Anschlag von WienWinterthurer Verdächtige hatten engen Kontakt mit Attentäter
tafi/SDA
8.11.2020
Nach dem tödlichen Anschlag eines Islamisten mit vier Todesopfern in Wien geht die Aufarbeitung weiter. Zwei in Winterthur verhaftete Männer sollen engen Kontakt mit dem Attentäter gehabt haben. Nun werden offenkundige Versäumnisse der Behörden analysiert.
Die beiden Männer, die am vergangenen Dienstag in Winterthur verhaftet worden waren, sollen den Attentäter von Wien besucht haben. Dies berichten mehrere Zeitungen unter Berufung auf Sicherheitskreise sowie eigene Recherchen. Die Männer im Alter von 18 und 24 Jahren seien zwischen dem 16. und dem 20. Juli 2020 in die österreichische Hauptstadt gereist, schreibt etwa die «NZZ am Sonntag».
In Wien hätten sie aber nicht nur die Tauhid-Moschee besucht, sondern auch den späteren Attentäter getroffen. Zwei Islamisten aus Deutschland seien laut dem «SonntagsBlick» mit dabei gewesen. Die Zusammenkunft sei von den österreichischen Sicherheitsbehörden allerdings observiert worden, nachdem sie einen Tipp aus Deutschland erhalten hätten.
Neben alldem besteht laut der «NZZ an Sonntag» die Vermutung, dass der Attentäter zwischen dem 21. Juli 2020 und dem Anschlag vom vergangenen Montag auch in den Kanton Zürich gereist sei. Der 20-jährige Jihadist hatte am Montagabend in der Wiener Innenstadt um sich geschossen, vier Menschen getötet und 22 Personen verletzt. Er war schliesslich von der Polizei erschossen worden.
Wiener Polizei räumt Versäumnisse ein
Nach neuesten Erkenntnissen hat es seit längerem deutliche Hinweise aus anderen Länder gegeben, wonach der 20-jährige Wiener eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellte. Rechtzeitig nachgegangen wurde dem allerdings nicht. Wiens Polizeichef Gerhard Pürstl räumte ein, dass die vorliegenden Informationen spätestens Ende Oktober zu einer anderen Gefährdungsbewertung hätten führen sollen.
Der Chef des Wiener Verfassungsschutzes und mehrere Mitarbeiter sollen nun als Konsequenz gehen. Auch der Druck auf den zuständigen konservativen Innenminister Karl Nehammer, die politische Verantwortung zu übernehmen, wächst. Ein von der rechten FPÖ eingebrachter Misstrauensantrag im Parlament scheiterte aber.
Der wegen Terrorismus vorbestrafte 20-Jährige, der Ende 2019 vorzeitig aus der Haft entlassen worden war, hatte am Montag in der Wiener Innenstadt vier Menschen erschossen und mehr als 20 weitere teils schwer verletzt, ehe er von der Polizei erschossen wurde. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte das Attentat für sich.
Nach Überzeugung der Ermittler war der 20-Jährige Teil eines radikal-islamistischen Netzwerks, das über Österreich hinausreicht. Der Islamist war bereits im Vorfeld der Tat Geheimdiensten aufgefallen. Im Juli hatte er mit einem Begleiter versucht, in der Slowakei Kalaschnikow-Munition zu kaufen.
Das Innenministerium in Bratislava wies am Freitag die Darstellung der österreichischen Behörden zurück, wonach Informationen dazu an Wien schleppend übermittelt worden seien. Der slowakischen Polizei sei bereits am 10. September – nicht erst Mitte Oktober – von ihren österreichischen Kollegen bestätigt worden, dass auf einem slowakischen Foto von Juli der wegen Terrorismus vorbestrafte 20-Jährige erkannt worden sei.
Acht Verdächtige in Haft
Zudem war den Wiener Behörden im Sommer ein Treffen mit zwei Männern aus Deutschland bekannt geworden, die vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet worden seien, erklärte Pürstl. Konsequenzen zogen die österreichischen Sicherheitsbehörden aber nicht. Der 20-Jährige blieb weiter auf freiem Fuss.
In Österreich sind nach dem Anschlag zwischenzeitlich acht Verdächtige in Untersuchungshaft gekommen. Die jungen Männer zwischen 16 und 24 Jahren stünden im Verdacht, den Attentäter im Vorfeld unterstützt zu haben. In Deutschland haben Ermittler die Wohnungen von fünf jungen Männern durchsucht. Sie gelten nicht als tatverdächtig, sollen aber direkt oder indirekt Verbindungen zu dem Attentäter beziehungsweise untereinander gehabt haben.
In Österreichs Gefängnissen kam es ebenfalls zu verstärkten Kontrollen. 229 Insassen, die wegen Terrorismusdelikten in Haft sind oder etwa Radikalisierungstendenzen zeigten, wurden überprüft. 12 Justizanstalten haben nach Angaben des Ministeriums Funde gemeldet. Grossteils seien dabei Schriftstücke entdeckt worden, die nun auf mögliche extremistische Hintergründe überprüft werden.