Schwere Waffen für die Ukraine Was Selenskyj wünscht – und was Biden liefert

Von Philipp Dahm

15.4.2022

Wolodymyr Selenskyj hat eine Liste mit Kriegsgerät veröffentlicht, das die Ukraine braucht. Die USA haben unterdessen weitere hohe Militärhilfen beschlossen. Und Joe Biden liefert – auch Helikopter, Panzer und Artillerie.

Von Philipp Dahm

15.4.2022

Weihnachten ist zwar noch eine Zeit hin, aber Wolodymyr Selenskyj hat dennoch jetzt schon seinen Wunschzettel veröffentlicht: Der ukrainische Präsident präsentiert die Aufzählung unter der URL SaveUsList.com – inklusive Hashtag #ArmUkraineNow.

In dem dazugehörigen Video vom 13. April sagt Selenskyj, Russland habe mit einem Sieg innert fünf Tagen gerechnet. «Das ist die Deadline, die sie gesetzt haben, um unser Land auszulöschen und unsere Demokratie zu zerstören. Aber sie hatten keine Ahnung, mit wem sie zu tun haben», gibt sich der 44-Jährige gewohnt kämpferisch.

Seine Streitkräfte hätten schon jetzt mehr Material zerstört, als andere europäischen Staaten im Arsenal haben. «Aber das ist nicht genug», weiss Selenskyj. Moskau habe immer noch so viel Kapazitäten, dass auch Länder wie Polen, Moldawien, Rumänien oder die Baltischen Staaten ins Fadenkreuz rücken könnten, wenn die Ukraine überrollt werden sollte.

Russland «kann nur mit Waffengewalt gestoppt werden. Es muss jetzt geschehen. Wir brauchen schwere Artillerie, Schützenpanzer, Flugabwehr und Kampfflugzeuge.» Die Freiheit müsse besser ausgerüstet sein als das Tyrannentum: «Der Westen hat alles, um das möglich zu machen», so Selenskyj. «Bewaffnet die Ukraine jetzt, um die Freiheit zu verteidigen.»

Diese Waffen wünscht sich Selenskyj

Was steht denn nun auf der Wunschliste drauf? Seine Streitkräfte brauchen dringend Artillerie: mindestens 100 155-Millimeter-Geschütze nebst Munition, so viel sowjetische 152-Millimeter-Munition wie möglich und mindestens 100 Raketenwerfer vom Typ Grad, Tornado, Smerch oder des US-Modells M142 Himars.

Eine Batterie BM-21 Grad der russischen Streitkräfte im November 1999 beim Beschuss der tschetschenischen Hauptstadt Grosny.
Eine Batterie BM-21 Grad der russischen Streitkräfte im November 1999 beim Beschuss der tschetschenischen Hauptstadt Grosny.
Keystone

Weiter braucht die Armee 600 Schützenpanzer oder gepanzerte Transporter und rund 300 Panzer vom Typ T-72, M1 Abrams (USA) oder Leopard (Deutschland). Benötigt werden ausserdem Flugabwehrsysteme vom Typ S-300 oder Buk, wobei es jeweils einige Dutzend Exemplare sein sollten. Hinzu kommen etwa 300 Antischiffsraketen mit einer Reichweite von mindestens 30 Kilometern. Die Modelle Harpoon aus den USA oder RBS 15 von Saab aus Schweden kommen infrage.

Auch 30 taktische Bomber vom Typ Su-24 Fencer stehen auf der Liste. Spannend: Im Video wird an diesem Punkt die Silhouette eines Tornados gezeigt. Das europäische Mehrzweckflugzeug wird in vielen Ländern derzeit wegen des hohen Alters ersetzt. Abgerundet wird die Aufzählung von der Bitte um 2'000 leichte Fahrzeuge für die ukrainische Armee.

Biden liefert

Da trifft es sich gut, dass der US-Präsident am selben Tag verkündet hat, Kiew erhalte weitere Militärhilfen im Wert von 750 Millionen Franken. Joe Biden hat zuvor mit Selenskyj telefoniert, was die nahtlose Kommunikation erklärt. Und das Weisse Haus macht vorwärts: Nun will Washington Kiew endlich schweres Gerät liefern.

Ein Video von Einsätzen russischer Su-24-Bomber.

In dem 800-Millionen-Dollar-Paket ist viel von dem enthalten, was Selenskyj einfordert. Sogar Helikopter sind dabei: Elf Mi-17 sollen in die Ukraine geliefert werden. Das Weisse Haus hatte sie eigentlich für die afghanischen Streitkräfte beschafft, doch nach dem Fall von Kabul an die Taliban sind sie vorerst im Arsenal verschwunden.

Eine australische Spezialeinheit wartet auf die Landung von zwei Mi-17-Helikoptern in Kandahar, Afghanistan.
Eine australische Spezialeinheit wartet auf die Landung von zwei Mi-17-Helikoptern in Kandahar, Afghanistan.
Keystone

Weiter will Biden die Kriegspartei mit 18 Artilleriegeschützen und 40'000 Schuss Munition versorgen. Auch 200 M113-Schützenpanzer dürften der Ukraine helfen, gegen Russland auch in die Offensive zu gehen. Hinzu kommen 100 gepanzerte Fahrzeuge und 300 der gefürchteten Switchblade-Kamikaze-Drohnen.

Washingtons Waffenoffensive

Abgerundet wird das die Lieferung von 500 Javelin-Panzerabwehrraketen, die pro Stück immerhin rund 188'000 Franken kosten, 30'000 Schutzwesten und Ausrüstung, um den Einsatz von ABC-Waffen nachzuweisen. Die Unterscheidung von «defensivem» und «offensivem» Kriegsgerät innerhalb der Nato ist spätestens seit der Verkündung dieser Militärhilfe Geschichte.

Tödliche Rakete: US-Marines feuern 2003 in Umm Qasr im Irak eine Javelin ab.
Tödliche Rakete: US-Marines feuern 2003 in Umm Qasr im Irak eine Javelin ab.
Keystone

Apropos Geschichte: Wenn man einer neuen Zusammenfassung des Pentagon glaubt, haben die USA inzwischen schon eine Historie, was Waffenlieferungen angeht. Demnach hat die Biden-Administration seit dessen Amtsantritt 2,4 Milliarden Dollar, also 2,26 Milliarden Franken, nach Kiew überwiesen – 1,6 Milliarden Franken davon sind seit dem Kriegsbeginn am 24. Februar geflossen.

Mit dem Geld sind mehr als 50 Millionen Schuss Munition, mehr als 5'000 Javelin und mehr als 7'000 andere Panzerabwehrraketen, mehr als 1'400 Stinger-Flugabwehrraketen, mehr als 7'000 Pistolen und Gewehre und mehr als 45'000 Helme und Schutzwesten beschafft worden. Ausserdem kommt technisches Material wie Radar, Nachtsichtgeräte, Kommunikationsmittel und medizinische Ausrüstung hinzu.