Analyse Beide haben «grün» im Namen – das ist’s dann mit Gemeinsamkeiten

Von Anna Kappeler

12.12.2019

Nach den Bundesratswahlen wird offensichtlich, was durch die grüne Welle unterging: Grüne und Grünliberale haben kaum Berührungspunkte. Chronik eines eigentlich augenfälligen Bruches.

Nicht einmal zwei Monate nach dem grünen Höhenflug vom 20. Oktober ist mit den gestrigen Bundesratswahlen das Öko-Lager zerbrochen. Allerdings: Es ist dies das frühe Ende einer Beziehung, die abgesehen von der Ökologie ohnehin kaum Gemeinsamkeiten hatte. 

Doch von vorn: Bei den gestrigen Bundesratswahlen verweigerten die Grünliberalen den Grünen ihre Unterstützung. Regula Rytz erhielt 82 Stimmen – also eine weniger als Grüne und SP zusammen haben.



Somit stimmte nicht einmal das links-grüne Lager geschlossen für Rytz, offensichtlich aber sind die Grünen vor allem von der GLP enttäuscht. Wohl deshalb, weil deren Fraktionschefin Tiana Moser noch einen Tag zuvor vor den Medien sagte, dass sich die GLP-Stimmen aufteilen – für und gegen Rytz. Stimmfreigabe also. 

Wie schon beim Ständeratswahlkampf

Stimmfreigabe? Déjà-vu! Erinnern wir uns an den zweiten Wahlgang für den Ständerat im November im Kanton Zürich. GLP-Kandidatin Moser zog sich zugunsten der Grünen Marionna Schlatter zurück, weil Schlatter im ersten Wahlgang mehr Stimmen machte. Es kam zum Showdown zwischen dem Bisherigen Ruedi Noser von der FDP – und Schlatter.

Was tat die GLP? Sie empfahl – niemanden. Die Grünliberalen waren also bereits dort zerrissen zwischen «liberal» und «grün». Kein Wunder, haben sie doch beide Worte im Namen.



Am Dienstag nun unterstützte Moser zwar den Anspruch der Grünen auf einen Bundesratssitz, sagte im gleichen Atemzug aber, dass drei Linke in der Landesregierung einer zu viel sei – «liberal» vor «grün» bei den Bundesratswahlen also.

Entsprechend genervt ist Rytz: «Offensichtlich hat sich die GLP entschieden, dass je zwei Vertreter der SVP und der FDP weiterhin die Schweizer Klimapolitik machen sollen», sagte sie im «Tages-Anzeiger». Ihre Enttäuschung zeigen auch andere grüne Parlamentarier wie Meret Schneider oder auch der SPler Cédric Wermuth auf Twitter.

Auch Grünliberale sind enttäuscht

Doch jeder Konflikt hat zwei Seiten: Auch die Grünliberalen schossen verbal gegen die Grünen: «Die Grünen präsentierten uns mit Rytz eine Einer-Kandidatur vom linken Rand. Uns blieb nichts anderes übrig, als das zur Kenntnis zu nehmen», sagte Moser am Dienstag. Moser zeigte sich enttäuscht darüber, dass die Grünen die GLP vor Tatsachen stellten, statt gemeinsam eine Strategie auszuarbeiten.



Überaus augenfällig werden die Unterschiede zwischen den beiden Parteien beim Smartspider von Smartvote. Diese Grafik bildet Wertehaltungen und politische Einstellungen anhand von acht thematischen Achsen ab, wobei der Wert 100 die höchste Zustimmung signalisiert.

Selbst bei der Umwelt anderer Ansatz

Beginnen wir beim Thema «ausgebauter Umweltschutz». Während dieser für Grünen-Präsidentin Rytz einen Wert von 98 hat, ist er bei GLP-Präsident Jürg Grossen bei 91. Zweimal eine sehr hohe Zustimmung also, und doch sind die Ansätze selbst in der Umweltpolitik unterschiedlich: «Wir wollen unsere Umweltziele mit der Wirtschaft erreichen, nicht gegen sie», sagte Grossen im «St. Galler Tagblatt».

Für die Grünen bietet der Ausstieg aus den fossilen Energien dagegen die Chance, dass die Wirtschaft künftig für den Menschen da sei und nicht mehr der Mensch für die Wirtschaft, wie es im gleichen Artikel heisst.

Ausgeprägte Differenzen

Sehr ausgeprägt sind die Differenzen bei den anderen Dossiers: Für einen ausgebauten Sozialstaat setzen sich die Grünen ein, die Grünliberalen dagegen lehnen ihn klar ab (Rytz 98, Grossen 28). Auch hier: Die Grünen stehen auf der politischen Skala klar links, die GLP dagegen ist liberal.

Diese Differnezen zeigen sich ebenso deutlich bei den Punkten Law&Order (Grossen 43, Rytz 6), bei der liberalen Wirtschaftspolitik (Grossen 69, Rytz 11) und bei der restriktiven Finanzpolitik (Grossen 45, Rytz 28).

Weiter sind die Grünen komplett gegen eine restriktive Migrationspolitik, Grossen kommt dort auf einen Wert von 9 (Rytz 0). Eine offene Aussenpolitik wertet Grossen mit hohen 78, Rytz mit 54. Dazu passt, dass sich die GLP dezidiert und vorbehaltslos für ein Rahmenabkommen mit der EU ausspricht, während die Grünen Vorbehalte haben.

Und dann kommt doch noch eine Gemeinsamkeit: Eine liberale Gesellschaft ist beiden wichtig (Rytz 86, Grossen 75). Nur ob das reicht, die Risse in der grün-grünen Beziehung zu kitten, darf bezweifelt werden.

Bilder des Tages

Zurück zur Startseite