Duell um Prämien-Entlastungs-Initiative «Dem Wahnsinn ein Ende setzen» – «Das kostet Milliarden»

Von Dominik Müller

6.6.2024

Am 9. Juni kommt die Prämien-Entlastungs-Initiative vors Volk. Die Ständerätinnen Franziska Roth (SP) und Esther Friedli (SVP) erläutern bei blue News ihre Argumente für respektive gegen die Vorlage.

Von Dominik Müller

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Am 9. Juni entscheidet das Schweizer Stimmvolk über die Prämien-Entlastungs-Initiative.
  • Die SP fordert damit, dass die Versicherten höchstens 10 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die Prämien aufwenden müssen.
  • Die beiden Ständerätinnen Franziska Roth (SP) und Esther Friedli (SVP) erläutern im Interview mit blue News, warum sie für respektive gegen die Initiative sind.

Die SP fordert einen Prämiendeckel von 10 Prozent des Einkommens. Würden Sie persönlich von einem Ja zu dieser Initiative profitieren?

Esther Friedli: Nein. Ich erhalte keine Prämienverbilligung und ich möchte auch keine.

Franziska Roth: Persönlich profitiere ich nicht von der Initiative, aber als Mitglied der Gesellschaft. Als Frau, die beruflich als Heilpädagogin arbeitet, kenne ich viele Familien, bei denen nicht einmal mehr das Umdrehen jedes Rappens hilft, um gesund in der reichen Schweiz über die Runden zu kommen. Nach Annahme der Initiative werden sie spürbar entlastet und sind weniger auf Unterstützung der Sozialwerke angewiesen, davon profitiert die ganze Gesellschaft. Zudem hilft es, dass nicht noch mehr Menschen auch aus dem Mittelstand in finanzielle Bedrängnis geraten.

Esther Friedli
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Keystone

Esther Friedli ist 47-jährig und vertritt den Kanton St. Gallen im Ständerat. Vor ihrer Wahl in die kleine Kammer politisierte die SVP-Politikerin von 2019 bis 2023 im Nationalrat. Zusammen mit ihrem Ehemann, Ex-SVP-Präsident Toni Brunner, betreibt sie das Landgasthaus Sonne («Haus der Freiheit») in Ebnat-Kappel. Sie ist zudem als Beraterin für politische Kommunikation tätig.

Die SVP bezeichnet sich als Partei des Mittelstands. Ziel der Initiative ist es, ebendiesen Mittelstand von den stetig steigenden Prämien zu entlasten. Das müsste doch in Ihrem Sinne sein, Frau Friedli?

EF: Mit der Initiative fallen für Bund und Kantone 2030 bis zu 12 Milliarden Franken zusätzliche Ausgaben pro Jahr an. Die Prämien-Initiative ist eine reine Umverteilungsvorlage, bei der alle mehr bezahlen, aber nur eine Minderheit profitiert. Hinzu kommt eine regionale Umverteilung. Kantone mit hohen Gesundheitskosten würden vom Bund die grössten Zuschüsse erhalten. Das heisst: Die sparsamen Kantone in der Ostschweiz müssten ausgabenfreudige Kantone quersubventionieren. Das ist ungerecht und widersinnig. Und der Mittelstand wird damit massiv mehr belastet.

Handelt es sich bei der Initiative um ein teures Umverteilungsprojekt, das nur mit der Erhöhung von Steuern finanzierbar ist, Frau Roth?

FR: Die Kosten bestehen schon heute. Nur zahlen wir sie als Versicherte zu einem grossen Teil allein. Dies, obschon bei der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes versprochen wurde, dass wir nicht mehr als 8 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien bezahlen müssen. Heute zahlen wir im Schnitt 14 Prozent. So kann es nicht weitergehen.

Franziska Roth
WAHLEN 2023 - STAENDERAT - 2. WAHLGANG KANTON SOLOTHURN - Franziska Roth (neu), SP. (KEYSTONE/Parteien/Handout) === HANDOUT, NO SALES ===
Keystone

Franziska Roth sitzt seit November 2023 als Vertreterin des Kantons Solothurn im Ständerat. Zuvor war die 58-jährige SP-Politikerin von 2019 bis 2023 Nationalrätin. Nebst ihrer politischen Tätigkeit arbeitet sie als schulische Heilpädagogin.

Zu Beginn würden laut Bund jährlich 3,5 bis 5 Milliarden Franken mehr für Prämienverbilligungen eingesetzt. Wie soll das finanziert werden?

FR: Das Ja zur Initiative nimmt den Druck der explodierenden Prämien weg von der Bevölkerung und verschiebt ihn hin zu uns in die Politik. Das ist nötig und wichtig. Ein Ja zwingt Bund und Kantone dazu, den teuren Pfründen im Gesundheitswesen endlich den Riegel zu schieben. Sie sind gezwungen, die Finanzierung solidarischer auszugestalten. Das wiederum bedeutet etwas mehr soziale Umverteilung von oben nach unten. Und das wäre nur richtig so.

Wird die Initiative abgelehnt, tritt ein Gegenvorschlag in Kraft. Die Kantone müssten damit rund 360 Millionen Franken mehr in die Prämienverbilligung stecken – ein Bruchteil dessen, was die Initiative verlangt. Reicht das aus?

EF: Der Gegenvorschlag ist ein Kompromiss. Er versucht vor allem auch, den Kantonen Anreize zu geben, die Gesundheitskosten in ihrem Kanton zu senken. Wer also zum Beispiel über die Spitalplanung einen Beitrag zur Senkung der Gesundheitskosten leistet, bekommt mehr. Das ist ein guter Ansatz.

FR: Der Gegenvorschlag ist ein Tropfen auf den heissen Stein und reicht nicht einmal, um den letzten Prämienanstieg auszugleichen. Heute geht ein Fünftel der Bevölkerung nicht mehr zum Arzt, weil sie es sich nicht leisten können. Das ist wissenschaftlich nachgewiesen. Der Gegenvorschlag ist und bleibt ungenügend.

Wenn nicht mit einer Deckelung der Prämien – wo würden Sie ansetzen, um noch höhere Gesundheitskosten zu verhindern, Frau Friedli?

EF: Wir haben im Gesundheitswesen kaum Anreize, Kosten zu sparen. Und zwar bei keinem Akteur. Das bedeutet, wir müssen andere Anreize setzen. Anreize, damit sich eigenverantwortliches Handeln, aber auch Prävention lohnt. Wir alle sind da auch gefordert. Zudem müssen Doppelspurigkeiten abgebaut werden. Und die Kantone müssen bei der Spitalplanung besser zusammenarbeiten. Aktuell beraten wir im Parlament erneut ein Kostendämpfungspaket im Bereich der Gesundheit.

Seit dem Ja zur 13. AHV-Rente scheinen Initiativen, die einen Sozialausbau zur Folge haben, im Aufwind zu sein. Die Prognosen sagen ein knappes Rennen voraus. Was unternehmen Sie im Schlusssprint noch, um ein Ja respektive Nein am kommenden Sonntag zu erreichen?

FR: Wir mobilisieren auf allen Kanälen. Machen noch Flyer und Bahnhofsaktionen, Leserbriefe – die ganze Palette. Es ist uns ernst, wir wollen die Menschen mit den explodierenden Prämien nicht alleine lassen und dem Prämienwahnsinn endlich ein Ende setzen.

EF: Wir zeigen den Bürgerinnen und Bürgern nochmals auf, was die Prämien-Initiative der SP bedeutet: Sie pumpt mehr Geld ins Gesundheitswesen und ist reine Symptombekämpfung. Sparanreize gehen verloren. Die Initiative kostet Milliarden. Bezahlen müssen vor allem die sparsamen Kantone in der Deutschschweiz. Daher braucht es ein klares Nein zu dieser Initiative.


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