Ukraine-KonfliktAngehörige von US-Diplomaten verlassen das Land – die Schweiz wartet ab
dpa
24.1.2022 - 07:35
Familien von US-Botschaftspersonal in Kiew sollen ausreisen
In der Ukraine-Krise haben die USA die Familien ihrer Botschaftsmitarbeiter in Kiew zur Ausreise aufgefordert. Angesichts der Gefahr eines russischen Militäreinsatzes sollten zudem alle US-Bürger in der Ukraine dies erwägen, hiess es in der Nacht auf Montag in einer Erklärung des Aussenministeriums. Die US-Botschaft in der Hauptstadt selbst teilte mit, eine russische Militäraktion sei «jederzeit möglich». In einem solchen Fall wäre die US-Regierung nicht in der Lage, amerikanische Staatsbürger zu evakuieren. Das US-Aussenministerium erneuerte zudem eine Reisewarnung für Russland und verwies dabei auf die Spannungen an der Grenze zur Ukraine. In dem seit Wochen anhaltenden Konflikt erwägt US-Präsident Joe Biden einer Zeitung zufolge nun die Entsendung von Truppen in die osteuropäischen Nato-Staaten. Eine von mehreren diskutierten Varianten sehe bis zu 5000 Soldaten vor, berichtete die «New York Times» unter Berufung auf Regierungskreise. Die Zahl könne verzehnfacht werden, sollte die Lage sich verschlechtern. Russland hat an der Grenze zur Ukraine rund 100.000 Soldaten zusammengezogen. Die Regierung in Moskau weist den Vorwurf zurück, eine Invasion vorzubereiten und fordert zugleich Sicherheitsgarantien der Nato. Unter anderem eine Absage an eine Aufnahme der Ukraine als Mitglied.
24.01.2022
Wegen der wachsenden Spannungen bieten die USA Angehörigen ihres Botschaftspersonals in Kiew an, sie auszufliegen. Grossbritannien, Deutschland und Australien ziehen mit, die Schweiz wartet ab.
24.01.2022, 07:35
24.01.2022, 16:01
Die US-Regierung verringert angesichts der angespannten Lage im Ukraine-Konflikt mit Russland ihre Botschaftspräsenz in Kiew. Die freiwillige Ausreise nicht unmittelbar benötigter Beschäftigter wegen der anhaltenden Bedrohung durch russische Militäraktionen sei genehmigt worden, teilte das US-Aussenministerium mit. Familienangehörige von Diplomatinnen und Diplomaten wurden aufgefordert, die Ukraine zu verlassen.
Einem Bericht der «New York Times» zufolge erwägt US-Präsident Joe Biden nun sogar die Entsendung von mehreren Tausend US-Soldaten zu Nato-Verbündeten im Baltikum und in Osteuropa. Über die jüngsten Entwicklungen in der Krise wollen die Aussenminister der EU-Staaten sich mit ihrem US-Kollegen Antony Blinken an diesem Montag austauschen.
Es handle sich bei den Vorkehrungen die US-Botschaft betreffend um «Vorsichtsmassnahmen», sagte eine hochrangige Beamtin des US-Aussenministeriums. Auf die Frage, warum diese Entscheidung ausgerechnet jetzt getroffen worden sei, verwies das Ministerium auf die Warnung des Weissen Hauses aus der vergangenen Woche, wonach es jederzeit zu einem Einmarsch Russlands in die Ukraine kommen könne.
Die Ausreise des nicht vor Ort notwendigen Personals sei freiwillig. Familienangehörige seien jedoch dazu verpflichtet, das Land zu verlassen. Über den Schritt war bereits seit einigen Tagen spekuliert worden.
Mehrere Länder ziehen Personal ab, nicht aber die Schweiz
Wegen der sich zuspitzenden Lage zieht auch Grossbritannien Mitarbeitende und deren Angehörige aus seiner Botschaft in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ab. Dies sei eine Reaktion auf die wachsende Bedrohung durch Russland, teilte das Aussenministerium in London am Montagmorgen mit.
Das deutsche Auswärtige Amt zieht ebenfalls Konsequenzen und finanziert Familienangehörigen von Mitarbeitenden der Botschaft in Kiew eine freiwillige Ausreise. Das gelte auch für deutsche Organisationen wie das Goethe-Institut, den Deutschen Akademischen Austauschdienst und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, sagte Außenamtssprecher Christopher Burger am Montag in Berlin.
Die australische Regierung hat alle Staatsbürger aufgefordert, umgehend die Ukraine zu verlassen. Angehörige von australischen Diplomaten würden aus der Hauptstadt Kiew ausgeflogen, hiess es.
Und die Schweiz? Das Eidgenössische Departement des Äusseren äussert sich auf Anfrage von blue News: «Die Schweiz ist besorgt über die zunehmenden Spannungen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist keine Evakuierung der Schweizer Botschaft in Kyiv geplant. Die Lage wird regelmässig neu evaluiert.» Im Moment arbeiten gemäss EDA 43 Personen auf der Schweizer Botschaft in Kiew, darunter 13, die zum «versetzbaren Personal» gehören.
US-Präsident Joe Biden hatte sich über die Krise mit Moskau am Wochenende mit seinem Sicherheitsteam beraten.
Der «New York Times» zufolge steht nun die Entsendung von US-Soldaten sowie von Kriegsschiffen und Flugzeugen zu Nato-Verbündeten im Raum. Die US-Regierung zeigte sich diesbezüglich zuletzt eher zurückhaltend. Die Zeitung berief sich auf mehrere nicht namentlich genannte Beamte.
Aus dem Weissen Haus gab es für derartige Pläne zunächst keine Bestätigung. Zu den Optionen gehöre die Entsendung von 1000 bis 5000 Soldaten in osteuropäische Länder, mit der Möglichkeit, diese Zahl zu verzehnfachen, wenn sich die Lage verschlechtere, hiess es in dem Bericht. Eine Entscheidung werde noch in dieser Woche erwartet.
Auf die Frage, ob die USA US-Soldaten in die Ukraine im Falle einer Invasion schicken würden, reagierte US-Aussenminister Blinken am Sonntag ausweichend. Die Nato selbst werde weiterhin in erheblichem Masse gestärkt werden, falls Russland erneute Aggressionen verübe, sagte er.
Biden hatte eine Entsendung von US-Soldaten in die Ukraine zuvor ausgeschlossen. Die USA unterstützen die Ukraine mit militärischem Material. Aktuell sind dem Pentagon zufolge weniger als 200 Militärs der Nationalgarde von Florida in der Ukraine im Einsatz.
Nach den umstrittenen Äusserungen des inzwischen zurückgetretenen deutschen Marine-Inspekteurs Kay-Achim Schönbach sah sich Blinken ausserdem genötigt, Deutschland zu verteidigen. Er wurde in mehreren Interviews auf das Thema angesprochen. «Ich kann Ihnen sagen, dass die Deutschen unsere Besorgnis teilen und entschlossen sind, schnell, wirksam und geschlossen zu reagieren», sagte Blinken auf die Frage, ob die Bundesregierung zu zurückhaltend in der Krise sei. Der deutsche Vizeadmiral hatte bei einem Auftritt in Indien Verständnis für Russlands Staatschef Wladimir Putin geäussert.
Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigte in der «Süddeutschen Zeitung», «dass es hohe Kosten haben würde für Russland, wenn es eine militärische Aggression gegen die Ukraine gibt». Auf Nachfrage, welche das sein könnten, sagte er: «Im Kreise der Verbündeten verständigen wir uns, wie mögliche Massnahmen aussehen.»
Die Bundesregierung hatte klargemacht, dass bei einem russischen Einmarsch in die Ukraine alle Optionen auf dem Tisch liegen – auch Konsequenzen für die Gaspipeline Nord Stream 2.
Bei dem Treffen in Brüssel soll nun der Umgang mit als inakzeptabel erachteten Forderungen Russlands Thema sein. Zudem wird erwartet, dass Blinken über die Krisengespräche mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Genf berichtet.
Nach Angaben des Auswärtigen Dienstes der EU wird sich Blinken per Videokonferenz zu einem physischen Treffen der europäischen Minister zuschalten. Für die deutsche Regierung wird Aussenministerin Annalena Baerbock erwartet.
Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarsches in der Nähe der Ukraine wird im Westen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in das Nachbarland planen könnte. Für möglich wird allerdings auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die Nato-Staaten zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen.
Erklärtes Ziel Russlands ist es etwa, dass die Nato auf eine weitere Osterweiterung verzichtet und ihre Streitkräfte aus östlichen Bündnisstaaten abzieht. Die Nato, aber auch die EU lehnen diese Forderungen als inakzeptabel ab.
Die USA passten auch ihre Reisehinweise für die Ukraine und Russland an. Für beide Länder wurde bereits zuvor von Reisen abgeraten – es gilt weiterhin die höchste Gefahrenkategorie 4.
Für die Ukraine warnt die US-Regierung nun konkret vor der zunehmenden Bedrohung durch russische Militäraktionen – zuvor war neben Corona vor den «zunehmenden Bedrohungen seitens Russlands» die Rede.
Das Aussenministerium machte deutlich, dass es im Falle eines Einmarsches Russlands keine Evakuierungsaktion geben werde – US-Bürgerinnen und -Bürger sollten sich nun um kommerzielle Flüge bemühen.
Russlands Ziel sei der Sturz der Regierung in Kiew
US-Aussenminister Blinken bekräftigte, dass Russland versuche, die Ukraine zu destabilisieren, um die Regierung in Kiew zu stürzen. Dabei nahm er auch Bezug auf die Warnung aus London, wonach Russland angeblich massiv politischen Einfluss in der Ukraine nehme und eine pro-russische Führung in Kiew etablieren wolle. Derartiges Vorgehen sei Teil des russischen «Werkzeugkastens».