Aufregung nur Taktik? Wieso Trump vom Rätselraten um den Whistleblower profitiert

on Mark Sherman und Jonathan Lemire, AP/uri

7.11.2019

Präsidentensohn Donald Trump Jr. gab auf Twitter den Namen des mutmasslischen Whistleblowers in der Ukraine-Affäre bekannt. 
Präsidentensohn Donald Trump Jr. gab auf Twitter den Namen des mutmasslischen Whistleblowers in der Ukraine-Affäre bekannt. 
Bild: Keystone

Der US-Präsident gibt sich erbost, dass die Identität des Whistleblowers in der Ukraine-Affäre geheimgehalten wird. Das könnte aber auch Taktik sein – zumal sein Sohn Donald Trump Jr. nun den mutmasslichen Namen nennt.

US-Präsident Donald Trump wettert gerne gegen die Medien. Momentan etwa besonders, weil sie den Namen des mutmasslichen Whistleblowers, der die Ukraine-Affäre ins Rollen gebracht hat, nicht nennen. Dessen Anmerkungen stehen am Anfang der Untersuchungen für ein Amtsenthebungsverfahren. Aber bei Trumps Kritik fällt auf: Er selbst achtet darauf, den Namen ebenfalls nicht zu nennen.

Das Aufdecken eines Informanten kann heikel sein, selbst für einen Präsidenten. Zum einen könnte das Identifizieren eines Whistleblowers ein Verstoss gegen Bundesgesetze bedeuten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Trump deswegen angeklagt wird, ist zwar gering. Zum anderen könnte eine Offenlegung des Namens durch Trump den Demokraten aber auch zusätzliches Futter für das Impeachment-Verfahren liefern.

Und obwohl Trump die Nennung des Namens einfordert, gibt es für ihn auch Vorteile, wenn er ein Geheimnis bleibt. Die Anonymität macht es einfacher, sowohl die Glaubwürdigkeit der Person als auch deren Kritik und Anmerkungen zu untergraben, wie aus dem Umfeld des Weissen Hauses verlautete. Es erlaubt Trump auch, weiter gegen die Medien zu wettern, die den Whistleblower angeblich schützen.

Donald Trump Jr. outet Whistleblower

In den vergangenen Wochen kursierte der Name eines Mannes in konservativen Medien, der der Whistleblower sein soll. Präsidentensohn Donald Trump Jr. twitterte am Mittwoch einen Link zu einer Geschichte der Rechten Nachrichten- und Meinungsseite Breitbart, die den Namen verbreitete. Er nannte den Namen auch selbst in seinem Tweet: Eric Ciaramella.

In den USA existieren Gesetze zum Schutz von Whistleblowern, um deren Identität und Karrieren zu schützen, wenn sie Regierungsfunktionäre des Fehlverhaltens beschuldigen. Abgeordnete beider Parteien haben diese Schutzmassnahmen in der Vergangenheit verteidigt. Die Nachrichtenagentur AP enthüllt die Identität von Whistleblowern grundsätzlich nicht.

Vieles aus den Anmerkungen des Unbekannten über Trumps Telefongespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am 25. Juli wurde von Aussagen Beamter untermauert und ergänzt. Gleiches gilt für Zeugenaussagen im Kongress und die teilweise Mitschrift des Anrufs, die das Weisse Haus veröffentlichte.

Warnungen der Anwälte

Die Anwälte des Whistleblowers warnten kurz nach dem Tweet von Trump Jr., die Nennung des möglichen Namens schade der Person und ihrer Familie ernsthaft. In der Stellungnahme von Andrew P. Bakaj und Mark S. Zaid hiess es, die «Veröffentlichung oder Verbreitung eines Namens zeigt die Verzweiflung, von der inhaltlichen Substanz der Beschwerde des Whistleblowers abzulenken». Das werde Trump aber nicht davon entbinden, sich den Vorwürfen zu stellen, «die sich alle im Wesentlichen als wahr erwiesen haben».

Donald Trump spricht bei einer Wahlkampfkundgebung der Republikaner.
Donald Trump spricht bei einer Wahlkampfkundgebung der Republikaner.
Bild: AP

Mehrere seiner Verbündeten haben Trump geraten, die Identität nicht zu lüften. Zuletzt änderte er daher seine Taktik. Er wirft den Medien vor, den Whistleblower zu schützen – was ihm ebenfalls den Vorwurf erlaubt, Medien und Demokraten steckten unter einer Decke mit dem «Deep State» einem vermeintlichen Staat im Staat. Bei dieser Idee geht es um Trump-Gegner innerhalb eines Regierungsapparats, die versuchen, der Regierung von innen heraus zu schaden. 

Trumps Strategie erinnert an jene während der Russland-Untersuchungen. Via Twitter und vor Reportern verhöhnte er den damaligen FBI-Direktor James Comey, den Agenten Peter Strzok und die FBI-Anwältin Lisa Page. Aus Textnachrichten zwischen Strzok und Page ging hervor, dass sie den Präsidenten nicht mochten – was Trump als Beleg für eine angebliche Verschwörung gegen ihn anführte. Es gibt keinen stichhaltigen Beweis dafür, dass es bei den Russland-Untersuchungen eine Voreingenommenheit unter den Ermittlern gab.

Trump konstruiert Verschwörung 

Bei dem Whistleblower in der Ukraine-Affäre setzt Trump nun auf eine ähnliche Taktik. Ohne Beweise vorzulegen, hat er die Person als liberal dargestellt, die ihn niemals wählen würde. Den Schutz der Identität sieht er als Beleg für ein Verschwören mit den Demokraten. Wie schon in den Russland-Untersuchungen hinterfragt der Präsident eher die Integrität und die Ermittlung selbst als die Fakten.

Zweifel an der Ukraine-Affäre sät er so bei seiner Basis genauso wie bei republikanischen Senatoren, wie es im Umfeld des Weissen Hauses heisst. Die Senatoren könnten ihm Falle eines tatsächlichen Amtsenthebungsverfahrens sein Schicksal besiegeln. Würde er den Whistleblower namentlich nennen, könnte er wiederum republikanische Senatoren verprellen, die Whistleblower für wichtig halten, um Korruption zu bekämpfen.

Die Organisation National Whistleblower Center (NWC) beobachtet die Entwicklungen in der Ukraine-Affäre mit Sorge. Es seien besorgniserregende Aussichten, wenn der Schutz des Whistleblowers wirklich von Trump abhängig sei. Man könne nur hoffen, dass der Präsident seinen Job mache, sagte Stephen Kohn vom NWC. Vergeltung gegen den Whistleblower müsse verhindert werden.

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