Streit mit China Trump verbietet Geschäfte mit TikTok und WeChat per Anordnung

dpa/dor

7.8.2020 - 04:16

TikTok ist der erste globale App-Erfolg aus China in der Liga von Facebook. Doch Präsident Trump sieht darin eine Bedrohung der nationalen Sicherheit. Jetzt setzt er der beliebten Video-App eine Galgenfrist für das US-Geschäft.

US-Präsident Donald Trump macht ernst: Mit einer neuen Verfügung gegen TikTok will er offenbar den Verkauf des US-Geschäfts der beliebten chinesischen Video-App erzwingen. Mit der Verfügung, die in 45 Tagen greifen soll, verbietet Trump US-Bürgern, «Geschäfte» mit Bytedance, dem Eigentürmer der App, zu machen. Die App stelle eine «Bedrohung» der nationalen Sicherheit dar, hiess es in der am Donnerstagabend (Ortszeit) veröffentlichten Verfügung. Die App sammle grosse Mengen an Nutzerdaten und könne es der kommunistischen Partei China ermöglichen, Amerikaner auszuspionieren, hiess es. 

Trump hatte jüngst mit Nachdruck auf einen Verkauf des US-Geschäfts der App an ein amerikanisches Unternehmen gedrängt. Mit der Verfügung scheint er dies zu erzwingen: Falls der Erlass nicht noch von einem Gericht für ungültig erklärt werden sollte, dürfte TikTok in den USA in 45 Tagen nicht mehr verfügbar sein. Zudem ging der Präsident auch gegen die chinesische App WeChat vor.

Das Vorgehen markierte eine neue Eskalationsstufe in den angespannten Beziehungen zwischen den USA und China. Die Beziehungen sind seit der Etablierung diplomatischer Beziehungen vor 40 Jahren auf einem historischen Tiefpunkt. Ein Ende des Konflikts ist nicht abzusehen – im Gegenteil. Nach einem langen und intensiven Handelskrieg schlossen China und die USA im Januar ein Teilhandelsabkommen ab. Seither hat sich das Verhältnis der grössten und zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt jedoch rapide verschlechtert. Für eine weitere Verschärfung sorgt vor allem Trump, der China für die Coronavirus-Pandemie, die in China ihren Ursprung genommen hatte, und die durch die Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise verantwortlich macht. Für Trump, der sich im November um eine zweite Amtszeit bewirbt, kommt die Krise zur Unzeit.

Der amerikanische Softwarekonzern Microsoft brachte sich nach dem massiven politischen Druck aus dem Weissen Haus in Stellung, das US-Geschäft der Video-App zu übernehmen. Das Unternehmen will bis Mitte September einen Deal mit dem privaten chinesischen Eigentümer aushandeln. Auch der TikTok-Betrieb in Kanada, Australien und Neuseeland soll Teil der Vereinbarung sein, erklärte Microsoft in einem Blogeintrag in der Nacht zum Montag. Europa wurde nicht erwähnt. Microsoft will nach eigenen Angaben dafür sorgen, dass alle persönlichen Daten von US-Bürgern in die USA übertragen und nur dort gesammelt würden.



Verfügung richtet sich gegen chinesische Eigentümer

Das Weisse Haus zitierte Berichte, wonach die App in den USA bereits 175 Millionen mal heruntergeladen worden sei. Sollte ein US-Unternehmen TikToks örtliches Geschäft übernehmen, dürfte die App dort weiter eine Zukunft haben, zumal die Verfügung sich nicht gegen TikTok an sich, sondern gegen den chinesischen Eigentümer richtete.

TikTok verzeichnet rasantes Wachstum und gilt schon länger als angesagteste grosse Plattform bei jüngeren Leuten. Die internationale Videoplattform hat hunderte Millionen Nutzer weltweit. Sie können dort eigene Clips hochladen oder Videos von anderen ansehen. Das soziale Netzwerk Facebook versucht, mit dem Kurzvideo-Format Reels bei seiner Fotoplattform Instagram mitzuhalten.

Aus dem Weissen Haus hiess es, TikTok «sammelt automatisch große Mengen an Daten von seinen Nutzern», darunter auch Geodaten und Suchverläufe. Diese Daten könnten es China erlauben, Angestellte des Bundes oder Dienstleister auszuspionieren oder zu erpressen, hiess es.

TikTok-Eigentümer Bytedance bemüht sich seit einiger Zeit, seine internationale Plattform von der chinesischen Version zu trennen. TikTok versichert, Chinas Regierung habe keinen Zugriff auf Nutzerdaten und habe dies auch nie verlangt. Die Daten von US-Nutzern würden sowieso in den USA gespeichert und verarbeitet, hiess es. In China selbst gibt es nur die zensierte Version der App, Douyin.

TikTok-Preis unklar

Wie viel Microsoft für TikTok zahlen müsste, ist bislang unklar. Es dürfte aber um einen zweistelligen Milliardenbetrag gehen. Die Verfügung des Weissen Hauses setzt Bytedance allerdings unter Druck. In den USA hat TikTok nach eigenen Angaben 100 Millionen Nutzer und wäre damit ein äusserst attraktives Übernahmeziel.

Microsoft könnte aus dem politischen Gerangel um die App somit als lachender Dritter hervorgehen – der Softwarekonzern hat bislang kein eigenes Social-Media-Geschäft. Unter Chef Satya Nadella wurde Microsoft neben dem Kerngeschäft vor allem mit Cloud-Angeboten für Unternehmen erfolgreich. Im Geschäft mit Verbrauchern tritt das Unternehmen vor allem mit der Spielekonsole Xbox in Erscheinung.

Mit dem TikTok-Deal würde der Windows-Riese auf einen Schlag zu einem relevanten Wettbewerber von Facebook werden – würde sich aber auch für den Konzern ganz neue Probleme ins Haus holen. So muss Facebook gewaltige und teure Anstrengungen unternehmen, um Hassbotschaften, Hetze und andere politische Inhalte aus der Plattform zu filtern. Facebook versucht allerdings auch von der unsicheren Zukunft von TikTok zu profitieren:  Der Konzern aus dem Silicon Valley Facebook lanciert Reels, ein seinen in Instagram eingebauten TikTok-Klon. Am Donnerstag schaltete Facebook Reels in zahlreichen weiteren Ländern frei, unter anderem in den USA und in der Schweiz.

In einer weiteren Verfügung verbat Trump US-Bürgern auch, Geschäfte mit der chinesischen Social Media App WeChat oder deren Eigentürmern zu machen. Das Verbot werde aus Gründen der nationalen Sicherheit ebenfalls in 45 Tagen in Kraft treten, hiess es. Die Verfügung könnte zu einem Verbot der App in den USA führen. Die von Tencent Holdings betriebene App ist in China extrem beliebt – in den USA wohl aber nur begrenzt verbreitet. Die App bietet Nutzern die Dienste eines sozialen Netzwerks an, Messenger-Services und einen Bezahldienst.

Trumps Regierung geht schon seit langem gegen den chinesischen Telekomriesen Huawei vor. Washington verdächtigt diesen, ein Einfallstor für Pekings Spione zu sein. Die US-Regierung bemüht sich mit Nachdruck, dafür zu sorgen, den Hersteller auch in befreundeten Staaten vom Bau der schnellen 5G-Mobilfunknetzwerke auszuschliessen. Auch der chinesische Telekomausrüster ZTE war in Washington zwischenzeitlich in Ungnade gefallen.



Drohung: Chinesische Firmen von US-Börsen verbannen

Ebenfalls am Donnerstag hatte die US-Regierung angekündigt, gegen chinesische Unternehmen mit Börsennotiz in den Vereinigten Staaten vorgehen zu wollen, die sich nicht an die dort gängigen Bilanzprüfungen halten. Nach einem vom Finanzministerium in Washington vorgestellten Plan sollen Firmen aus China die Auflagen bis 2022 erfüllen oder ihre Börsenpräsenz in den USA aufgeben. Dadurch sollten Anleger vor «erheblichen Risiken» bewahrt werden.

Den Finanzaufsehern ist es schon lange ein Dorn im Auge, dass chinesische Konzerne wie der Onlineriese Alibaba sich nicht wie üblich von US-Bilanzprüfern in die Bücher gucken lassen wollen. Finanzminister Steven Mnuchin plädiert deshalb dafür, dass die US-Börsenaufsicht SEC ihre Standards entsprechend ändert. Bislang handelt es sich allerdings lediglich um Vorschläge und Empfehlungen einer von US-Präsident Donald Trump beauftragten Arbeitsgruppe.

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dpa/dor