Wie weiter in der Pandemie? «Bundesrat muss wieder Führung übernehmen»

Von Gil Bieler und Anna Kappeler

28.11.2021

Covid-19-Gesetz: Erleichterung bei den Befürwortern

Covid-19-Gesetz: Erleichterung bei den Befürwortern

Das Schweizer Stimmvolk nimmt das Covid-19-Gesetz an. Im Lager der Befürworter, die sich im Restaurant «Casa d'Italia» versammelt haben, herrscht Erleichterung.

28.11.2021

Was bedeutet die Annahme des Covid-Gesetzes für die weitere Pandemie-Bekämpfung? Auf der einen Seite wird der Ruf nach schärferen Massnahmen laut, auf der anderen der nach Widerstand. 

Von Gil Bieler und Anna Kappeler

28.11.2021

Der intensive Abstimmungskampf ist vorbei, die Pandemie aber noch lange nicht (hier geht es zum Abstimmungsticker). Entsprechend gehen auch die Ansichten über den künftigen Kurs diametral auseinander.

Mehr Tests, mehr Massnahmen und eine klarere Führung durch den Bundesrat fordern die einen – Widerstand leisten, wollen die anderen. 

«Das Abstimmungsergebnis nehmen wir mit grosser Freude zur Kenntnis», sagt Peter Metzinger, der Kampagnenleiter des von Privatpersonen organisierten Ja-Komitees zu blue News. «Wir werten das als ein klares Zeichen für eine auf Vernunft und Wissenschaft basierte Pandemiebekämpfung.»

Der Ball liege nun bei der Landesregierung: «Jetzt muss der Bundesrat wieder die Führung übernehmen und die notwendigen Massnahmen ergreifen, um die Fallzahlen wieder zu senken.» Dies gelte umso mehr mit Blick auf die neue Virus-Variante Omikron. 

Was fordert Metzinger konkret? Strengere Massnahmen: Das Covid-Zertifikat sei eine gute Sache, aber in der aktuellen Situation müssten sich auch Geimpfte vermehrt testen lassen. «Man muss die Tests ausweiten und vor allem an den Schulen Massnahmen ergreifen, da das Virus gerade unter Kindern grassiert und so in die Familien hineingetragen wird.»

Gegner wollen weiterkämpfen

Ganz andere Vorstellungen, wie es weitergehen soll, hat man beim unterlegenen Nein-Komitee. Das Ja des Stimmvolkes ändere nichts daran, dass das Covid-Gesetz gegen zehn Artikel in der Bundesverfassung verstosse, sagte Josef Ender vom «Bündnis der Urkantone» im SRF. Man werde deshalb weiterhin gegen das Gesetz kämpfen. 

Das Nein-Lager will den Abstimmungssonntag analysieren und am Dienstag über die nächsten Schritte informieren. Bereits bekannt ist, dass sich mehrere Bewegungen der Massnahmen-Gegner*innen zu einer neuen politischen Kraft vereinen wollen. Deren Namen: «Aufrecht Schweiz». Im Vorstand: Josef Ender.

Gemäss ihrer Website will die Bewegung an möglichst vielen kommunalen und kantonalen Wahlen teilnehmen und sich so auf die eidgenössischen Wahlen 2023 vorbereiten.

Der Ton ist so kämpferisch wie im Abstimmungskampf: «Die Schweiz wandelte sich in kurzer Zeit aufgrund von Massenpropaganda und Angstszenarien von einem lebenswerten freien Land in eine Gesellschaft mit totalitären Zügen», heisst es weiter.

Josef Ender vom «Aktionsbündnis der Urkantone» (l.) kommentiert die Abstimmungsniederlage.
Josef Ender vom «Aktionsbündnis der Urkantone» (l.) kommentiert die Abstimmungsniederlage.
Bild: Keystone

SVP-Chef sieht die Kantone am Drücker

«Das Volk steht hinter den Massnahmen», freut sich Mitte-Chef Gerhard Pfister in der Elefantenrunde auf «Blick TV» über das Ergebnis. Doch man dürfe nun nicht im Nachhinein die Abstimmungs-Verlierer zu -Siegern machen. Es sei richtig, in einer Demokratie das Volk zu befragen, doch nun müsse man das Verdikt auch akzeptieren und keine weiteren «Pirouetten» drehen, sagte Pfister mit Blick auf den SVP-Parteichef Marco Chiesa.

Cédric Wermuth, Co-Parteipräsident der SP, schliesst «keine Massnahme aus», also auch keinen Lockdown. Doch hofft er, dass nur «so sanfte Massnahmen wie möglich kommen». Der Bundesrat werde in den nächsten Tagen weitere Massnahmen verkünden müssen, glaubt Wermuth.



Thierry Burkart, FDP-Chef, sagt: «Wir müssen dem Bundesrat hier eine gewisse Freiheit überlassen. Eine Impfpflicht fände ich allerdings nicht richtig.» Der Bund werde wohl zusätzliche Massnahmen ergreifen müssen, auch wenn er persönlich hoffe, dass es nicht so weit komme.

Pfister dagegen sieht nicht den Bundesrat in der Pflicht, sondern die Kantone: «Die Kantone haben alle Instrumente in der Hand, um weitere Massnahmen treffen zu können», sagt er. «Ein Kanton mit tiefen Fallzahlen muss doch nicht das Gleiche machen wie ein Kanton mit hohen Fallzahlen.»

Auch Chiesa findet, die Kantone müssten nun unbedingt handeln. Das Tessin sei da mit gutem Beispiel vorangegangen. Gratistests und Booster-Impfungen für alle seien nun die zwei wichtigsten Massnahmen.

Wirkung von Falschinformationen soll untersucht werden

Die Zukunft des zivilgesellschaftlichen Ja-Komitees ist noch nicht entschieden. Darüber werde morgen Montag beraten, sagt Metzinger. Ein vorerst letztes Projekt ist aber schon aufgegleist: Mit einem Spendenaufruf sollen 5000 Franken zusammenkommen, um «das Ausmass und die Wirkung von Falschinformationen in diesem Abstimmungskampf untersuchen zu lassen», erklärt Metzinger.  

Und eines steht für Metzinger bereits fest: «Wir werden sicher nicht aufhören, uns für eine evidenzbasierte Pandemie-Bekämpfung einzusetzen.» Er hoffe aber, dass von den etablierten Parteien und Verbänden nun mehr Engagement komme. 

Josef Ender zum Ja zum Covid-Gesetz

Josef Ender zum Ja zum Covid-Gesetz

Das unterlegene Nein-Komitee zum Covid-19-Gesetz sieht einen Grund für die Annahme der Vorlage in der «irreführenden Fragestellung». Das Komitee werde aber zuerst das Resultat analysieren und am Dienstag erklären, wie es weitergehen soll.

28.11.2021