Kantönligeist Ausschaffungen in Corona-Zeiten: Dürfen Asylbewerber in Haft bleiben?

tafu

15.5.2020

Ist Ausschaffungshaft in Zeiten der Coronna-Pandemie noch angemessen? (Archivbild)
Ist Ausschaffungshaft in Zeiten der Coronna-Pandemie noch angemessen? (Archivbild)
Bild: Keystone

Aktuell sind Ausschaffungen nicht möglich. Doch wie mit abgewiesenen Bewerbern in Haft umgegangen wird, ist nicht einheitlich geregelt und zeigt erneut den Kantönligeist.

Die Folgen, welche die Corona-Krise für die Gesellschaft hat, sind enorm und vielfältig. Nicht nur Alltag, Beruf und Wirtschaft sind betroffen. Auch auf das Asylwesen in der Schweiz hat die Pandemie massive Auswirkungen. Doch den Umgang mit dem Thema unterscheidet sich von Kanton zu Kanton.

Besonders für viele Asylsuchende, die bereits abgewiesen wurden, ist die Lage teilweise prekär. Ausschaffungen können derzeit nicht durchgeführt werden. Trotzdem müssen in vielen Kantonen Asylbewerber in Ausschaffungshaft bleiben, berichtet der «SRF».

Haft reduzieren

So habe Baselland nach der Erklärung der ausserordentlichen Lage durch den Bundesrat seine Ausschaffungshäftlinge freigelassen. «Laut Gesetz muss die Haft beendet werden, wenn der Vollzug einer Wegweisung nicht mehr durchführbar ist», erklärt Andreas Räss, Leiter des Amts für Migration im Kanton Baselland. Das sehen Basel-Stadt und Genf genauso. Auch die Europäische Kommission für Menschenrechte habe sich bereits dafür ausgesprochen, dass Ausschaffungshaft während der Pandemie soweit wie möglich reduziert werden sollte.



Im Kanton Zürich sitzen dagegen noch immer über 40 Personen in Ausschaffungshaft. Man habe zwar bereits ein halbes Dutzend Migranten freigelassen, die bereits in einem anderen europäischen Land Asyl beantragt haben, müsse aber jeden Einzelfall prüfen, heisst es vom Migrationsamt des Kantons Zürich.

Das entspricht durchaus der Meinung des Staatssekretariats für Migration (SEM), das aktuell keine Pauschalempfehlung für eine Freilassung von Ausschhaffungshäftlingen geben könne. Wie Marcel Suter, Präsident der kantonalen Mirgrationsbehörden, betont, seien die Kantone frei in ihrer Entscheidung und können selbst ermessen, ob eine Ausschaffung absehbar sei oder nicht.

Absehbar oder nicht – das ist hier die Frage

Das kann die Präsidentin des Vereins Asylex allerdings überhaupt nicht nachvollziehen. «Entweder ist eine Ausschaffung absehbar oder nicht. Und das gilt für die ganze Schweiz», erklärt Lea Hungerbühler. Es sei nicht gerechtfertigt, dass es zwischen den Kantonen so grosse Unterschiede gebe.

Dass in diesem Jahr tatsächlich noch Ausschaffungsflüge stattfinden, sei unrealistisch, so Hungerbühler weiter. Daher sei es unverhältnismässig, die Menschen weiter hin Haft zu belassen. Sie befinden sich im Gefängnis, da sie keine Aufenthaltsbewilligung bekommen haben und die Schweiz nicht freiwillig verlassen wollen. Aber Verbrecher seien sie keine.





Derselben Ansicht ist auch Regula Mader, Präsidentin der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter. Die Hoheit der Kantone stehe in Teilen den internationalen Empfehlungen entgegen.

Und das Problem ist nicht neu: Bereits seit Jahren kritisiert die Kommission die unterschiedlichen Haftbedingungen in den Kantonen. Auch das Bundesgericht hatte erst kürzlich einen Handlungsbedarf in gewissen Kantonen erkannt. Nur in absoluten Ausnahmefällen dürften Ausschaffungshäftlinge in gewöhnlichen Gefängnissen mit Straftätern sitzen, stellte es in einem Urteil fest.

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