Waffen aus der Schweiz «Die Linke muss akzeptieren, dass Pazifismus die Ukraine nicht rettet»

Monique Misteli und Alex Rudolf

21.2.2023

Die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats suchte und fand einen Kompromiss.
Die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats suchte und fand einen Kompromiss.
Keystone

Kommen in der Ukraine bald Schweizer Waffen zum Einsatz? Die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats ist dafür und unterbreitet dem Parlament einen Kompromiss. 

Monique Misteli und Alex Rudolf

21.2.2023

Panzer, Munition oder Artilleriegeschütze: Länder wie die USA, Grossbritannien oder Deutschland liefern der Ukraine Kriegsmaterial. Hingegen die Schweiz, als neutraler Staat, liefert weder direkt noch indirekt Waffen an Kriegsparteien. Das heisst, Staaten, die Schweizer Waffen gekauft haben, dürfen diese ebenfalls nicht weitergeben, ohne Einwilligung der Eidgenossenschaft.

Die zuständige Nationalratskommission schlägt nun einen Kompromiss mit verschiedenen Bedingungen vor, sodass die Weitergabe von Schweizer Waffen künftig im Ausnahmefall und nach einer Fünfjahresfrist erlaubt sein soll. Denn andere Staaten üben Druck aus auf die Schweiz.

Knappes Ja mit 12 zu 10 Stimmen

Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, handle es sich beim besagten Kompromiss um einen Vorschlag der Aargauer FDP-Nationalrätin Maja Riniker. Diesen habe die Kommission am Dienstabend knapp mit 12 zu 10 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen.

Einerseits werde nun die Nichtwiederausfuhr-Erklärung für Schweizer Waffen ausnahmsweise auf fünf Jahre befristet, wenn ein Land dieselben Werte wie die Schweiz vertritt. Die Weitergabe solle zudem nur erlaubt sein, wenn das Bestimmungsland andererseits von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch mache.

Entweder der UNO-Sicherheitsrat oder die UNO-Generalversammlung müssen festgehalten haben, dass das Land angegriffen wird. Dabei handelt es sich um einen Mischvorschlag zwischen jenen der SP und FDP (siehe Box).

Drei Vorschläge lagen bereits auf dem Tisch

Die Weitergabe von Kriegsmaterial beschäftigt die Schweiz schon länger: So liegen drei politische Vorstösse auf dem Tisch, die Lockerungen vorsehen: Die «Lex Ukraine», «Wiederausfuhr ermöglichen» und die «5-Jahres-Frist». Erst im Oktober 2021 hat das Parlament eine Verschärfung des Kriegsmaterialgesetzes beschlossen.

Darum geht es bei den Vorstössen

Vorstoss 1: «Lex Ukraine»
Die «Lex Ukraine» ist eine parlamentarische Initiative, lanciert von der Mitte-Partei. Damit sollen andere Nationen, Schweizer Kriegsmaterial an die Ukraine weitergeben dürfen, sofern diese mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine in Verbindung stehen.

Vorstoss 2: Wiederausfuhr ermöglichen
Die von der SP ins Leben gerufene Motion will eine Wiederausfuhr von Kriegsmaterial ermöglichen, wenn der UNO-Sicherheitsrat oder zwei Drittel der UNO-Generalversammlung einen Konflikt als völkerrechtswidrig einstufen. Laut Rechtsexperten brauche es für diesen Vorschlag zwingend eine Resolution des Sicherheitsrats, der im expliziten Fall wegen Russlands Veto-Recht undenkbar ist.

Vorstoss 3: 5-Jahres-Frist
Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerates (SIK-S) schlägt vor, dass westlich-demokratische Länder fünf Jahre nach dem Kauf keine Bewilligung zur Weitergabe mehr benötigen, falls die Waffen zur Selbstverteidigung eingesetzt werden. Der Clou: Zweifelhafte Kunden der Schweizer Rüstungsindustrie, wie Saudi-Arabien oder Pakistan, würden nicht profitieren.

Noch am Wochenende sah es danach aus, dass sich keine Lösung finden würde, da sich die Grünen und die SVP gemeinsam mit Teilen der SP dezidiert gegen die Änderung des Gesetzes gestellt haben. Die unheilige Allianz kam aber aus unterschiedlichen Gründen zustande. Die Linken beziehen sich auf pazifistische Motive, während die Rechten nicht an der Schweizer Neutralität ritzen wollen.

Dass es an der nächste Woche startenden Frühlingssession tatsächlich zu einer Einigung kommt, erachtet Oliver Strijbis, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Zürich und der Franklin University Switzerland, als eher unwahrscheinlich, sagt er zu blue News. «Es dürfte noch etwas Zeit brauchen.»

Was müsste geschehen, damit das Parlament der Gesetzesanpassung zustimmt? «In erster Linie braucht es massiven Druck auf jene linken Parlamentarier*innen, die sich dem Kompromiss widersetzen», sagt Strijbis. Aber müssten wohl in beiden Pol-Parteien Abweichler gefunden werden. «Die Linke muss akzeptieren, dass Pazifismus die Ukraine nicht rettet.»