Coronavirus Beatmungsgeräte: Mehr Schaden als Nutzen?

AP/tsha

13.4.2020

Ein Patient liegt während seines Aufenthalts in einem Spital in einem Intensivzimmer an einem Beatmungsgerät und einem Dialysegerät.
Ein Patient liegt während seines Aufenthalts in einem Spital in einem Intensivzimmer an einem Beatmungsgerät und einem Dialysegerät.
Bild: Keystone

Bei Corona-Kranken werden höhere Todesraten an Beatmungsmaschinen gemeldet als bei anderen Patienten. Experten raten zur Vorsicht.

Zu viele Corona-Patienten, zu wenige Beatmungsgeräte: Die Angst, nicht alle kritisch Kranken versorgen zu können, treibt Kliniken rund um den Globus um. Dazu kommt aber zunehmend noch die Sorge, dass Beatmungsgeräte manchen Patienten mehr schaden denn nutzen könnten. «Wir wissen, dass mechanische Beatmung nicht unkritisch ist», sagt der Experte Eddy Fan vom Klinikum Toronto. «Eine der wichtigsten Erkenntnisse der vergangenen Jahrzehnte ist, dass medizinische Beatmung Lungenverletzungen verschlimmern kann», erklärt er. «Also müssen wir aufpassen, wie wir sie einsetzen.»

Beatmungsgeräte pressen Sauerstoff in den Körper, wenn die Eigenatmung unzureichend ist. Bei den Maschinen wird der Patient in der Regel ruhiggestellt und durch den Hals intubiert. Die Risiken der Behandlung können dabei mit geringerem Umfang und Druck der Luftstösse reduziert werden, wie Fan erklärt.



Ganz allgemein sterben nach Expertenangaben etwa 40 bis 50 Prozent der an Beatmungsgeräte angeschlossenen Kranken mit schweren Atemnotsyndromen. Inmitten der Corona-Pandemie wurden aber deutlich höhere Sterbezahlen gemeldet, was den Medizinern zu denken gibt. In New York City waren es 80 Prozent der Corona-Patienten oder mehr, wie die Behörden mitteilten. Auch aus anderen Teilen der USA seien überdurchschnittlich hohe Sterberaten bekannt geworden, bestätigt Albert Rizzo von der Medizinorganisation American Lung Association.

Unklarer Zusammenhang

Ähnliche Berichte gab es auch aus China und Grossbritannien. In Wuhan, wo Covid-19 im Dezember zuerst auftauchte, kam eine kleine Studie auf einen Prozentsatz von 86. Aus dem Vereinigten Königreich wurde eine Sterberate von 66 Prozent gemeldet.

Wie es zu diesen Zahlen kommt, ist noch unklar. Womöglich bestehe ein Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand vor der Corona-Infektion, mutmassen Experten. Oder damit, wie krank die Patienten zu dem Zeitpunkt, als sie an die Maschinen angeschlossen wurden, schon waren. Oder können die Beatmungsgeräte bei manchen Patienten die Lage sogar verschlimmern? Einige Mediziner spekulieren über eine mögliche schädliche Reaktion des Immunsystems, die mit dem Beatmungsgerät ausgelöst oder verstärkt werden könnte.

«Wenn wir es schaffen, ihren Zustand zu verbessern, ohne sie intubieren zu müssen, ist das Ergebnis wahrscheinlich besser», betont der Notfallmediziner Joseph Habboushe aus Manhattan mit Blick auf die Kranken. Vor einigen Wochen seien schwer betroffene Corona-Patienten routinemässig an Beatmungsgeräte gekommen, erklärt er. Inzwischen würden aber zunehmend zuerst andere Optionen versucht: Sei es mit Lagertechniken, um bestimmte Lungenteile besser anzusprechen oder mit Sauerstoffzufuhr per Nasenschlauch oder anderen Vorrichtungen. Einige Ärzte probieren es auch mit dem Zusatz von Stickoxid. Diese Entscheidungen hätten nichts mit der Sorge zu tun, nicht genug Beatmungsgeräte zur Verfügung zu haben, sagt Habboushe.

«Sieben Tage, zehn Tage, 15 Tage, und sie sterben»

Die Knappheit an Geräten kommt aber noch hinzu. Insgesamt würden nach bisherigen Berichten Menschen mit Covid-19-Infektion tendenziell länger künstlich beatmet als andere Patienten, erklärt William Schaffner von der Vanderbilt-Universität in Tennessee, Fachmann für Infektionskrankheiten. Nach Expertenangaben werden Patienten mit bakterieller Lungenentzündung vielleicht ein bis zwei Tage so beatmet. Bei Corona-Patienten zeichnet sich eine deutlich längere Zeit ab. «Sieben Tage, zehn Tage, 15 Tage, und sie sterben», sagte kürzlich der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo, als Journalisten ihn danach fragten.

Lungenspezialist Roger Alvarez von der Universität Miami setzt selbst auf den Einsatz von Stickoxid, um die Beatmungsgeräte erst als letztes Mittel heranziehen zu müssen. Die Geräte seien «eine unterstützende Massnahme, während wir warten, dass sich der Körper des Patienten erholt».

Oft vergeblich. Bei Zachary Shemtob war das Warten hingegen von Freude gekrönt: Sein Ehemann David ist wieder gesund geworden.
Er sei vor Schreck erstarrt gewesen, als er erfahren habe, dass David ein Beatmungsgerät brauche, sagt Shemtob. «Künstlich beatmet werden zu müssen, kann heissen, nie wieder von der Beatmungsmaschine wegzukommen.» Das Spital habe keine Prognose gestellt, sein Eindruck sei aber gewesen, dass die Chancen 50:50 stünden. Erst später habe er recherchiert und gemerkt, dass 50:50 eine optimistische Schätzung gewesen sei.

Jeder Fall sei anders, räumt Shemtob ein. Sein Mann habe mit seinen nur 44 Jahren wohl gute Voraussetzungen gehabt. Aber David sei der lebende Beweis, dass Beatmungsgeräte wirklich Leben retten könnten.

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