Corona-Pandemie Warum der Bund bei der Maskenbeschaffung versagte

tafi

14.4.2020

Engpässe in der Corona-Krise hätten nicht sein müssen: Doch statt einen Lagerbestand an Schutzmasken anzuordnen, beschränkte sich der Bund auf «Empfehlungen». (Symbolbild)
Engpässe in der Corona-Krise hätten nicht sein müssen: Doch statt einen Lagerbestand an Schutzmasken anzuordnen, beschränkte sich der Bund auf «Empfehlungen». (Symbolbild)
CHINATOPIX/AP/dpa

Dass in der Schweiz allerorten Schutzmasken fehlen, hätte nicht sein müssen. Doch der Bund agierte in der Vergangenheit viel zu unentschlossen und setzt in der Corona-Krise auf einen Pandemieplan mit falschen Annahmen.

Die Sache mit dem Schutzmaterial ging gründlich schief. Während sich das Coronavirus ausbreitet, fehlt es überall im Lande an notwendigen Schutzmasken. Die Versorgungslage von Spitälern, Pflegeheimen und der Spitex wird sich erst in den kommenden Tagen und Wochen bessern. Von einem «Masken-Debakel» schreibt der «Tages-Anzeiger» – es sei eines, das hätte verhindert werden können.

Schon vor fünf Jahren habe der Bund laut einer «Tages-Anzeiger»-Recherche erklärt, dass der Aufbau von Pandemievorräten von «nationaler Bedeutung» sei. 2015 habe das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) die kantonalen Gesundheitsdepartemente zu einer Bestandsaufnahme von Schutzmasken angehalten.

Das Ergebnis war niederschmetternd: Den vom BWL errechneten Mindestbestand an Atemschutzmasken, die besseren Schutz vor Tröpfcheninfektionen bieten, als einfache Hygienemasken, erfüllten lediglich sechs Kantone. Einige Kantone hatten nur ein Zehntel des Sollbestands auf Lager, im Kanton Zürich fehlten mehr als 53'000 Schutzmasken. Für die gesamte Schweiz ergab sich ein Minus von 262'000 Schutzmasken – das entspricht einem Drittel des Sollbestands.

Empfehlungen statt Massnahmen

«Die Vorräte an Schutzmasken für den Fall einer Pandemie sind ungenügend», konstatierte das BWL laut «Tages-Anzeiger» Ende 2016. Eine frühe Erkenntnis, die freilich ohne Erkenntnisgewinn blieb. Als das BWL am 27. Januar 2020 in einem Schreiben mit dem Betreff «Versorgung der Schweiz mit Hygiene- und Atemschutzmasken» die Spitäler aufforderte, die Lagerbestände an Masken zu überprüfen und aufzustocken, war das Kind bereits in den Brunnen gefallen.

Der Markt war im Zuge des sich ausbreitenden Coronavirus leergekauft, der Engpass in der Corona-Krise, die in der Schweiz Ende Februar begann, absehbar. Mit den bekannten Folgen: Entweder musste man zu überteuerten Preisen einkaufen oder Spitalpersonal trug die Masken auf Weisung tagelang auf. An eine allgemeine Maskenpflicht für die Bevölkerung war natürlich auch nicht zu denken, wenn das Schutzmaterial nicht einmal für das medizinische Personal reichte.

All das hätte durchaus verhindert werden können. Nachdem der Bund 2016 den ungenügenden Maskenvorrat festgestellt hatte, ergriff er: keine weiteren Massnahmen. Von der «nationalen Bedeutung» von Pandemievorräten war plötzlich keine Rede mehr. Stattdessen hiess es in einem Schreiben von 2017, aus dem der «Tages-Anzeiger» zitiert: «Wir sind zur Auffassung gelangt, dass die Spitäler in ihrer Eigenverantwortung die Sicherstellung dieser Produkte vornehmen sollen.»

Pandemieplan ungenügend

Statt konkreter Pflichtmassnahmen wurden den Spitälern im Pandemieplan «Empfehlungen» unterbreitet. Der Maskenbestand sei nicht kontrolliert worden, der Bund begnügte sich mit einem Pflichtlager von rund 170’000 Atemschutzmasken.

Dass der Bund zurückkrebste, lag offenbar am Geld. Ueli Haudenschild, Leiter der Geschäftsstelle Heilmittel im BWL, erklärt im «Tages-Anzeiger», dass eine strikte Verordnung des Bundes für ein Pflichtlager nicht akzeptiert worden wäre: «Man fürchtete die Kosten der Lagerhaltung, und die wirtschaftliche Landesversorgung hatte mit der damaligen Gesetzeslage nicht die Möglichkeit, sich an diesen Kosten zu beteiligen.»

Doch selbst wenn der Bund durchgesetzt hätte, dass die Lager gemäss Pandemieplan mit Schutzmasken gefüllt sind: Viel genutzt hätte es in der aktuellen Corona-Krise nichts. Der Grund: Die Bestandsempfehlungen sind zu niedrig angesetzt, weil der Pandemieplan auf einem falschen Szenario aufbaut. Er ist auf das Influenzavirus ausgerichtet und nicht auf neuartige Erreger wie dem aktuell grassierenden Virus Sars-CoV-2.

Statt nur bei Kontakt mit Erkrankten trage das gesamte Gesundheitspersonal permanent Masken. Um darauf angemessen vorbereitet zu sein, müssten die Spitäler «mindestens einen Fünf-Jahres-Bedarf lagern», schreibt das BWL. «Dieses Bevorratungsmodell als Empfehlung in den Pandemieplan aufzunehmen, wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.»

Die Coronavirus-Krise – eine Chronologie

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