#COP26 Was vom Klimapakt in Glasgow bleiben wird

dpa/tgab

14.11.2021 - 15:35

Alok Sharma (M), Präsident der COP26, bei der schliessenden Plenarsitzung. Die UN-Klimakonferenz in Schottland hat mit einem als historisch gefeierten Beschluss den weltweiten Abschied von der Kohleverbrennung eingeläutet.
Alok Sharma (M), Präsident der COP26, bei der schliessenden Plenarsitzung. Die UN-Klimakonferenz in Schottland hat mit einem als historisch gefeierten Beschluss den weltweiten Abschied von der Kohleverbrennung eingeläutet.
Bild: dpa

Nach zwei Wochen zäher Verhandlungen ist die Weltklimakonferenz in Glasgow vorbei. Politiker sprechen von historischen Beschlüssen, Klimaaktivisten von «Bla, bla, bla».

DPA, dpa/tgab

Die «Bombe entschärft» – wie Gastgeber Boris Johnson es zu Beginn als Ziel ausgab – hat Glasgow also nicht. Das liegt schon allein daran, dass viele Staaten vor dem Gipfel ihre Hausaufgaben nicht gemacht und keine ehrgeizigen Klimaschutzpläne bei den UN eingereicht hatten – eine Hypothek für den Gipfel schon zum Start.

Sogar Johnson selbst gibt zu, dass noch sehr, sehr viel zu tun sei. «Wir dürfen uns nichts vormachen: Wir haben den Klimawandel nicht geschlagen», sagt der Premierminister in der Nacht in einem Videoclip aus der Downing Street. Bescheidenheit kommt dem Briten trotzdem nicht in den Sinn. «Ich hoffe, dass wir auf die COP26 in Glasgow als Anfang vom Ende des Klimawandels zurückblicken werden.»



Von all den Zahlen, mit denen die Verhandler in Schottland jonglierten, steht eine im Zentrum: 1,5 Grad. In der Wissenschaft gilt mittlerweile als Konsens, dass katastrophale Klimafolgen nur abgewendet werden können, wenn sich die Erde nicht stärker erhitzt. Die Umweltministerin der Malediven, Aminath Shauna, sagt: «Der Unterschied zwischen 1,5 und zwei Grad ist für uns ein Todesurteil.»

Am Ende steht ein Text

Wie viel Schweiss und Überzeugungsgeschick es kostet, den grössten gemeinsamen Nenner unter fast 200 Ländern zu finden, wird in den letzten Stunden des Gipfels sichtbar, als die Verhandelnden im Plenum stundenlang durcheinander schwirren, gestikulieren und in Pulks über die grossen Knackpunkte diskutieren.

Der US-Sondergesandte fürs Klima, John Kerry, zieht hin und her, ein Wort zum chinesischen Verhandler hier, ein Schulterklopfen mit Präsident Sharma dort.
Der US-Sondergesandte fürs Klima, John Kerry, zieht hin und her, ein Wort zum chinesischen Verhandler hier, ein Schulterklopfen mit Präsident Sharma dort.
Bild: KEYSTONE/ROBERT PERRY

Bis am Ende ein Text steht, den viele als «nicht perfekt» beschreiben – aber von dem nicht weniger als die Zukunft des Planeten abhängen soll.

Das steht drin, in der Abschlusserklärung:

  • Weniger Kohleverbrennung und Stopp für Subventionen
    Eingeläutet wurde der Abschied von der klimaschädlichen Kohleverbrennung. Erstmals in der Geschichte der Weltklimagipfel gab es dafür einen Konsens unter den rund 200 Staaten. Sie werden auch aufgefordert, «ineffiziente» Subventionen für Öl, Gas und Kohle zu streichen. In der Abschlusserklärung der rund 200 Staaten ist aber nicht mehr vom Ausstieg (phase-out) die Rede, sondern nur noch vom Abbau (phase-down). Die Industriestaaten wollen demnach in den 30er Jahren aussteigen, andere spätestens in den 40er Jahren. Ausserdem sagte eine Reihe von Staaten zu, nicht mehr in Kohle, Öl und Gas zu investieren.
  • Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel
    Die Länder bekennen sich klar zum Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen. Dazu sollen sie bis Ende 2022 ihre bislang unzureichenden Klimaschutzpläne für dieses Jahrzehnt nachschärfen. Das ist drei Jahre früher als bislang vorgesehen.
  • Regelbuch für Pariser Abkommen komplett
    Sechs Jahre nach dem historischen Abkommen von Paris waren im sogenannten Regelbuch dazu immer noch Punkte offen, die nun geschlossen wurden. Geregelt wurde etwa, dass künftig Klimaschutzziele für fünf Jahre vorgelegt werden und nach einheitlichen Standards berichtet wird.
  • Aus für Benzin- und Dieselautos
    Zwei Dutzend Staaten vereinbarten, ein Enddatum für den Verkauf von Benzin- und Dieselautos festzusetzen. Mit dabei sind auch sechs grosse Auto-Hersteller, darunter Mercedes und Ford. Die Regierungen wollen, dass alle Verkäufe von neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen bis zum Jahr 2040 emissionsfrei sind, und in den führenden Märkten bis spätestens 2035. Die Autokonzerne sollen spätestens 2035 in führenden Märkten nur noch emissionsfreie Autos und Vans verkaufen.
  • Der Methan-Pakt
    Oft ist hauptsächlich von CO2 die Rede, wenn es um Treibhausgase geht. Problematisch ist auch Methan, das in der Landwirtschaft, auf Abfalldeponien oder in der Öl- und Gasindustrie entsteht und dem Weltklimarat zufolge für die Hälfte der Klimaerwärmung verantwortlich ist. Mehr als 100 Staaten haben sich unter Führung der EU und USA das Ziel gesetzt, ihre Methanemissionen bis 2030 um mindestens 30 Prozent gegenüber 2020 zu senken.
  • Das Entwaldungs-Ziel
    Bäume speichern CO2 – und sind damit die wichtigsten natürlichen Verbündeten im Kampf gegen die Erderwärmung. Es sorgte deshalb für viel Aufsehen, als sogar Brasilien und mehr als 100 weitere Staaten sich in Glasgow dazu verpflichteten, die Zerstörung ihrer Wälder und anderer Ökosysteme bis zum Ende des Jahrzehnts zu stoppen. 

Die hässliche Seite der Konferenz

Die Schere zwischen Arm und Reich, und was sie im Kampf gegen die Klimakrise bedeutet, ist eine der hässlichen Seiten des Mammuttreffens mit 40.000 Delegierten, das schliesslich fast 30 Stunden in die Verlängerung ging. «Es ist ganz schön bitter, dass auch bei dieser Klimakonferenz die vulnerablen Länder von der EU und den USA an den Rand gedrängt wurden und nicht zugesagt bekommen haben, dass es wirklich vorangeht mit der Unterstützung bei der Bewältigung der Klimafolgeschäden», sagt Klima-Experte Jan Kowalzig von Oxfam.

Mehr Geld für Klimaschutz und Anpassung soll es zwar geben, aber ihre Zusagen haben die reichen Länder bislang nicht gehalten. Für Schäden gibt es nun zwar einen neuen Topf – aus dem soll aber nur technische Unterstützung gezahlt werden, nicht für die Schäden selbst. Konkret sollen Finanzhilfen aber bis 2025 verdoppelt werden, also von aktuell jährlich rund 20 auf dann 40 Milliarden US-Dollar (etwa 35 Milliarden Euro).

Was bleibt? «Blah, blah, blah»

Klimaaktivistin Greta Thunberg läuft mit beim Fridays for Future-Marsch anlässlich der UN-Klimakonferenz  in Glasgow.
Klimaaktivistin Greta Thunberg läuft mit beim Fridays for Future-Marsch anlässlich der UN-Klimakonferenz  in Glasgow.
Bild: KEYSTONE/ROBERT PERRY

Was bleibt nun also von dem Treffen, das das das 1,5-Grad-Ziel am Leben erhalten sollte? Für Greta Thunberg ist die Sache klar: «Blah, blah, blah». Ein Urteil, das die Klimaaktivistin schon gefällt hatte, lange bevor in Glasgow der Hammer fiel – weil das, was die Staaten bislang tun oder zusagen, eben bei weitem nicht ausreicht. Bis Ende nächsten Jahres soll deshalb nachgebessert werden. In Scharm el-Sheich in Ägypten steht im November 2022 der nächste Gipfel an.



Ein wenig Hoffnung für die Zukunft seines Enkelsohns, den er vortags auf seinem Handy noch den Kameras der Welt gezeigt hatte, nimmt EU-Klimakommissar Frans Timmermans aus Glasgow aber mit. Zwar ist er enttäuscht von der Kohle-Formulierung, aber auch beeindruckt, dass sich die Staaten am Ende doch erneut einig geworden sind. «Es hört hier nicht auf», sagt der Niederländer nach dem entscheidenden Hammerschlag. «Das hier ist nur der Anfang.»