Bilanz ernüchterndViel Krawall, wenig Wirkung – vier Jahre Handelspolitik von Trump
AP/toko
29.10.2020
Die Rhetorik des US-Präsidenten war oft geradezu kriegerisch. Und doch hat sie kaum etwas bewirkt. Neue Importzölle haben auch den heimischen Verbrauchern und Unternehmen geschadet. Das Handelsdefizit ist sogar noch deutlich gestiegen.
Was seine Vorgänger in sieben Jahrzehnten aufgebaut hatten, hat er in einer Amtszeit auf den Kopf gestellt. Was wohl für immer mit Donald Trump in Verbindung gebracht werden wird, ist der von ihm losgetretene Handelskrieg mit China. Mit dem Ausstieg aus vielen internationalen Verträgen hat er zugleich wichtige Verbündete verprellt.Vor allem aber hat er ein Klima der Unsicherheit geschaffen, unter dem auch die eigene Wirtschaft leidet.
Er agierte gegenüber anderen Staaten mitunter aggressiv und launenhaft. Scheinbar nach Belieben werden Strafzölle verhängt. Es wird gedroht und zurückgerudert. Nicht selten werden Konflikte neu entfacht, wenn gerade eine Einigung erzielt worden war. Dahinter steckt die Devise, die Donald Trump schon vor seiner Wahl wie ein Schlachtruf immer wieder wiederholt hatte: «America First».
Versprechen nicht eingelöst
Zu lange seien die USA im Nachteil gewesen – wegen unzulänglicher Deals, auf die sich frühere Präsidenten eingelassen hätten. So wurde von Trump und seinen Mitstreitern argumentiert. Damit einhergehend stand das Versprechen, das Blatt zugunsten der amerikanischen Wirtschaft und der amerikanischen Bürger zu wenden. Bei nüchternem Blick auf die Bilanz nach vier Jahren ist nun jedoch recht klar, dass dieses Versprechen nicht eingelöst wurde.
Noch immer importieren die USA mehr Güter und Dienstleistungen als sie ausführen. Aktuell ist das Defizit sogar grösser als in jedem Jahr der Präsidentschaft von Barack Obama. Die Stahl- und Aluminiumhersteller des Landes haben trotz der zu ihren Gunsten verfolgten protektionistischen Politik von Trump Jobs abgebaut. Für die meisten Amerikaner ist der drastische Kurswechsel des Präsidenten ohne finanzielle Vorteile geblieben.
Doch unabhängig davon, ob Trump in der kommenden Woche für eine zweite Amtszeit gewählt oder von Joe Biden abgelöst wird: Zumindest in Teilen dürfte die neue Handelspolitik der USA bis auf Weiteres Bestand haben – vor allem im Hinblick auf China. Denn schon seit längerer Zeit war in Washington, unter Demokraten ebenso wie unter Republikanern, das Gefühl herangewachsen, dass Peking im globalen wirtschaftlichen Wettstreit nicht mit sauberen Mitteln spiele und daher künftig härter angefasst werden müsse.
Bemerkenswerterweise hat Biden bisher nicht gesagt, ob er die von Trump verhängten Zölle, die chinesische Waren im Wert von etwa 360 Milliarden Dollar (310 Milliarden Euro) betreffen, im Falle eines Wahlsiegs rückgängig machen würde oder nicht. Die Hoffnung, China mit geduldigem Verhandeln oder über Beschwerden bei der Welthandelsorganisation WTO von unfairen Praktiken abbringen zu können, scheint in Washington in beiden politischen Lagern verflogen zu sein.
«Einer der Gründe dafür, dass wir mit Trump jetzt da sind, wo wir sind, ist der, dass wir die anderen Optionen ausgeschöpft hatten», sagt Wendy Cutler, ein früherer US-Unterhändler in Handelsfragen, der für das Asia Society Policy Institute arbeitet. Trotz erfolgreicher Klagen bei der WTO sei China nicht eingelenkt. Auch der Ansatz von Trump hat aus Sicht von Cutler aber wenig bewirkt. «Wenn man sich, bei aller Rhetorik, die Ergebnisse seiner Arbeit anschaut – sie sind bescheiden», sagt er.
Vor 2016 hatten sich amerikanische Regierungen ganz überwiegend für einen immer freieren Welthandel, nach Regeln der WTO, eingesetzt. Zuletzt war unter Obama die Transpazifische Partnerschaft mit elf anderen Staaten ausgehandelt worden. Bereits in seiner ersten Woche im Amt veranlasste Trump allerdings den Ausstieg der USA aus dem Abkommen, mit dem auch Druck auf das nicht eingebundene China ausgeübt werden sollte. In einem Streit um neue Richter legte Trump im vergangenen Jahr dann auch die WTO weitgehend lahm.
Trump hatte seinen Wählern versprochen, er werde durch neue Zölle auf ausländische Waren die Exporte der USA steigern. Doch im vergangenen Jahr verringerte sich das Handelsdefizit um gerade einmal 0,5 Prozent auf 577 Milliarden Dollar – und blieb damit auf einem höheren Niveau als unter Obama. Dieses Jahr ist es sogar um sechs Prozent gestiegen, weil wegen der Corona-Krise Dienstleistungsexporte in Bereichen wie Tourismus und Bildung eingebrochen sind.
Zölle zulasten amerikanischer Importeure
Handelskriege seien «gut und leicht zu gewinnen», sagte Trump zu Beginn seiner Präsidentschaft. Die Geschichte lehrt dagegen, dass Erfolge in solchen Auseinandersetzungen schwer zu erreichen und fast immer mit Kollateralschäden verbunden sind. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, reagierten China und andere Länder mit eigenen Strafzöllen. Die allgemeine Verunsicherung liess viele Unternehmen Investitionen zurückhalten, die der US-Wirtschaft gutgetan hätten.
Zudem gingen die Zölle, anders als von Trump behauptet, primär zulasten der amerikanischen Importeure. Und diese geben ihre Kosten in der Regel an die Konsumenten weiter, was zu höheren Preisen führt. Laut einer Schätzung von Forschern der Zentralbankniederlassung in New York sowie der Universitäten Princeton und Columbia verursachen Trumps Zölle für jeden amerikanischen Haushalt jährliche Mehrkosten in Höhe von 831 Dollar.
«Der Ansatz seiner Regierung hat der US-Wirtschaft wenige handfeste Vorteile gebracht, während er zugleich das multilaterale Handelssystem untergraben, bewährte Bündnisse mit amerikanischen Handelspartnern zerstört und für Unsicherheit gesorgt hat», sagt Eswar Prasad, ein Ökonom von der Cornell University, der früher Leiter der China-Abteilung des Internationalen Währungsfonds war.
Talan Products, ein metallverarbeitendes Unternehmen aus Cleveland mit einem jährlichen Umsatz von etwa 50 Millionen Dollar hatte wegen der neuen Zölle laut eigenen Angaben bei zwei grossen Auftragsvergaben das Nachsehen, weil importierte Teile teurer geworden waren. «Ohne die Zölle wären wir etwas wettbewerbsfähiger gewesen», sagt Unternehmenschef Steve Peplin. So aber hätten Konkurrenten aus Indien Talan unterbieten können.
Es mag sein, dass der Kurswechsel von Trump erst längerfristig seine volle Wirkung entfalten wird. Das von ihm neu verhandelte Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko etwa ist erst seit Juli in Kraft. Und die Folgen einer im Januar erzielten vorläufigen Einigung mit China sind wegen der Corona-Krise schwer zu bewerten. «Die Strategie kann sich noch als gut erweisen», sagt Blake Hurst, Leiter eines Farmer-Verbandes aus Missouri. Es sei aber eine sehr riskante Strategie, die ihre Kosten habe – «Kosten für unseren Ruf, Kosten für unsere zukünftige Verhandlungsfähigkeit».