Bundesrat informiertUkraine: «Wir sind solidarisch» +++ EU: Eigenständigkeit «ist Teil unserer Identität»
gg, sda
25.2.2022 - 13:25
Bundesrat will institutionelle Fragen mit EU sektoriell klären
Der Bundesrat will mit der EU neue Verhandlungen aufnehmen zu institutionellen Fragen. Nach dem gescheiterten Rahmenabkommen will er nun sektorielle Regelungen finden.
25.02.2022
Nach monatelangen internen Diskussionen will der Bundesrat sektorielle Regelungen mit der EU finden. Wegen des Ukraine-Krieges übernimmt die Schweiz EU-Sanktionen gegen 367 russische Personen und Unternehmen.
gg, sda
25.02.2022, 13:25
25.02.2022, 14:23
SDA/sob/Red.
Das Wichtigste in Kürze
Die Schweiz übernimmt die ersten von der EU erlassenen Sanktionengegen russische Personen und Unternehmen direkt. Es handelt sich um eine Liste von 367 Einträgen.
Auch weitere von der EU beschlossene Sanktionen werden umgesetzt, beispielsweise für die Einfuhrverbote aus den Regionen Donezk und Luhansk.
Finanzsanktionenverbieten Banken oder Versicherungen in der Schweiz mit Personen auf der Liste neue Geschäftsbeziehungen einzugehen. Bereits bestehende Konten und Verbindungen müssen gemeldet werden.
Statt eines Rahmenabkommens mit der EU will der Bund ein Paket mit einzelnen Binnenmarkt-Abkommen schnüren, die für die jeweilige Bereiche gesondert ausgehandelt werden.
Neue Binnenmarkt-Abkommen sind in den Bereichen Strom und Lebensmittelsicherheit sowie Assoziierungsabkommen in den Bereichen Forschung, Gesundheit und Bildung geplant.
Die Schweiz arbeitet weiter daran, Regelungsunterschiede zwischen Schweizer- und EU-Recht genauer zu eruieren.
Das Problem: Vonseiten der EU war bislang immer zu hören, dass ein solcher vertikaler oder sektorieller Ansatz keine Option ist.
Welchen Status hätten Geflüchtete aus der Ukraine? Das kann Karin Keller-Sutter auch noch nicht sagen. Nach der Sitzung der EU-Justizminister am Sonntag werde man sicher mehr wissen. «Man muss da nicht so bürokratisch sein, wenn unsere Hilfe gefragt sein sollte», sagt sie aber auch. Der Krisenherd sei «um die Ecke».
13.29 Uhr
Nachfrage zu Aufnahme von Flüchtlingen
Die Lage sei noch sehr unübersichtlich, sagt Karin Keller-Sutter. Viele der Flüchtlinge wählten Polen, Ukraine oder Slowakei für ihre Flucht, da sie dort Familie oder Freunde hätten. Nun müsse man sehen, ob diese Staaten die Massen bewältigen könnten. Die Schweiz sei bereit, zu helfen. «Wir dürfen nicht die osteuropäischen Staaten allein lassen», man könne jedoch nur die Hilfe anbieten. Ob diese gewünscht sei, müsse sich zeigen. «Wir werden uns beteiligen an einer Lösung.»
13.26 Uhr
Kurze Antwort
Ändert der Ukraine-Krieg etwas beim Schweizer Antrag auf einen Sitz im UN-Sicherheitsrat? Cassis sagt: Nein.
13.24 Uhr
Ist die Zeit der Diplomatie nicht vorbei?
«Diplomatie hat nicht funktioniert», sagt Cassis. «Aber sie musste gemacht werden.» Jetzt schauen wir in die Zukunft. Schnellstmöglich müssten Gespräche geführt werden und ein Waffenstillstand erreicht werden. Auch das sei Diplomatie: «Wir schauen in die Zukunft».
13.23 Uhr
Steht die Schweiz bezüglich der Aufnahme von Flüchtlingen mit den anderen Schengen-Staaten im Kontakt?
Karin Keller-Sutter sagt, man könne noch nicht abschätzen, wie viele Menschen wirklich fliehen würden. Viele würden momentan den Weg nach Polen wählen, weil dort viele Verwandte hätten. Man wisse aber noch nicht, wie sich die Situation entwickeln wird. Viele Männer blieben in der Ukraine, da sie ihr Land verteidigen wollen. Vor allem Frauen und Kinder würden evakuiert. Wenn der Krieg länger andaure, brauche es die Solidarität der anderen Ländern. «Die Schweiz ist bereit, die Solidarität auszuleben», sagt Karin Keller-Sutter. Sie habe heute auch schon diskutiert mit den Kantonen, dass die Aufenthaltsbewilligungen von Ukrainern in der Schweiz ohne weitere Anfragen verlängert werde, dies liege in der Kompetenz der Kantone.
13.15 Uhr
Hat die Schweiz ihre Dienste angeboten?
Man werde angefragt, so Cassis. Sich aktiv anzubieten sei neutralitätsrechtlich heikel, doch es habe Gespräche gegeben.
13.11 Uhr
Keller-Sutter: «Wir sind solidarisch»
Die «russische Aggression» habe für die Menschen in der Ukraine fatale Folgen. «Wir sind solidarisch mit den Osteuropäerinnen und Ostereuopäern«, sagt Karin Keller-Sutter. Man werde sie «nicht im Stich lassen», bekräftigt sie. Sie wisse nicht, ob die EU-assoziierten Staaten wie die Schweiz beim geplanten Treffen der EU-Justizminister am Sonntag eingeladen wären, doch man wolle sich an Massnahmen beteiligen. Dazu zähle auch die Aufnahme von Schutzsuchenden.
13.08 Uhr
EU-Sanktionen zum Teil übernommen
«Auch die Schweiz wird ihre Massnahmen ausweiten», sagt Guy Parmelin. Banken und Versicherungen dürfen mit Personen, die auf einer Schwarzen Liste stehen, keine Geschäfte mehr machen. Diese Personen dürfen auch nicht ins Land einreisen. Zudem übernimmt die Schweiz das generelle Handelsverbot mit Gütern aus Donezk und Luhansk.
13.07
Schweiz will Sanktionen ergreifen
Nun übernimmt Guy Parmelin. Das Embargo-Gesetz beschränke, welche Sanktionen die Schweiz ergreifen könne. Dazu brauche es eine Verletzung von internationalem Recht. Im Fall der Annexion der Krim habe die Schweiz selbst keine Sanktionen ergriffen, sondern solche, um die Umgehung der EU zu verhindern. Die Schweiz will nun eine schärfere Linie ziehen, als zuvor.
13.03 Uhr
«Neutralität bedeutet nicht Gleichgültigkeit»
Die Genfer Konvention müsste eingehalten werden, mahnt Cassis. «Neutralität bedeutet nicht Gleichgültigkeit – insbesondere wenn es um die Verletzung von Menschenrechten geht.» Der Bundesrat wolle Sanktionen anders anwenden, um eine «Tür offen» zu lassen. «Diesen Mehrwert kann die Schweiz erbringen.» Dazu müsse sie differenziert vorgehen. Beim Dialog sei die Schweiz stark.
13 Uhr
Jetzt geht's um die Ukraine
Ignazio Cassis spricht jetzt über die Ukraine: «Mittlerweile kämpfen Soldaten in der Hauptstadt Kiew. Das EDA plant eine Teil-Evakuierung der Botschaft in Kiew.» Nur sechs oder sieben Personen blieben dort, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Die anderen Europäer hätten die Hauptstadt bereits verlasssen.
12.59 Uhr
Wie steht es um die Streitbeilegung?
«Alle Formen sind hier offen», sagt Cassis. Das resultiere daraus, dass man das sektorielle Vorgehen wähle. Man müsse die Streitbeilegung entsprechend mit verschiedenen Mechanismen analog zu den Fällen lösen.
12.58 Uhr
Kantone und Sozialpartner schon an Bord?
Kantone und Sozialpartner waren bei der Ausarbeitung des EU-berichts dabei. Sind sie nicht schon an Bord? Es ging darum rechtliche Frage, bei denen sie auch Vollzugsaufgaben gehabt hätten. Nun gehe es aber um neue Fragen, so Keller-Sutter.
12.56 Uhr
Ist es der richtige Ansatz, wo sie nicht einmal die Garantie haben, dass das Parlament diesem zustimmen wird?
«Wir haben nie eine Garantie, dass das Parlament unserem Vorschlag folgen wird», sagt Cassis. Es sei Teil des demokratischen Prozesses, das Mandat der Verhandlungen auszulegen und dieses mit den Kantonen und dem Parlament abzustimmen.
12.52 Uhr
Ist es wirklich von Vorteil, die Abkommen gebündelt ins Spiel zu bringen?
Cassis sagt, man sei zum Schluss gekommen, dass ein breiterer Ansatz von Vorteil sei, etwa auch hinsichtlich des Stromabkommens. Man wolle so mehr Handlungsspielraum und Verhandlungsmasse. Natürlich gebe es diesbezüglich auch innenpolitische Probleme. «Der Wille, eine Gesamtübersicht zu haben, das ist der neue Ansatz», sagt Cassis.
12.51 Uhr
Neue Erkenntnisse?
Welche Erkenntnisse gibt es seit dem Scheitern des Rahmenabkommens? Der Bundesrat habe einen entsprechenden Bericht des EDA im Dezember gelesen, so Karin Keller-Sutter. Sie sei überrascht gewesen, welche Fragen von der Verhandlungen betroffen gewesen sein – etwa bei Regelungen für Helikopter oder Drohnen. Einzelne Departments hätten die Verhandlungen zudem bewertet, was aber nicht publiziert werde.
12.49 Uhr
Hat der Bundesrat Kontakt zur EU aufgenommen, um das Problem angesichts der aktuellen Sicherheitslage womöglich nach hinten zu schieben?
«Nein, das hat er nicht gemacht und das wird er auch nicht machen», sagt Cassis. Man könne nicht die Welt stoppen, weil es nun ein Ereignis gebe.
12.45 Uhr
Zum Verhandlungspaket
Man sei noch nicht bei einer Verhandlung, sagt Cassis. Das sei verführt. Man versuche nun zu einer Verhandlung zu kommen. «Wir sind in einer neuen Phase, die ein Verhandlungspaket definiere», danach komme das Verhandlungsmandat, so Cassis.
12.43 Uhr
Was ist mit den Gegnern der Personenfreizügigkeit?
Die SVP und Gewerkschaften haben sich am lautesten gegen die Personenfreizügigkeit protestiert haben. Kann der Bundesrat jetzt die Leute wieder an Bord holen? Ja, durch «innenpolitische Akzeptanz», so Cassis: «Wir wollen mit ihnen zusammen eine Lösung finden.» Deshalb wolle man eben auch keine «roten Linien» festlegen.
12.40 Uhr
Die EU lehnt aber doch einen sektoriellen Ansatz ab?
Die EU habe signalisiert, dass die Schweiz Vorschläge mache, so Cassis. Der sektorielle Ansatz sei, was vpn der Schweiz aus machbar sei. Natürlich sei dieser Weg «ein schwieriger Weg», sagt Cassis. Der Bundesrat habe sich aber entschieden, diesen Weg zu gehen.» Eine andere Option sehe man nicht.
12.34 Uhr
Welche Abkommen sind spannend für die EU?
«Was den Marktzugang angeht, haben wir sicher beide die gleichen Interessen», sagt Cassis. Diese Interessen müssten nun in die Waagschale geworfen werden. In anderen Bereichen sei man – das zeige gerade etwa der Ukraine-Konflikt –, sehr viel näher beieinander als das häufig erscheine.
12.33 Uhr
Was ist rechtlich akzeptabel?
Das sei wie die Frage nach «roten Linien«, pariert Cassis. Man wolle ganz offen verhandeln und den Spielraum nutzen, der sich ergeben habe
12.31 Uhr
Ist eine Rückkehr zum horizontalen Ansatz denkbar?
Wir kommen natürlich nicht zurück zu einem Ansatz, der vor 15 Jahren stattgefunden hat, sagt Cassis. Der horizontale Ansatz sei nicht verdaubar gewesen. Man wähle nun einen Ansatz, der der EU entgegenkomme.
12.31 Uhr
Zum weiteren Vorgehen
Und was sagt Brüssel zum sektoriellen Ansatz? Die EU erwartet Vorschläge, sagt Cassis. Das werde der Bundesrat nach den Konsultationen machen. Gibt es für die Konsultationen einen Zeitrahmen? «Es wird sicher nicht zwei Jahre brauchen», antwortet Cassis. Aber genauer festlegen könne er sich nicht.
12.28 Uhr
Wieso gibt es nicht erst eine breite innenpolitische Diskussion?
Cassis sagt, der Ansatz sei sehr viel breiter.«Wir müssen natürlich auch sondieren, ob die andere Seite einverstanden ist, mit dieser Methode». Man habe sich jetzt bewusst dafür entschieden, mit einer Schweizer Agenda nach Brüssel zu gehen.
12.26 Uhr
Zu den Konsultationen mit Kantonen und Sozialpartnern
Warum sollte sich bei Kantonen oder Sozialpartner nun die Haltung ändern? Weil «der Elefant» Rahmenabkommen nicht mehr im Raum stehe, antwortet Cassis. «Es ist aller anders.» Der Verhandlungsspielraum sei viel grösser, versichert der Bundespräsident.
Die Kantone und Sozialpartner seien spät konsultiert worden, räumt Keller-Sutter ein, doch nun könne man ohne Druck verhandeln. Der Bundesrat sei gewillt, diese «an Bord zu holen». Aber: «Wir haben nicht ewig Zeit» warnt sie mit Blick auf die Dauer des Gattiker-Konsultationen.
12.22 Uhr
Die Fragerunde beginnt
Gibt es rote Linien bei den Verhandlungen, vor allem hinsichtlich des Personenfreizügigkeitsabkommens, will ein Journalist wissen.
Cassis sagt, man habe keine roten Linie, die Verhandlungspartner aber beauftragt zu eruieren. Mit einem entsprechenden Paket gehe man dann in die Sondierungsgespräche mit der EU. Man wolle so den Fehler von vor acht Jahren verhindern.
12.22 Uhr
Anerkennung von Normen hilft Wirtschaft
In Bereichen wie der Pharma-Industrie seien die Verbindungen besonders eng: Es sei wichtig, dass der Austausch reibungslos sei. Die gegenseitige Anerkennung von Normen und Standards helfe, die Verwaltungskosten zu senken. Dass Schweizer Medizinaltechnik es in der EU so schwer habe, sei ein Warnsignal. Pamrelin endet mit einem Verweis auf die Probleme der Schweiz in Sachen Teilhabe an der EU-Forschung.
12.20 Uhr
Enorme wirtschaftliche Bedeutung
380'000 Grenzgänger und enge wirtschaftliche Verflechtungen: Guy Parmelin betont, die Schweizer Ökonomie brauche einen stabilen, sicheren Zugang zum europäischen Markt. Gut zwei Drittel der Importe kämen von dort, die Hälfte davon würden hier zur Weiterverarbeitung gebraucht. Die Beziehungen zu den Grenzregionen sei für die hiesige Industrie besonders wichtig: Die Schweiz sei besser in die EU eingebunden als manches Mitgliedsland.
12.17 Uhr
Wenig Streit erwartet
Keller-Sutter rechnet nicht mit vielen rechtlichen Streitereien. Abkommen wie bei der Landwirtschaft oder dem Luftverkehr würden Mut machen. Die Personenfreizügigkeit sei allerdings ein heikler Punkt. Alt-Staatssekretär Mario Gattiker wird die Verhandlungen führen. «Wir wollen Probleme lösen und vorwärts kommen» schliesst die Bundesrätin.
12.14 Uhr
Innenpolitische Legitimität im Vordergrund
Sollten Regeln von Schweizer Seite abgeändert werden, müsse das innenpolitisch tragbar sein wie bei der Freizügigkeit, dem Arbeitsmarkt oder Migrationspolitik. «Es ist wichtig, die Handlungsoptionen des Bundesrats am Anfang zu klären», so Keller-Sutter. Dann müsse der Bundesrat die Interessen abwägen und auch die Sozialpartner und Kantone anhören.
12.11 Uhr
Alles, was Recht ist
Karin Keller-Sutter spricht darüber, wie es rechtlich weitergeht. Man habe die Bereiche identifizieren müssen, in denen «die Reibungsflächen mit der EU» reduziert werden müssen, wenn sich das Recht zu sehr unterscheidet. Einige jener Unterschiede könne die Schweiz «eigenständig abbauen», doch das gelte nur prinzipiell. Anderswo müsse weiter verhandelt werden.
12.07 Uhr
Eigenständigkeit «ist Teil unserer Identität»
«Der Bundesrat möchte den bilateralen Weg mit der EU weitergehen», so Cassis, das sei im Interesse beider Parteien. «Wir beginnen jetzt Gespräche, die sich auf die Interessen und nicht auf die Positionen stützen.» Cassis sagt: «Die Schweiz ist Teil von Europa und eng damit verflochten. Die Schweiz war aber auch immer eigenständig. Das ist Teil unserer Identität.»
12.04 Uhr
«Ein Rahmenabkommen 2.0 ist keine Option»
Cassis holt ein wenig aus, spricht über die Etappen der Verhandlungen und deren Ende im Dezember 2018. Seit Januar 2019 gebe es keine neuen Dossiers mehr im Austausch mit Brüssel. Nun sollen die institutionellen Elemente in den einzelnen Sektoren in Binnenmarkt-Abkommen besprochen werden. «Ein Rahmenabkommen 2.0 ist keine Option.»
12 Uhr
Beginn der Medienkonferenz
Wie geht es nach dem gescheiterten Rahmenabkommen im Verhältnis mit der EU weiter? Bundespräsident Ignazio Cassis macht den Auftakt.
Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis wird heute um 12 Uhr zusammen mit Justizministerin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin vor den Medien in Bern die neuesten Entscheide der Landesregierung im EU-Dossier präsentieren.
Cassis hatte Anfang dieses Monats in einem Interview mit der «SonntagsZeitung» gesagt, dass die Schweiz bei der Planung der künftigen Beziehungen mit der EU aus der rein «technisch-institutionellen Fragestellung» herauskommen müsse. Stattdessen müsse der Inhalt im Fokus stehen.
In den vergangenen Monaten hatte der Bundesrat mehrere Aussprachen über das weitere Vorgehen in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU geführt. Er habe den Auftrag «für die Vorbereitung dieser sogenannten Agenda der Schweiz» erteilt, sagte Cassis Mitte Januar vor den Medien.
Seit dem Abbruch der Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen Ende Mai 2021 wartet die EU auf einen Vorschlag der Schweiz. Denn Bern hatte den Verhandlungstisch verlassen.
Während eines Treffens in Brüssel Mitte November vergangenen Jahres waren Aussenminister Cassis und der Vizepräsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic, übereingekommen, sich Ende Januar am World Economic Forum (WEF) in Davos erneut zu treffen. Wegen Corona wurde der Anlass jedoch abgesagt. Ein neues Datum gibt es seither noch nicht.
«Ein bisschen Ruhe und etwas Kreativität»
Was der Bundesrat genau präsentieren wird, ist nicht bekannt. In den vergangenen Wochen hatten verschiedene Regierungsmitglieder durchblicken lassen, dass ein Rahmen für ein mögliches Paket oder eine Gesprächsagenda mit der EU abgesteckt werde und verschiedene mögliche Elemente analysiert würden.
Die Schweiz dürfe sich nicht nur auf Abkommen zur Beteiligung am Binnenmarkt beschränken, sagte Dossierführer Cassis. Es gebe viele Möglichkeiten, die Beziehung zur EU zu vertiefen, etwa in der Gesundheit, der Forschung, bei den Medien oder der Kultur. Es brauche jetzt «ein bisschen Ruhe und etwas Kreativität».
Cassis an der Albisgüetli-Tagung: «Ein Rahmenabkommen 2.0 wird es nicht geben»
Eine Neuauflage des Rahmenabkommens, hielt Bundespräsident Ignazio Cassis fest, der traditionsgemäss als Gastredner an der Albisgüetli-Tagung geladen war. Er wies aber auch darauf hin, dass der Bundesrat weiterhin geregelte und stabile Beziehungen zur EU wolle.
24.02.2022
Cassis betonte auch, dass beide Seiten ein Interesse an geregelten Beziehungen hätten. In der Schweiz lebten 1,4 Millionen EU-Bürger. Die Schweiz sei der viertwichtigste Handelspartner der EU. «Instabile Beziehungen sind auf die Dauer weder für uns noch für die EU eine Lösung», konstatierte Cassis.
Dennoch übte die EU in den vergangenen Monaten mit politischen Verknüpfungen Druck auf die Schweiz aus. Beim wichtigen EU-Forschungsprogramm Horizon Europe gilt die Schweiz nur noch als Drittstaat. Diskriminierungen gibt es auch in der Medizinaltechnik. Das Stromabkommen mit der EU liegt bereits seit Jahren auf Eis.
Alle ins Boot holen
Das Rahmenabkommen war insbesondere an innenpolitischen Widerständen gescheitert. Zu uneinig waren sich die Parteien in vielen strittigen Punkten. Daraus will der Bundesrat lernen – er hört sich unter anderem die Ideen und Vorschläge aus der Zivilgesellschaft an.
An verschiedenen Runden Tischen wurden die Vorstellungen diskutiert, etwa die Idee einer Europa-Volksinitiative der Operation Libero und der Grünen. Damit soll der Bundesrat gezwungen werden, in wichtigen Dossiers mit der EU eine Lösung zu finden – einschliesslich einer technischen Lösung der institutionellen Fragen.
Die Differenzen seien aber nach wie vor gross, sagte Cassis. «Wenn es nicht so wäre, hätten wir das Problem wohl schon längstens gelöst», hielt der Bundespräsident fest. Einig sind sich die allermeisten nur darin, dass der bilaterale Weg mit der EU weitergeführt werden müsse.