Zwischenwahlen in den USA «Wer hätte gedacht, dass die Midterms so aufregend werden?»

Philipp Dahm

6.11.2018

Diverse Szenen aus dem Wahlkampf bei den Zwischenwahlen 2018.
Diverse Szenen aus dem Wahlkampf bei den Zwischenwahlen 2018.
Foto: Keystone

Momentaufnahme vor dem Urnengang: Wie ist die Stimmungslage kurz vor Öffnung der US-Wahllokale? Die Antwort: Nicht nur die beiden Polit-Lager sind sich ungewiss, gespannt ist auch die ganze Nation.

Das Rennen ist vorbei, jetzt wird es ernst: Wenn nun die ersten Wahllokale in den USA öffnen, können die beiden grossen Parteien nur noch abwarten, bangen und hoffen. Das gilt auch für die nationale und internationale Presse. Wie ist dort die Stimmungslage vor dem Showdown?

Trump-Kritiker zurückhaltend

Wer in die Kommentarspalte der «Washington Post» schaut, weiss sofort, wo die Zeitung steht: «Gibt es ein Übel, für das die Demokraten nicht verantwortlich sind?», fragt eine Kommentatorin. Ein anderes Meinungsstück heisst: «Die ganze Hässlichkeit des Trump-Wahlkampfs zeigt sich in Georgia». Und der Aufmacher-Artikel trieft vor Skepsis: «Trump und Sessions warnen vor Wahlbetrug, ohne Beweise vorzubringen – weist das auf einen Konflikt hin, der womöglich nach der Wahl ausgetragen wird?»

Foto: Keystone

Doch die Journalisten wissen auch, dass einseitige Berichterstattung auf sie zurückfallen kann: Die «Washington Post» bemüht sich deshalb um Ausgewogenheit im Wissen, dass Trump in den Vereinigten Staaten viele Anhänger hat. «Trumps Zentralbank-Gepöbel ist falsch», meint ein anderer Kommentator, er fragt jedoch auch: «Aber sollte die Zentralbank vollkommen unabhängig sein?» Ein anderes Stück kritisiert süffisant das Finanzgebaren des demokratischen Kandidaten aus Texas.

«New York Times» vs. «Wall Street Journal»

Auch die «New York Times» hinterlässt den Eindruck, als habe sich das Blatt Zurückhaltung vorgenommen. Das zeigt sich in der Berichterstattung über einen umstrittenen Wahlkampfspot: «Medienhäuser senden Trumps Karawanen-Werbespot nicht, der als rassistisch kritisiert wird». Die von Trump viel und oft kritisierte Zeitung vermeidet es, den Clip selbst als rassistisch zu bewerten und berichtet auch sonst eher im nüchternen Ton. Die deutlichste Schlagzeile ist da noch: «Trump beendet einen Wahlkampf, der auf Angst und Unterteilung baut».

Foto: Keystone

Nüchtern geht es auch beim «Wall Street Journal», das zur Trump-freundlichen Presse gezählt wird, zu und her. Staubtrocken titeln die New Yorker: «Trump und Obamas letzte Vorstellung im Angesicht der Zwischenwahlen» – und listen ebenso humorlos «Schlüsselrennen» oder den «Hauptkampf: Trump gegen die demokratischen Frauen» auf. Nur bei den Meinungsstücken kann man die Ausrichtung erahnen: Ein Kommentator kritisiert die Idee, die Demokraten müssten gewählt werden, um Trump zu kontrollieren. Weil Präsident und Kongress sich in so einer Konstellation gegenseitig behinderten, könnte man den Gedanken genauso gut als politischen Stillstand bewerten.

«Fox» tendenziös? «Wie süss es klingt»

Und auch wenn der schon erwähnte Trump-Spot sogar bei «Fox» durchfiel, ist der Sender des 87-jährigen Medienmoguls Rupert Murdoch immer noch einer der grössten Wahlkampfhelfer des Republikaners. Der «Fox»-Aufmacher besagt sinngemäss, dass Trump sich sehr gerne der Wahl stellt, wenn diese zum Referendum über seine Amtszeit erklärt wird. Auf der Website findet sich zwar die Abschlussrede des Präsidenten für seine republikanische Partei, doch ein Pendant des politischen Gegners sucht man vergebens.

Wer will, kann auch in der Geschichte über die demokratische Frontfrau Nancy Pelosi etwas Tendenziöses finden. Die Überschrift «Kann Trump Pelosis Traum von der blauen Welle [also Wahlsiegen in mehreren Bundestaaten] platzen lassen?» suggeriert, dass Wahlsiege der Trump-Gegner unrealistisch oder Wunschdenken sind. Und selbst emotionale Storys sind bei «Fox» schamlos einseitig: «Menge bei Trump-Wahlkampfveranstaltung singt Amazing Grace, nachdem eine Frau zusammenbricht». Die Oberzeile zum Titel: «Wie süss es klingt».

Fazit

In einem sind sich aber alle einig: Wie die Zwischenzahlen ausgehen, lässt sich nicht so einfach prognostizieren. «Eine Welle, zwei Wellen, rote Welle, blaue Welle: Wer hätte gedacht, dass die Midterms so aufregend werden?», fragt die «New York Times». «Unvorhersehbare Zwischenwahlen: Demokraten hoffen, das Kongresshaus zu gewinnen, die Republikaner wollen den Senat halten», analysiert die «Washington Post». Und selbst «Fox» mag nicht ausschliessen, dass es einen politischen Wechsel geben könnte. Das liest sich dort so: «Wie reagieren die Republikaner, wenn Demokraten den Kongress übernehmen?»

Fazit: Die liberalen Stimmen sind auffallend leise angesichts der Tatsache, dass ihnen der Präsident mit seiner Rhetorik jede Menge Steilvorlagen liefert. Das legt die Vermutung nahe, dass sie eingesehen haben, dass Trump mehr Fans hat, als ihnen das lieb ist. Wie immer, wenn ein Wahlausgang knapp ist, kommt es wohl auf die Stimmen der Unentschlossenen an und welche Seite eher die Nichtwähler zur Urne bringen kann – sicher ist bloss: Die kommenden Stunden werden es zeigen.

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