Twittern, provozieren, ignorieren Trump völlig losgelöst: Zügelloser Wahlkampf statt seriöser Politik

Michael Donhauser, dpa

9.4.2018

Er sollte regieren, aber eigentlich macht Donald Trump Wahlkampf. Sein Auftreten zielt auf die weichenstellenden Wahlen im November. Für die Welt sind Entscheidungen etwa zu Nordkorea und zum Iran in den kommenden Wochen wichtiger. Ein Konzept gibt es nicht.

Er twittert wie in besten Wahlkampfzeiten. Er entlässt Nachdenkliche und stellt an ihrer Stelle Provokateure ein. Er lässt Papiere fliegen und bringt die Welt an den Rand eines Handelskrieges. US-Präsident Donald Trump scheint nach 14 Monaten im Weissen Haus zügelloser denn je zu agieren. 

Dabei sind die nächsten Wochen vollgepackt mit Weichenstellungen, die die Fahrtrichtung der ganzen Welt verändern können. Und Donald Trump sitzt qua Amt im Stellwerk. Am 1. Mai läuft die Frist für EU-Staaten und andere Länder ab, um dauerhafte Ausnahmen bei Strafzöllen auf Stahl und Aluminium zu erwirken.

Bis zum 12. Mai muss Trump eine Entscheidung treffen, die letztlich die Frage des Verbleibs der USA im Atomabkommen mit dem Iran beantwortet. Und noch im Mai will er sich angeblich mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un treffen.

Kein politisches Gesamtkonzept

Auch ein Zweiergipfel mit Russlands Staatschef Wladimir Putin, dessen Umfeld er gerade erneut mit Wirtschaftssanktionen überzog, ist in Vorbereitung. Das G7-Treffen der Staats- und Regierungschefs Anfang Juni im kanadischen La Malbaie wird angesichts der schieren Bedeutungsmacht in Trumps Terminkalender fast zur Garnitur.

Der US-Präsident scheint sich beim Aufwärmen für die Wochen der Entscheidungen von allem empfundenen Ballast befreien zu wollen. Besänftigende Berater wie Ex-Aussenminister Rex Tillerson und Ex-Wirtschaftsberater Gary Cohn hat er entlassen. General Herbert Raymond McMaster bekam als Nationaler Sicherheitsberater am Freitag im Weissen Haus den Schlussapplaus. Von einem politischen Gesamtkonzept scheint das Weisse Haus - seit Trumps erstem Tag im Krisenmodus - weiter entfernt denn je.

Trump völlig ausser Kontrolle

«Nach 14 Monaten im Amt, zeigt sich Trump zunehmend trotzig und führt seine Regierung auf dieselbe brutale und rasante Art, mit der er sein Immobilien- und Marken-Franchise-Imperium geleitet hat», schreibt die «Washington Post». Einige in seinem Umfeld seien besorgt, andere bezeichneten ihn schlicht als «losgelassen».

Mit Leuten wie dem neuen Nationalen Sicherheitsberater John Bolton, dem designierten Aussenminister Mike Pompeo und seinem Leibarzt Ronny Jackson als Veteranen-Minister umgibt er sich mit Leuten, die seiner Denkweise entsprechen. Oder, wie Kritiker sagen: ihm nach dem Mund reden.

Die Opposition in der eigenen Partei, vor allem von Parlamentariern, die sich nicht noch einmal zur Wiederwahl stellen wollen, werde immer grösser, berichtete das Washingtoner Fachorgan «The Hill». Auch sein Stabschef John Kelly, einst als ordnende Hand im Chaos der jungen Trump-Administration geholt, sei immer mehr isoliert, schreibt die «Washington Post».

Trump kontert gewohnt polternd: Die Berichterstattung der Publikation aus dem Imperium seines Intimfeindes und Amazon-Chefs Jeff Bezos sei weit mehr Dichtung als Wahrheit. «Bericht um Bericht ist erfundener Müll», schrieb Trump am Sonntag auf Twitter. Die «Post» erinnere eher an einen schlechten Roman.

Trump und die Mauer

Alles wird Wahlkampf

Trump macht seit Wochen Wahlkampf in Form von Regierungspolitik. Der um sein Image als «Tough Guy» (harter Bursche) bemühte Präsident schickt die Nationalgarde an die Südgrenze zu Mexiko, um illegale Einwanderer abzuwehren. Dass sein Vorgänger Barack Obama das schon gemacht hat und auch dessen Vorgänger George W. Bush, sagt er nicht. Auch nicht, dass derzeit so wenige Einwanderer die Grenze überqueren wollen wie seit Jahren nicht mehr.

Immer wieder präsentiert er den Boom der US-Wirtschaft als sein Werk - obwohl die Daten schon weit vor seiner Zeit anzogen, und die Börsen derzeit schon wieder eher negativ reagieren. Trump treffe eilfertige Entscheidungen, die Märkte durchschüttelten und Experten verblüfft zurückliessen. «Seine Ausraster, die im letzten Jahr noch in etwa jede Woche kamen, sind inzwischen eher eine tägliche Erscheinung seiner Präsidentschaft», schreibt der Politikprofessor Daniel Dezner von der Tufts University.

Die bevorstehenden Zwischenwahlen am 6. November dürften neben dem Ego des Präsidenten eines der Hauptmotive sein, die Trump zum Wahlkämpfer im Amt werden lassen. Die Ergebnisse seiner Regierungspolitik sind nach Meinung von Experten - im Gegensatz zum Sprachgebrauch des Weissen Hauses - armselig.

Wichtige Wochen der Wahrheit

Trump steht vor den Wahlen unter Zugzwang. Die satte Mehrheit im Repräsentantenhaus, einer der beiden Kammern im US-Kongress, könnte nach bisherigen Umfragen verloren gehen. Dann würde ihm das Regieren noch schwerer gemacht. Sollten die Republikaner auch die knappe Mehrheit in der anderen Kammer, dem Senat, einbüssen, würde es für Trump auch persönlich kritischer.

Die oppositionellen Demokraten könnten dann bis zur nächsten Präsidentenwahl im Jahr 2020 genüsslich die Trumpschen Skandale - von der Beziehung zu einem Pornosternchen bis zur Russland-Affäre nach Belieben auf die Agenda heben. Bis zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren.

Es ist deshalb kein Zufall, dass Trump schon jetzt die wichtigen Swing States - also besonders heiss umkämpfte Staaten mit immer wieder wechselnden Mehrheiten - wie Florida und Ohio bearbeitet. Die Wähler dort werden massgeblich über seine Zukunft entscheiden - 2018, spätestens aber 2020.

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