Containerschiff Wie die havarierte «Ever Given» wieder befreit werden soll

tafu, mit Material der SDA und dpa

26.3.2021

Feststeckende «Ever Given» sorgt für Mega-Stau vor dem Suezkanal

Feststeckende «Ever Given» sorgt für Mega-Stau vor dem Suezkanal

Seit drei Tagen blockiert das Containerschiff «Ever Given» den Suezkanal, die wichtigste Schiffsverbindung zwischen Asien und Europa. Eine Traffic-App für Seefahrer zeigt nun das Ausmass des Schiffsstaus.

26.03.2021

Das Containerschiff «Ever Given» blockiert noch immer den Suezkanal und damit die Weltwirtschaft. Nachdem Schlepper nichts ausrichten konnten, soll es nun eine niederländische Spezialfirma richten.

tafu, mit Material der SDA und dpa

26.3.2021

Es ist die wichtigste Transportverbindung zwischen Asien und Europa, doch seit Dienstag geht auf dem Suezkanal nichts mehr. Nach Sichtbehinderungen durch einen Sandsturm war das Containerschiff «Ever Given» auf Sand gelaufen und steckt mit seinen 400 Metern Länge und 59 Metern Breite zwischen beiden Ufern fest.

Das ist nicht nur für die Reederei Evergreen ein Problem, sondern für den gesamten Welthandel. Rund 12 Prozent des globalen Frachtvolumens gelangen immerhin durch den Suezkanal. Jetzt steht alles still. Umso wichtiger sind daher die Bemühungen, den Containerriesen so schnell wie möglich wieder frei zubekommen. Doch wie soll das gelingen?

Es könnte Wochen dauern

«Es ist wie ein gigantischer gestrandeter Wal», erklärt Peter Berdowski nach Berichten von «Tagesschau.de» im niederländischen Fernsehen. Er ist der Chef des niederländischen Unternehmens Boskalis, das mit seiner Tochterfirma Smit Salvage auf Schiffsunglücke spezialisiert ist und mit der Bergung der «Ever Given» beauftragt wurde.

Zum jetzigen Zeitpunkt lasse sich nicht sagen, wie lange es dauern wird, das Schiff zu befreien. «Wir können nicht ausschliessen, dass es Wochen dauert», so Berdowski.

Dass die Bergung eines Schiffs mit diesen Ausmassen – voll beladen wiegt es rund 200'000 Tonnen – ein schwieriges Unterfangen ist, ist klar. Als es am Dienstag auf Grund lief, hat sich der Bug durch den schweren Aufprall zunächst angehoben, nun liegt es mit einem Grossteil des Gewichts auf dem Sand, wie «RND» berichtet.

Auf dem Satellitenbild gut zu erkennen: Die «Ever Given» hat sich quergestellt.
Auf dem Satellitenbild gut zu erkennen: Die «Ever Given» hat sich quergestellt.
Bild: Keystone

Erste Versuche der staatlichen ägyptischen Kanalgesellschaft, das Schiff wieder zu befreien, waren gescheitert. So versuchte man in den vergangenen Tagen, mit mehreren Schleppern – der grösste davon hat eine Zugkraft von 160 Tonnen – das Schiff wieder in tieferes Wasser zu ziehen. Doch die «Ever Given» liess sich so gut wie gar nicht verrücken.

Am Donnerstag teilte die Kanalaufsicht mit, sie müsse zwischen 15'000 bis 20'000 Kubikmeter Sand entfernen, damit das Schiff wieder loskomme. Sie entsandte Schlepper und Ausrüstung, die jede Stunde bis zu 2000 Kubikmeter Material verlagern kann. 

Hilfe kommt nun Boskali, einer laut der Nachrichtenagentur Bloomberg «legendären Eliteeinheit». Die Bergungsfirma nahm am Donnerstag die Zusammenarbeit mit der Kanalaufsicht auf. 

Zu viel Druck auf dem Sand

Nachdem der Einsatz der Schlepper kaum Wirkung zeigte, werden nun zusätzliche Grabungsarbeiten rund ums Schiff stattfinden, erklärt Peter Berdowski das weitere Vorgehen gegenüber der BBC. Man versuche, Sand und Schlamm rund um den Rumpf zu entfernen. Allerdings liege ein «enormes Gewicht auf dem Sand», das erfordere eine Kombination aus Ausbaggern, Ziehen und Entfernen des Gewichts vom Schiff. Damit es leichter wird, müssten Fracht und Treibstoff entfernt werden. 

Um das Schiff freizubekommen, wird unter anderem der Sand um den Rumpf entfernt.
Um das Schiff freizubekommen, wird unter anderem der Sand um den Rumpf entfernt.
Bild: Keystone

Doch: Dafür bedarf es zunächst genauer Berechnungen, um die Stabilität des Rumpfs zu überprüfen, erklärt der Experte Sal Mercogliano der BBC. Das Entfernen von Fracht und Treibstoff könnte zu Schäden an der «Ever Given» führen und es sogar aus dem Gleichgewicht bringen. «Das schlimmste Szenario ist, dass sie wegen [ungleichmässiger] Gewichtsverteilung in zwei Hälften bricht», so Mercogliano.

Ausserdem wäre die Aktion seiner Meinung nach nicht nur heikel, sondern auch sehr zeitaufwändig. Besonders das Abladen der Container wird sich an Ort und Stelle äusserst schwer gestalten. Denn dafür seien Schwimmkräne mit  einer Grösse von über 60 Metern erforderlich, die erst herbeigeschleppt werden müssten. Einfacher wäre es dagegen, den Treibstoff abzupumpen – doch die dadurch entstehende Gewichtsreduktion könnte nicht ausreichen.

Wird die Flut helfen?

Ob und wie die «Ever Given» befreit werden kann, ist also nach wie vor unklar. Eventuell könnten auch die Gezeiten bei der Bergung eine wesentliche Rolle spielen, wie Nick Sloane von der amerikanischen Resolve Marine Group gegenüber «Tagesschau.de» verdeutlicht. Am Sonntag  und Montag werde der Wasserstand durch die Flut etwa um 46 Zentimeter steigen. Sollte dann der Versuch scheitern, gebe es erst in 12 bis 14 Tagen ein Szenario mit einem ähnlich hohen Wasserstand.



Wann die «Ever Given» tatsächlich wieder frei sein wird, dazu geben Experten und Medien unterschiedliche Prognosen ab. Einem Bericht der japanischen Zeitung «Nikkei» zufolge könne das Containerschiff bereits am Wochenende wieder befreit werden. 

Eine Sprecherin des Eigners des Schiffes äusserte sich gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters zurückhaltender. Die Arbeiten seien im Gange, um den Frachter wieder flott zu bekommen. «Wir haben keine Prognose, wann die Arbeit erfolgreich sein wird.»

Noch pessimistischer ist die Einschätzung der Nachrichtenagentur Bloomberg: Die Bergung des Frachters dürfte sich über das Wochenende hinaus hinziehen. Die Arbeiten sollen etwa eine Woche, möglicherweise auch länger dauern, erklärte die Agentur und berief sich auf namentlich nicht genannte Quellen.