Krisenkommunikation Alain Berset allein auf weiter Flur

Von Julia Käser

16.4.2021

SP-Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset an der Medienkonferenz vom Mittwoch, 14. April. 
SP-Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset an der Medienkonferenz vom Mittwoch, 14. April. 
Bild: Keystone

Gibt es umfassende Neuigkeiten zu den Corona-Massnahmen zu verkünden, stellen sich meist mehrere Bundesräte den Medien. Die Öffnungen am Mittwoch präsentierte Alain Berset aber ganz allein. 

Von Julia Käser

16.4.2021

In vertrauter Manier verkündetet SP-Gesundheitsminister Alain Berset  am Mittwoch die für einmal guten Nachrichten: Restaurant-Terrassen, Kinos und Fitnesszentren dürfen wieder öffnen. Auch Veranstaltungen mit Publikum sind unter bestimmten Einschränkungen ab kommendem Montag wieder möglich. 

Auffallend: Wie bereits am 19. März, als es weniger Erfreuliches mitzuteilen gab, trat Berset allein vor die Bundeshaus-Medien. Damals zeigte er sich emotional und gestand, selbst coronamüde zu sein. «Ich kann auch nicht mehr damit leben», wandte er sich an die Bevölkerung – und bat diese anschliessend um noch mehr Geduld in der Krise.

Dass die Stühle neben dem zweitjüngsten Bundesrat der Nachkriegszeit leer bleiben würden, wurde am 19. März noch vor der Medienkonferenz als Indiz dafür betrachtet, dass wahrscheinlich keine grossen Öffnungen kommuniziert werden würden. Und so war es dann auch: Abgesehen von einer Erleichterung für private Treffen – ein Zückerli für die Bevölkerung – verzichtete die Regierung für den Moment auf weitere Lockerungen. 

Die letzten Öffnungen wurden gemeinsam verkündet

Tatsächlich fällt auf, dass die Liste der Teilnehmenden als relativ zuverlässiges Zeichen dafür gewertet werden kann, welche Tragweite die neu gefällten Entscheide des Bundesrats jeweils hatten – zumindest war das bis am Mittwoch so. Denn obwohl er allein kam, verkündete Berset umfassende Öffnungsschritte. 

Anders präsentierte sich die Situation bei den ersten Lockerungen der Corona-Massnahmen vor ziemlich genau einem Jahr. Als am 16. April 2020 das Ende des Lockdowns kommuniziert wurde, war der Bundesrat gleich durch drei Mitglieder vertreten. Nebst Gesundheitsminister Berset traten die damalige Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (SP) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) auf. 

Als sämtliche Massnahmen – mit Ausnahme des Verbots von Grossveranstaltungen – am 19. Juni 2020 vorübergehend ganz aufgehoben wurden, nahmen wieder Sommaruga und zusätzlich Bundeskanzler Walter Thurnherr (CVP) neben Berset Platz. 

Gemeinsame Auftritte bei grossen Entscheiden

Ziemlich genau drei Monate zuvor, am 16. März 2020, war die «ausserordentliche Lage» ausgerufen worden. Auch da traten mehrere Bundesrätinnen und Bundesräte vor die Kameras – nämlich deren vier. Neben Sommaruga und Berset nahmen Justizministerin Karin Keller-Sutter (FDP) und Verteidigungsministerin Viola Amherd (CVP) Platz. Allein auf Youtube wurde diese Medienkonferenz 475'000-mal mitverfolgt. 

Bis jetzt also galt: Gibt es Entscheide von besonderer Tragweite zu verkünden – ganz egal, ob sie populär oder weniger populär sind –, treten mehrere Bundesrätinnen und Bundesräte auf. Wird hingegen über die aktuelle Pandemie-Lage, eine Anpassung der Teststrategie oder zusätzliche finanzielle Hilfen informiert, übernimmt diese Aufgabe meist ein einziges Bundesratsmitglied – hauptsächlich der Gesundheitsminister. 

«Gemäss gängiger Praxis vertreten diejenigen Bundesräte die Geschäfte, die sie dem Bundesrat zum Entscheid vorlegen», sagt Ursula Eggenberger, Sprecherin der Bundeskanzlei auf Nachfrage von «blue News». Das sei am Mittwoch der Fall gewesen. 

Es komme aber immer wieder vor, dass verschiedene Departemente an den Anträgen beteiligt seien. Oder der Bundesrat sehe vor, dass zwei oder mehr Mitglieder ein Geschäft vor den Medien vertreten. «Bei ausserordentlichen Etappen in der Krisenbewältigung begleitet bisweilen auch der Bundespräsident solche Medienkonferenzen», so Eggenberger. Parmelin hat am Mittwoch darauf verzichtet. Vielleicht auch deshalb, weil der Öffnungsschritt, der diese Woche beschlossen wurde, schon im März präsentiert worden war. 

Rückendeckung von Parmelin und Maurer

Geht es nach Bersets Parteikollegin und Nationalrätin Flavia Wasserfallen, braucht der Gesundheitsminister denn auch überhaupt keine Schützenhilfe. Er könne auch allein auftreten, sagte sie kürzlich zu «blue News». Dennoch unterstreicht Wasserfallen, dass es zumindest während des zweiten Lockdowns und den vermehrten Angriffen auf die Person von Berset wichtig gewesen sei, dass sich zwei seiner Ratskollegen hingestellt hätten. 

Ende Februar nämlich, als Berset ins Kreuzfeuer der Kritik geriet, bekam er vor versammelter Medienschar Rückendeckung von Guy Parmelin und Finanzminister Ueli Maurer (beide SVP). Von Exponenten der SVP war Berset zuvor als «Alleinherrscher» beschimpft worden. Aber ausgerechnet die SVP-Bundesräte machten klar: Sämtliche Beschlüsse würden vom Gesamtbundesrat gefasst, der als Gremium auch hinter diesen stehe.

«Wir haben also gar nichts gegen Alain Berset, ganz im Gegenteil. Es funktioniert hervorragend», versicherte Maurer.  Auch seiner Beliebtheit in der Bevölkerung scheint die Tatsache, dass er als Gesundheitsminister stets im Zentrum der Kritik steht, nicht geschadet zu haben. Gemäss einer aktuellen Umfrage ist Berset dasjenige Bundesratsmitglied, dem die Schweizerinnen und Schweizer am meisten vertrauen.