Herzog & de Meuron Schweizer Stararchitekten bauen erste Autobahnkirche im Land

Von Gil Bieler

20.2.2020

Es soll «eine Tankstelle für die Seele» werden, schwärmt der Dorfpfarrer: In Andeer GR ist die erste Autobahnkirche der Schweiz geplant. Die Architekten Herzog & de Meuron haben über das Projekt informiert.

Als Jens Köhre, Pfarrer der Evangelischen Kirchgemeinde Andeer, vor rund 20 Jahren von Deutschland in die Schweiz zog, war er erstaunt: Anders als bei den nördlichen Nachbarn gibt es hierzulande keine einzige Autobahnkirche. Das soll sich nun ändern: mit einem Neubau in Andeer, der grössten Gemeinde im Bündner Schamsertal, die über einen Halbanschluss an die A13 angebunden ist.

Nur: Was zeichnet eine Autobahnkirche überhaupt aus? Im Unterschied zu anderen Gotteshäusern würden darin keine Gottesdienste abgehalten, erklärt Köhre. «So können Reisende jederzeit eintreten, ohne befürchten zu müssen, dass sie einen Gottesdienst stören.» Eine Autobahnkirche sei ein Ort für die persönliche Andacht.



Im Innern der Kirche werde eine Bibel aufliegen und ein sogenanntes Anliegenbuch, in das Besucher ihre Gedanken notieren können. Auch ein Kreuz und Opferkerzen dürfen nicht fehlen. Ausserdem solle die Kirche Platz für mehrere Dutzend Besucher bieten, für Reisegruppen.

Ansonsten aber hatte der Pfarrer vorab keine konkreten Vorstellungen – für die Realisierung ist das renommierte Architektenbüro Herzog & de Meuron aus Basel verantwortlich, das gestern Mittwoch das Vorprojekt vorgestellt hat. Im Wesentlichen besteht der Bau aus einer Kirche, die von weit her zu sehen sein soll, sowie unterirdischen Räumlichkeiten.

«Keine Würstchenbude»

Die Gefahr, dass die Autobahnkirche einfach zu einem «Rastplatz plus Kirche» wird, sieht der Pfarrer nicht: «Wir bieten keine Shoppingmöglichkeiten und keine Würstchenbude», hält Köhre fest – und zeichnet wortgewandt das Bild einer «Tankstelle für die Seele».

Dass auch in der Schweiz ein Bedürfnis für eine Autobahnkirche besteht, daran zweifelt der Pfarrer nicht: «Ich bin überrascht, auf welch ein grosses Echo das Projekt gestossen ist.» Die 44 Autobahnkirchen in Deutschland werden Schätzungen zufolge von einer Million Menschen pro Jahr besucht.

So kennen die meisten Andeer: Ein Blick in das Bündner Bergdorf. 
So kennen die meisten Andeer: Ein Blick in das Bündner Bergdorf. 
Bild: Graubünden Ferien/Stefan Schlumpf

Begünstigend könnte sich auswirken, dass Andeer an der Nord-Süd-Achse liegt. Schon im Mittelalter kehrten Reisende in Wegkapellen in der Region ein, um sich göttlichen Beistand zu holen, bevor es über den Splügenpass oder durch die Viamalaschlucht ging  – an diese Tradition soll die Autobahnkirche nun anknüpfen. 

Finanziert werden soll der Neubau nach Möglichkeit allein über Spenden, ohne öffentliche Gelder. Eine Stiftung soll sich um die Realisierung und den Betrieb kümmern, die beiden Landeskirchen unterstützen das Projekt. Läuft alles rund, hofft Köhre auf einen Spatenstich im Jahr 2022 oder 2023.

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