Coronakrise Abgesagte Scheidungen – zur Fortsetzung der Ehe gezwungen

tafu

8.4.2020

Scheidungen können derzeit nur noch selten durchgeführt werden. Das wird zum Problem für zerstrittene Paare.
Scheidungen können derzeit nur noch selten durchgeführt werden. Das wird zum Problem für zerstrittene Paare.
Bild: Keystone

Aufgrund der Corona-Krise werden geplante Scheidungen von den Gerichten verschoben. Für Noch-Eheleute kann das zum grossen Problem werden.

Die Scheidungsrate im April 2020 wird wohl die niedrigste seit Generationen werden. Doch ein Grund zum Jubeln ist das nicht. Denn schuld daran ist auch in diesem Fall die Coronakrise.

Isolation und der Zwang, daheim zu bleiben, ist für viele Menschen bereits ein Stresstest. Kommt nun noch eine Trennung oder gar eine bevorstehende Scheidung dazu, wird es für viele Noch-Paare richtig schwer. Wie der «Tagesanzeiger» berichtet, haben viele Zivilgerichte ihren Betrieb aufgrund der Corona-Pandemie vorübergehend eingestellt.

«Bis am 19. April 2020 finden nur Verhandlungen statt, die keinen Aufschub dulden», heisst es auf derWebsite des Regionalgerichts Bern-Mittelland. Scheidungen gehören nicht dazu.



Und so sehen sich Paare, die sich schon unter normalen Umständen in einer emotional belastenden Situation befinden, nun mit einem wesentlich schlimmeren Trennungsprozess konfrontiert. «Zerstrittene Paare, die noch im gleichen Haushalt wohnen, sind jetzt gezwungen, viel Zeit auf engem Raum miteinander zu verbringen», erklärt der Zürcher Anwalt Sven Gretler gegenüber dem «Tagesanzeiger».

Häusliche Gewalt und emotionaler Stress

Während die Gerichte keine Scheidungsprozesse mehr durchführen, verlangt der Bundesrat, dass die Menschen zu Hause bleiben. Häufig sei es bei Scheidungen der Fall, dass das Verbleiben in der Wohnung zum Streitfall werde. Der Entscheid vom Gericht sei daher unerlässlich, insbesondere vor dem Hintergrund eines angespannten Mietmarktes – doch die Entscheidung fällt derzeit aus beziehungsweise wird vertagt.

Eine Folge der erzwungenen Fortsetzung einer Ehe könnte eine Zunahme häuslicher Gewalt sein. Darauf sei die Polizei allerdings eingestellt, der Bundesrat hat bereits eine Taskforce zur Entwicklung von Gegenstrategien eingesetzt.

Doch nicht nur häusliche Gewalt wird bei Paaren, die kurz vor der Scheidung stehen, zum Problem. Gemeinsam weiter in einem Haushalt leben zu müssen, wird zum Stresstest.

Scheidung per Telefon?

Eine Lösung wäre derzeit, Scheidungen via Telefonkonferenz durchzuführen. Das habe beispielsweise das Regionalgericht Berner Jura-Seeland bereits durchexerziert, wie das «Bieler Tagblatt» berichtete. Allerdings mache das nur Sinn bei einvernehmlichen Scheidungen, bei sogenannten Kampfscheidungen sei diese Vorgehensweise nicht machbar, so der örtliche Gerichtsleiter Maurice Paronitti gegenüber dem «Tagesanzeiger».



Der Verhandlungsstopp gilt zunächst bis zum 19. April – vorausgesetzt, das Versammlungs- und Kontaktverbot wird zu diesem Zeitpunkt aufgehoben. Doch die Anzeichen deuten eher auf eine Verlängerung der Massnahmen hin.

Sobald die Scheidungsverhandlungen wieder aufgenommen werden können, stehe man allerdings vor einem weiteren Problem, so Gretler. Da man nicht wisse, wie viele der Verfahren aktuell sistiert sind, sei mit einem sehr grossen Rückstau zu rechnen, der sich über viele Monate hinziehen werde.

Die Bilder des Tages

Zurück zur Startseite