«Wie ein langsamer Tod» Betlehem sehnt vor Weihnachten die Touristen herbei

Von Ilan Ben Zion, AP

20.11.2021 - 23:55

Nur wenige Besucherinnen und Besucher bestaunen aktuell die Geburtskirche in Bethlehem.
Nur wenige Besucherinnen und Besucher bestaunen aktuell die Geburtskirche in Bethlehem.
Bild: Keystone/EPA/Abed Al Hashlamoun

Die Folgen der Pandemie waren ein schwerer Schlag für den Tourismus im Heiligen Land – und für Bethlehem ganz besonders. Trotz der Öffnung Israels kommen die Gäste vor den Feiertagen nur schleppend zurück.

DPA, Von Ilan Ben Zion, AP

Vor Weihnachten steht in der Geburtskirche in Bethlehem eine langjährige Restaurierung kurz vor dem Abschluss: Die riesige hölzerne Ikonenwand, geschwärzt vom Wachs aus Millionen Kerzen der Pilger, soll wieder in ihrem goldglänzenden Originalzustand erstrahlen. Bewundern werden sie allerdings wohl zunächst nur wenige Besucherinnen und Besucher. Denn zu den Feiertagen werden in diesem Jahr kaum Gäste an dem Ort erwartet, der Christen als Geburtsstätte Jesu gilt.

Das biblische Bethlehem leidet seit fast zwei Jahren stark unter den Folgen der Coronakrise. In der Weihnachtszeit herrscht in der Stadt im israelisch besetzten Westjordanland normalerweise Hochsaison. Vor der Pandemie hatten jedes Jahr Tausende Pilger und Urlauber aus der ganzen Welt in der Geburtskirche und auf dem angrenzenden Krippenplatz gefeiert.



Israel hat zwar in diesem Monat seine Grenze für geimpfte Touristen geöffnet, aber in Bethlehem werden nur relativ wenige und längst nicht so viele wie im Rekordjahr vor Corona erwartet. Die meisten Bethlehem-Besucher fliegen nach Israel, da es im Westjordanland keinen Flughafen gibt.

Israelische Tourismusbranche leidet unter Corona-Folgen

Viele Hotels der Stadt haben geschlossen, und Einzelhändler halten sich nur mühevoll über Wasser. Der Ladeninhaber Aladdin Subuh öffnet die Tür seines Souvenirgeschäfts am Krippenplatz nur, um zu lüften, wie er erzählt. «Es ist fast Weihnachten, und niemand ist da. Das muss man sich einmal vorstellen», sagt er und beobachtet die wenigen Passanten – in der Hoffnung, dass ein Ausländer auf der Suche nach einem Andenken dabei ist. «Seit zwei Jahren keine Geschäfte. Das ist wie ein langsamer Tod.»

Zwar hat die Pandemie die einst boomende Tourismusbranche für Israelis und Palästinenser gleichermassen beschädigt. Aber für das von Besuchern abhängige Bethlehem waren die Auswirkungen besonders drastisch. Israel, das wichtigste Tor für ausländische Urlauber in die Region, hatte in den vergangenen anderthalb Jahren die meisten Einreisen aus dem Ausland verboten.



Auch seit der Wiedereröffnung kamen in der ersten Novemberhälfte nach Angaben des Innenministeriums nur etwas mehr als 30'000 Touristen ins Land. Im November 2019 waren es 421'000 gewesen.

Kaum Corona-Hilfen für Hoteliers

Mit Corona-Hilfen der palästinensischen Autonomiebehörde konnte die Wirtschaft im Westjordanland kaum rechnen. Hoteliers, Reiseveranstalter und -leiter erhielten lediglich Steuerbefreiungen und Schulungsprogramme, wie Madsched Ischak, Marketingdirektor im palästinensischen Tourismusministerium, erklärt.

Sein Ministerium versuche mit einer Kampagne, arabische Israelis in der Weihnachtszeit zu Reisen nach Bethlehem und in andere Städte des Westjordanlands zu ermuntern. Er hoffe darauf, dass die Zahl der ausländischen Besucher zehn bis 20 Prozent des Niveaus vor der Pandemie erreichen werde, sagte Ischak.

Andere sind nicht so optimistisch. «Ich glaube nicht, dass der Tourismus bald wieder anlaufen wird», sagt Fadi Kattan, ein palästinensischer Koch und Hotelinhaber aus der Altstadt von Bethlehem. Er musste aufgrund der Pandemie im März 2020 sein Gästehaus schliessen und im Laufe der Zeit seine Mitarbeiter entlassen.

Die Grotte der Geburtskirche in Betlehem ist aktuell nur spärlich besucht.
Die Grotte der Geburtskirche in Betlehem ist aktuell nur spärlich besucht.
Bild: Keystone/AP Photo/Nasser Shiyoukhi

«Ohne Touristen ist Betlehem nichts»

Vor Weihnachten wieder zu öffnen, sei für ihn weder finanziell noch praktisch machbar, vor allem angesichts der neuen Welle von Corona-Infektionen in Europa, sagt Kattan. Es werde Jahre dauern, bis sich die Wirtschaft von Bethlehem von der Krise erholt habe – von Hotels und Restaurants bis zu Bauernhöfen, Lebensmittelläden und Reinigungen. «Um sicher wieder zu öffnen, brauchen wir eine langfristige Perspektive», sagt er.

Bei einem kürzlichen Besuch in der Stadt war in der Geburtskirche, dem Kronjuwel von Bethlehem, nur eine einsame Gruppe von italienischen Touristen zu sehen. Hinter dem Krippenplatz hängten städtische Arbeiter die erste Weihnachtsbeleuchtung auf. In den Jahren vor Covid-19 hatten sich vor der Basilika aus dem sechsten Jahrhundert stets lange Warteschlangen gebildet.

Die Kirche wurde seit 2013 für mehrere Millionen Dollar restauriert. Goldgeflieste Mosaike und Marmorböden erhielten ihren einstigen Glanz zurück. Auch einige grössere strukturelle Reparaturen wurden an der Unesco-Welterbestätte, einer der ältesten Kirchen des Christentums, vorgenommen.

Issa Thaldschieh, griechisch-orthodoxer Pater in der Geburtskirche, blickt der Weihnachtszeit optimistisch entgegen. «Gott sei Dank sehen wir jeden Tag ein paar mehr Gruppen in Bethlehem, sie bleiben zwar nicht über Nacht, aber es ist ein gutes Zeichen», sagt er. «Ohne Touristen und Besucher ist Bethlehem nichts.»