Bewaffnete Auseinandersetzungen Vergessene Konflikte: Wo die Welt in Flammen steht

tsha/dpa

28.9.2020

Anhänger der Rebellen im Jemen: Das Land leidet seit Jahren unter einem Bürgerkrieg.
Anhänger der Rebellen im Jemen: Das Land leidet seit Jahren unter einem Bürgerkrieg.
Bild: Keystone

Nicht nur Berg-Karabach: In vielen Teilen der Erde schwelen seit Jahren Konflikte, die fast niemand beachtet. Eine Übersicht.

Als am Sonntag die Meldung über die Ticker lief, dass es in Berg-Karabach zu blutigen Kämpfen kam, dürften sich viele gefragt haben, wo diese Region überhaupt liegt. Denn obwohl der Konflikt um das zwischen Armenien und Aserbaidschan umstrittene Gebiet seit vielen Jahren andauert, berichten die meisten Medien nur selten über die Ereignisse in der Kaukasus-Region.

Auch andere Konflikte bleiben meist unterhalb des Nachrichtenradars – nicht erst, seit die Coronakrise die Schlagzeilen dominiert. Wir zeigen Ihnen, welche Regionen der Erde unsere Aufmerksamkeit verdient hätten.

Berg-Karabach

Die von Armenien kontrollierte Region Berg-Karabach mit geschätzt 145'000 Einwohnern gehört völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan. Baku hatte in einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion aber die Kontrolle über das Gebiet verloren. Seit 1994 gilt in der Region eine Waffenruhe.

Zuletzt flammte der Konflikt 2016 stark auf – es starben mehr als 120 Menschen. Das völlig verarmte Armenien setzt auf Russland als Schutzmacht, das dort Tausende Soldaten und Waffen stationiert hat. Das öl- und gasreiche Aserbaidschan hat die Türkei als verbündeten Bruderstaat. Seit die Kämpfe am Sonntag wieder aufgeflammt sind, sind Berichten zufolge Dutzende Menschen gestorben. Die EU hat Armenien und Aserbaidschan am Montag zu einer sofortigen Waffenruhe aufgefordert.

Bilder des aserbaidschanischen Verteidigungsministeriums vom Wochenende sollen Soldaten des Landes in der Region Berg-Karabach zeigen.
Bilder des aserbaidschanischen Verteidigungsministeriums vom Wochenende sollen Soldaten des Landes in der Region Berg-Karabach zeigen.
Bild: Keystone

Ostukraine

Man könnte fast meinen, der Konflikt in der Ostukraine sei beendet – so selten wird noch über die Region an der Grenze zu Russland berichtet. Tatsächlich aber wird dort noch immer gekämpft. So stehen sich weiterhin Regierungstruppen aus Kiew und von Russland unterstützte Aufständische gegenüber. Auch Schiessereien mit Toten gibt es immer wieder.

Begonnen hatte der Konflikt im Februar 2014. Während die ukrainische Krim bereits wenig später von Russland annektiert und immer weiter an das Land angebunden wurde, ist die Lage im Osten der Ukraine deutlich unübersichtlicher. Im Oblast Donezk sowie im Oblast Luhansk dauern die Kampfhandlungen an – trotz einer Waffenruhe. Dutzende ukrainische Soldaten wurden alleine in diesem Jahr getötet.

Ein ukrainischer Soldat in der Region Luhansk: Der Konflikt in der Ostukraine ist noch immer nicht gelöst (Archivbild).
Ein ukrainischer Soldat in der Region Luhansk: Der Konflikt in der Ostukraine ist noch immer nicht gelöst (Archivbild).
Bild: Keystone

Westsahara

Schon seit vielen Jahren fordern die Vereinten Nationen, dass die Bewohner der Westsahara selbst über ihr Schicksal bestimmen sollen. In einem Referendum, so die UN, sollen sie sich entscheiden: Wollen sie zu Marokko gehören, einer autonomer Teil des Landes werden oder ihren eigenen, unabhängigen Staat gründen? Letztere Möglichkeit ist für Marokko allerdings keine Option, weswegen das Land ein Referendum bislang verhindert.

Die Westsahara, ein Gebiet mit etwa 600'000 Bewohnern und etwa sechseinhalb mal so gross wie die Schweiz, wurde 1976 von Marokko besetzt. Zuvor hatte sich die Kolonialmacht Spanien zurückgezogen. Seitdem fordert die Widerstandsgruppe Frente Polisario die Unabhängigkeit der Westsahara – bislang vergeblich. Immer wieder gibt es Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen in dem Gebiet. Im vergangenen Jahr wurde die Menschenrechtsaktivistin Aminatu Haidar aus der Westsahara mit dem Alternativen Nobelpreis geehrt.

In der Westsahara stehen sich Rebellen und marokkanische Truppen gegenüber (Archivbild).
In der Westsahara stehen sich Rebellen und marokkanische Truppen gegenüber (Archivbild).
Bild: Keystone

Demokratische Republik Kongo

«Wir haben mehr als 1,6 Millionen Vertriebene. Von Anfang des Jahres bis heute sind allein hier in der Provinz Ituri 3'000 Menschen gestorben»: Das berichtete ein Menschenrechtler aus der Demokratischen Republik Kongo kürzlich einem deutschen Journalisten. Seit vielen Jahren kommt das Land im Herzen Afrikas nicht zur Ruhe. Und das, obwohl Blauhelmsoldaten der UN seit nunmehr 20 Jahren dafür sorgen sollen, dass endlich Frieden einkehrt im Kongo.

Nach einem langen Bürgerkrieg, einem Friedensabkommen im Jahr 2002 und freien Wahlen im Jahr 2006 wird vor allem im Osten des 100-Millionen-Einwohner-Landes weiter gekämpft. Dutzende Rebellengruppen stehen sich hier, in der Provinz Ituri, gegenüber; islamistische Terroristen sorgen für Angst und Schrecken bei der Zivilbevölkerung. Erst vor wenigen Wochen kamen bei Angriffen mindestens 58 Menschen ums Leben.

Seit 20 Jahren sind UN-Blauhelme im Kongo stationiert (Archivbild).
Seit 20 Jahren sind UN-Blauhelme im Kongo stationiert (Archivbild).
Bild: Keystone

Mali

Es war nur eine kleine Nachricht, die am vergangenen Wochenende vermeldet wurde: Nach dem Militärputsch in Mali haben die neuen Machthaber einen Zivilisten als Übergangs-Regierungschef bestimmt. Der frühere Aussenminister und Diplomat Moctar Ouané wurde am Sonntag nach offiziellen Angaben von Übergangspräsident Bah N'Daw ernannt. Der Schritt soll helfen, dass Sanktionen des westafrikanischen Staatenbündnisses Ecowas gegen den Krisenstaat aufgehoben werden.

In dem von Terror heimgesuchten westafrikanischen Land war Mitte August Präsident Ibrahim Boubacar Keïta gestürzt worden. Zuvor hatte sich eine starke Oppositionsbewegung gebildet, die dem Staatschef Korruption und schwache Regierungsführung vorwarf. Daraufhin übernahm eine Militärjunta die Macht. In Mali und Umgebung sind seit Jahren etliche Terrorgruppen aktiv, einige haben dem Terrornetzwerk Al-Kaida oder dem Islamischen Staat (IS) die Treue geschworen. In Mali sind UN- sowie EU-Missionen im Einsatz.

Eine Übergangsregierung soll in Mali für Stabilität sorgen.
Eine Übergangsregierung soll in Mali für Stabilität sorgen.
Bild: Keystone

Georgien

In den vergangenen Jahren hat sich Georgien zum europäischen Musterschüler gemausert: Wirtschaftlich steht das Land im Kaukasus relativ gut da, sodass es sogar auf dem Weg zum EU-Beitrittskandidaten ist. Im Nordwesten des Landes aber ist die Lage auch zwölf Jahre nach dem Krieg mit Russland angespannt.

Russland und einige andere Staaten erkennen seitdem die Regionen Abchasien und Südossetien als unabhängig an, Georgien sieht sie weiterhin als Teil des eigenen Staatsgebiets. Und der russische Einfluss macht nicht Halt an den beiden Gebieten: Immer weiter baut das Land seinen Einflussbereich in Georgien aus. Mehrere Staaten, darunter die USA, fordern den Rückzug der russischen Truppen aus Südosssetien und Abchasien. Russland greift unterdessen offenbar auch zu anderen Methoden, um Georgien zu schwächen: Das Land soll hinter gross angelegten Cyberangriffen auf seinen kleinen Nachbarn stecken.

Im Jahr 2008 kam es in Südossetien zu bewaffneten Konflikten mit Russland (Archivbild).
Im Jahr 2008 kam es in Südossetien zu bewaffneten Konflikten mit Russland (Archivbild).
Bild: Keystone

Jemen

Es ist einer der blutigsten Konflikte unserer Zeit: Im Jemen kämpft ein von Saudi-Arabien angeführtes Militärbündnis seit 2015 an Seite der Regierung gegen die aufständischen Huthi-Rebellen. Sie hatten das Land überrannt und kontrollieren heute die Hauptstadt Sanaa sowie grosse Gebiete vor allem im Norden und im Westen. Viele Tausend Menschen wurden seitdem bei kriegerischen Auseinandersetzungen getötet, Hunderttausende wurden vertrieben.

Die humanitäre Lage in dem Land gilt heute, fünf Jahre nach Beginn des Jemen-Kriegs, als katastrophal. Immer wieder kommt es zu Ausbrüchen von Seuchen, allein 2016 erkrankten 1,4 Millionen Menschen an der Cholera. Erst kürzlich warnten die UN, dass die Corona-Pandemie verheerende Folgen für das Land haben könnte. 80 Prozent der Bevölkerung – mehr als 24 Millionen Menschen – benötigen nach UN-Angaben eine Form humanitärer Hilfe. Die Pandemie hat die Lage akut verschärft.

Der Krieg im Jemen hat dazu geführt, dass viele Kinder unterernährt sind.
Der Krieg im Jemen hat dazu geführt, dass viele Kinder unterernährt sind.
Bild: Keystone
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