Heute stimmt die Schweiz über die Biodiversitätsinitiative ab. Das von Umwelt- und Landschaftsschutzorganisationen getragene Begehren verlangt von Bund und Kantonen, mehr für die Artenvielfalt zu tun. Das Wichtigste in Kürze:
Die Ausgangslage
Die biologische Vielfalt in der Schweiz hat seit 1900 abgenommen. Wissenschaft und Verwaltung, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und auch die Europäische Umweltagentur halten die heutigen Schweizer Mittel für den Erhalt der Artenvielfalt zwar für teilweise erfolgreich, wie der Bund schreibt. Doch sie genügten nicht. Der Bund gibt nach eigenen Angaben heute rund 600 Millionen Franken pro Jahr für die Biodiversität aus. Das meiste Geld geht an Landwirte, die die biologische Vielfalt fördern. Der Bund arbeitet zurzeit an einem zweiten Aktionsplan Biodiversität.
Zur Biodiversitätsinitiative hätte sich der Bundesrat einen indirekten Gegenvorschlag gewünscht. Dieser hätte unter anderem 17 statt wie heute 13,4 Prozent der Fläche für Tiere und Pflanzen zur Verfügung stellen wollen. Städte und Gemeinden hätten mehr für den Schutz der Artenvielfalt tun müssen. Doch der Gegenvorschlag scheiterte im Parlament. Die Initiative selbst empfehlen Bundesrat und Parlament zur Ablehnung.
Das will die Initiative
Die Initiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)» wurde Anfang September 2020 vom Trägerverein «Ja zu mehr Natur, Landschaft und Baukultur» eingereicht. Der Trägerverein wäre bereit gewesen, sein Begehren zurückzuziehen, hätte das Parlament den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates angenommen.
Die Initiative will Bund und Kantone verpflichten, die Artenvielfalt, die Landschaft und das baukulturelle Erbe besser zu schützen. Sie fordert für den Erhalt der Biodiversität mehr Flächen und mehr Gelder der öffentlichen Hand. Zahlengrössen nennt sie nicht. Schutzgebiete von gesamtschweizerischer Bedeutung müsste der Bund festlegen und kantonale Schutzgebiete die Kantone. Ausserdem verlangt die Initiative, die Natur, vielfältige Landschaften und schöne Ortsbilder auch ausserhalb von Schutzgebieten zu schonen.
Das sagen die Befürworter
«Schützen, was wir brauchen»: Das Ja-Komitee argumentiert, dass Biodiversität eine Lebensgrundlage und für die Wirtschaft und die Gesundheit der Menschen wichtig sei. Die Landwirtschaft sei zum Beispiel auf bestäubende Insekten angewiesen und auf dank Lebewesen in der Erde fruchtbare Böden. Und viele Touristinnen und Touristen kämen der schönen Landschaften und Ortschaften wegen in die Schweiz. Schützen und Nutzen könnten Hand in Hand gehen.
Die Schweiz tue heute zu wenig für ihre Natur und ihre Landschaften, der Handlungsbedarf sei dringend, macht das Initiativkomitee geltend. Zahlenmässige Vorgaben will es nicht machen. Denn der Erhalt der Biodiversität hänge nicht von einer bestimmten Fläche ab, sondern von der Qualität der Pflege und des Schutzes.
Hinter der Volksinitiative stehen sieben Trägerorganisationen, über sechzig Partnerorganisationen, 24 kantonale Komitees und über 150 lokale Gruppierungen. SP und Grüne empfehlen ein Ja.
Das sagen die Gegner
Nach Ansicht des Nein-Komitees würde die Biodiversitätsinitiative die Lebensmittelproduktion stark einschränken. 30 Prozent der Landesfläche würden praktisch unantastbar, macht das Nein-Komitee geltend. Diese Zahl werde zwar in der Initiative nicht genannt, sei als Zielgrösse der Initianten aber eindeutig.
Weiter gibt das Gegenkomitee zu bedenken, dass neben der Landwirtschaft auch die Stromproduktion mit erneuerbaren Energien eingeschränkt würde und ebenso die Wald- und Holzwirtschaft und die Nutzung von Berggebieten für den Tourismus. Das Gegenkomitee besteht aus Vertretern von Landwirtschaft, Energie- und Bauwirtschaft, Wald- und Holzwirtschaft, Wirtschaftsverbänden sowie Vertreterinnen und Vertretern von SVP, FDP und Mitte-Partei.
Dem Bundesrat ist die Initiative zu starr. In den Worten von Umweltminister Albert Rösti lässt der Text die Ausgewogenheit zwischen Biodiversität und Ortsbildschutz einerseits und den Interessen der Volkswirtschaft andererseits vermissen.
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