Ukraine-Krise USA stellen Ukraine weitere Militärhilfe in Aussicht

SDA

19.1.2022 - 18:30

Antony Blinken (l), Aussenminister der USA, und Dmytro Kuleba, Aussenminister der Ukraine.
Antony Blinken (l), Aussenminister der USA, und Dmytro Kuleba, Aussenminister der Ukraine.
Alex Brandon/Pool AP/dpa/Keystone

Die USA wollen die Ukraine trotz russischer Warnungen weiter militärisch unterstützen. «Wir stärken weiterhin die Fähigkeit der Ukraine, sich selbst zu verteidigen», sagte US-Aussenminister Antony Blinken am Mittwoch zum Auftakt einer Europareise bei einem Besuch in Kiew.

Keystone-SDA

Zuvor hatte Russland die USA und ihre Nato-Verbündeten zu einem Ende der Militärhilfe aufgefordert und Washington vorgeworfen, die Spannungen mit Moskau zu verschärfen.

Die Diskussion um deutsche Waffenlieferungen hält trotz des klaren Neins der Bundesregierung an. Die Ukraine lässt nicht locker und nennt nun sogar konkrete Waffensysteme, die sie sich von Deutschland zur Verteidigung gegen einen möglichen russischen Überfall erhofft: Kriegsschiffe und Luftabwehrsysteme. Die Kosten für einen Einmarsch müssten in die Höhe getrieben werden, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin «von seinem Wahnsinnskurs» abzubringen, sagte der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, der Deutschen Presse-Agentur.



Der Ukraine-Besuch Blinkens ist der Auftakt einer Europareise, an dessen Ende am Freitag in Genf ein Gespräch mit dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow steht. Dazwischen besucht der US-Aussenminister Berlin, um mit den europäischen Verbündeten über die Ukraine-Krise zu beraten. An einem Vierer-Treffen nehmen neben Bundesaussenministerin Annalena Baerbock auch der französische Chefdiplomat Jean-Yves Le Drian sowie die britische Aussenministerin Liz Truss teil. Blinken wird auch Bundeskanzler Olaf Scholz treffen.

Der SPD-Politiker rief Russland erneut zur Deeskalation im Ukraine-Konflikt auf. «Die russische Seite weiss um unsere Entschlossenheit. Ich hoffe, ihr ist auch bewusst, dass der Nutzen von Kooperation deutlich höher ist als der Preis weiterer Konfrontation», sagte Scholz bei einer digitalen Veranstaltung des Weltwirtschaftsforums Davos. Er warb gleichzeitig für weitere Gespräche mit Russland. «Nach Jahren wachsender Spannungen ist Schweigen keine vernünftige Option.»

Die Europareise Blinkens ist ein weiterer Versuch, die brenzlige Situation, in der sich Russland und die Nato befinden, zu entschärfen. Aus Moskauer Sicht nutzt die Nato die Spannungen um die Ukraine, um ihre Existenz zu rechtfertigen – besonders auch nach dem Rückzug aus Afghanistan. Die USA und die Nato hingegen kritisieren einen Truppenaufmarsch mit rund 100 000 russischen Soldaten an der Grenze zur Ukraine. Der Westen befürchtet, dass es zu einem russischen Einmarsch in die Ukraine kommen könnte. Moskau weist darauf hin, es handele sich um eigene Truppen auf eigenem Staatsgebiet.

«Wir haben der Ukraine im letzten Jahr mehr Sicherheitshilfe gewährt als jemals zuvor seit 2014», betonte Blinken in Kiew. Die Lieferungen seien erst in den vergangenen Wochen wieder angelaufen, und für die kommenden Wochen seien weitere Lieferungen geplant. Blinken drohte auch, der Ukraine «zusätzliches Material» breitzustellen, sollte Russland seine «aggressiven Absichten» weiter verfolgen und in die Ukraine einmarschieren.

Die Verhandlungen westlicher und russischer Spitzendiplomaten zu den Forderungen Moskaus in der vergangenen Woche in Genf, Brüssel und Wien hatten zunächst keine greifbaren Ergebnisse gebracht. In Kiew drohte Blinken Russland erneut mit «massiven Konsequenzen» für den Fall eines Einmarsches in die Ukraine. «Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt, aber sollte es dazu kommen, werden wir in koordinierter Weise hart durchgreifen, um Russland diese Konsequenzen aufzuerlegen», sagte er nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seinem Amtskollegen Dmytro Kuleba. Es würde sich um Sanktionen handeln, die finanzielle, wirtschaftliche sowie Komponenten der Exportkontrolle hätten, so Blinken weiter.

Auch aus Moskau kommen keine versöhnlichen Signale. «Die Lage auf dem Gebiet der europäischen Sicherheit ist kritisch, und sie ist so durch die Schuld Washingtons und der Nato, die die Ukraine in erster Linie als ein Druckmittel gegen Russland benutzen», sagte der Vize-Aussenminister Sergej Rjabkow, der international an den Verhandlungen um Russlands Forderungen an den Westen nach Sicherheitsgarantien beteiligt ist. Die USA würden die Situation gezielt anheizen mit ihren Mitteilungen zu möglichen Szenarien eines angeblichen russischen Einmarsches in der Ukraine.

In Deutschland geht die Diskussion um Waffenlieferungen weiter. In der Ampel-Koalition gibt es erste Zweifel an der harten Haltung der Regierung. «Wir sollten über die Lieferung von Defensivwaffen an die Ukraine nachdenken», sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, der «Bild» (Mittwoch). Diese müssten aber genau definiert sein. Der dpa sagte Strack-Zimmermann, dass es zunächst um Unterstützung bei der Abwehr von Angriffen gehen müsse.

Die Ukraine fordert seit Jahren Waffen von Deutschland, um sich gegen einen möglichen russischen Angriff verteidigen zu können – bisher ohne Erfolg. Kanzler Scholz erteilte Kiew am Dienstag eine eindeutige Absage: «Die deutsche Bundesregierung verfolgt seit vielen Jahren eine gleich gerichtete Strategie in dieser Frage. Und dazu gehört auch, dass wir keine letalen Waffen exportieren.» Daran halte auch die neue Regierung fest. Auch Baerbock hatte die Forderung zuvor bei ihrem Besuch in Kiew zurückgewiesen.

Die Grünen-Politikerin begründete das unter anderem mit der deutschen Geschichte, was in der Ukraine Irritationen auslöst. «Dass man dabei in Berlin auch die Frage der historischen Verantwortung als Argument für die Ablehnung militärischer Hilfe benutzt, ist erstaunlich», sagte der ukrainische Botschafter Melnyk der dpa. «Diese Verantwortung sollte gerade dem ukrainischen Volk gelten, das mindestens acht Millionen Menschenleben während der deutschen Nazi-Okkupation der Ukraine verloren hat.» Es gebe dafür weiterhin «kein Fingerspitzengefühl» in der deutschen Gesellschaft.

Melnyk sagte, es gehe der Ukraine in erster Linie um deutsche Kriegsschiffe, «die zu den besten der Welt gehören, die wir für die robuste Verteidigung der langen Küste im Schwarzen und Asowschen Meer dringend brauchen». Ausserdem brauche die Ukraine moderne Luftabwehrsysteme.