instabilität in Zentralamerika fliehen würden.

Die Sicht von der Grenze

Scott Nicol, der seit vielen Jahren im Rio-Grande-Tal lebt und im Vorsitz des Sierra-Grenzland-Clubs aktiv ist, findet, dass sowohl die Stationierung als auch die Mauer Teil einer verzerrten landesweiten Berichterstattung seien. Danach werde jeder, der in der Region lebe, als Teil einer gigantischen Schmuggler-Operation angesehen.

«Wenn sie in ein Stadtviertel gehen und sehen, dass alle Häuser Schutzgitter gegen Einbrecher haben, nehmen sie an, dass es dort eine hohe Einbruchsrate gibt – statt anzunehmen, dass es dort nur einen richtig guten Vertreter für Schutzgitter gegen Einbrecher gibt», sagt er.

Sorge über bleibende Schäden nach dem Mauerbau

Nicol und andere Gleichgesinnte sind besonders darüber besorgt, dass der Bau einer Mauer bleibende Schäden verursachen könnte. An einigen Stellen sollen Bäume und Büsche gerodet werden, um dort Strassen und Beleuchtungsanlagen zu errichten. Das könnte nach Ansicht von Personen wie Nicol bedrohte Lebensräume für Tiere zerstören, ihre Bewegungsfreiheit einengen, die Pflanzen schädigen und Erosion beschleunigen.

Zudem könnte eine Mauer die Gegend anfälliger für Überschwemmungen machen. Im Falle einer Naturkatastrophe würde unter Umständen mehr Wasser nach Mexiko geleitet werden. Das wäre ein Verstoss gegen entsprechende Vereinbarungen zwischen beiden Ländern. Auch befürchten Gegner einer Mauer, dass viele Grenzorte ihre besondere kulturelle Identität verlieren und die Wirtschaft leide.

«Der Fluss ist eigentlich alles», sagt Jim Chapman, der sich in der regionalen Umweltgruppe Friends of the Wildlife Corridor engagiert. «Er versorgt die menschliche Bevölkerung und einen grossen Teil der Tierwelt.»

Im Tierschutzgebiet von Santa Ana führt eine Piste Besucher über einen Damm in den nahezu unberührten Wald mit Schmetterlingen und Vögeln. Die Piste endet auf dem nördlichen Flussufer.

Auch aus dem Umfeld der Nationalgarde kommt Kritik

Ursprünglich wollte der Grenzschutz dort mit dem Bau der Mauer beginnen. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Teilstücken, die erst noch enteignet werden müssen, gehört das Land dort bereits der Regierung. Doch der Kongress stellte sich im März quer, verbot jegliche Art von Mauer am Santa-Ana-Damm.

Wo die Arbeiten jetzt beginnen, hat der Grenzschutz noch nicht mitgeteilt. Doch Umweltschützer befürchten, dass die Behörde andere Rückzugsräume ins Visier nehmen wird, die über die vergangenen vier Jahrzehnte im unteren Rio-Grande-Tal aufgekauft wurden. «Santa Ana wurde verschont, aber nichts anderes», sagt Chapman.

Auch aus dem Umfeld der Nationalgarde gibt es kritische Stimmen gegen die Mauer. David Scott Kennedy diente bei der Operation «Jump Start» unter Präsident George W. Bush im Jahr 2006 in der Region an der Grenze zu Mexiko. Er habe dabei viel von dem Leid der Migranten erfahren, die versuchten, über den Fluss in die USA zu gelangen, sagt er rückblickend.

Die erneute Stationierung der Nationalgarde findet er trotzdem gut. Aber den Bau einer Mauer hält er für lächerlich. «Sie werden einen Weg finden, um rüberzukommen», sagt er. «Die Grenzmauer ist meiner Meinung nach Geldverschwendung. Wir sollten andere Dinge unternehmen.»

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