Falsch abgerechnet Baselbieter Kinderarzt muss fast 900'000 Franken zurückzahlen

aru

8.2.2024

Der Kinder- und Jugendarzt sagt, dass er besonders viele Tuberkulose-Fälle behandelt habe und daher die Kosten in die Höhe geschossen seien.
Der Kinder- und Jugendarzt sagt, dass er besonders viele Tuberkulose-Fälle behandelt habe und daher die Kosten in die Höhe geschossen seien.
Quelle: Keystone/Themenbild

Weil seine Rechnungen so hoch ausfielen, wurde Santésuisse auf einen Kinder- und Jugendarzt aus dem Baselbiet aufmerksam. Nun stellt sich vor Bundesgericht heraus, dass er systematisch zu viel verrechnet hat.

aru

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • In vier Jahren verrechnete ein Baselbieter Kinderarzt der Krankenkasse beinahe 900'000 Franken zu viel.
  • Das Bundesgericht musste nun entscheiden, wie viel er den Krankenkassen nun zurückzahlen muss.
  • Der Arzt sagt, dass er auch besonders viele Erwachsene behandelt hat, was die Kosten hat in die Höhe schiessen lassen.

Knapp 900'000 Franken zu viel verrechnete ein Oberbaselbieter Kinderarzt den Krankenkassen in den Jahren 2013 bis 2016. Dies geht aus einem Bundesgerichtsurteil von vergangenem Herbst hervor. 

Wie die «Basler Zeitung» nun berichtet, waren seine Verfehlungen schon länger bekannt. Denn der Krankenversicherungsverband Santésuisse, der eine Kontrollfunktion hat, suchte das Gespräch mit dem betreffenden Arzt bereits im Jahr 2007.

Für seine hohen Rechnungen fand der Arzt mehrere Gründe. So behandle er auch viele Erwachsene, was kostenintensiver sei. Weiter habe er viele ausländische Patient*innen und müsse sich daher mehr Zeit für die Gespräche nehmen. Darüber hinaus habe er mehr komplexe Fälle gehabt als ein durchschnittlicher Kinder- und Jugendarzt. Beispielsweise habe er sieben- bis zehnmal so viele Tuberkulose-Fälle behandelt wie der Durchschnitt.

Das Bundesgericht folgte diesen Argumenten nur bedingt. Denn der Arzt habe nicht nachweisen können, dass es sich bei vielen seiner Patient*innen tatsächlich um Ausländer*innen handle. Es reiche nicht aus, auf viele ausländisch klingende Vornamen zu verweisen. Denn man könne davon ausgehen, dass darunter viele Patient*innen seien, die Deutsch sprechen würden, heisst es weiter.

Rückforderung wurde um 200'000 Franken gesenkt

Auch die Anzahl Tuberkulose-Fälle befand das Bundesgericht als zu tief, um tatsächlich ins Gewicht zu fallen. Es waren in den betreffenden vier Jahren deren zehn. Lediglich der Umstand, dass er mehr erwachsene Patient*innen habe als ein durchschnittlicher Kinder- und Jugendarzt, wirkte sich strafmildernd aus.

Die Rückforderungen von über einer Million Franken wurden daher um 200'000 Franken gesenkt. Santésuisse-Sprecher Matthias Müller spricht gegenüber der «Basler Zeitung» denn auch von einem besonders krassen Vergehen. So habe der Arzt in allen relevanten Kategorien weit überdurchschnittlich abgerechnet.

Zwar handle es sich um einen besonders schwerwiegenden Fall, der vor dem Bundesgericht verhandelt wurde. Doch ist nicht von der Hand zu weisen, dass es Schwächen beim Abrechnungssystem im ambulanten Bereich gibt. Der Arzttarif Tarmed beispielsweise ist bereits seit 20 Jahren in Kraft und gilt als veraltet, da er nicht berücksichtigt, dass Arztleistungen dank neuer Geräte weitaus schneller erbracht werden können. 

Ein weiteres Problem: Von den Patient*innen geht kaum eine Kontrollfunktion aus, da sie nicht wie in der Privatwirtschaft ein Produkt auch anhand des Preises kaufen oder nicht. Schliesslich begleichen die Krankenkassen die Rechnungen, wenn die Franchise aufgebraucht ist. Zudem fehlt Laien oft die Expertise, Arztrechnungen nachvollziehen zu können.

Santésuisse kontrolliert jährlich über 25'000 Fälle, wobei in rund sechs Prozent Unregelmässigkeiten festgestellt werden. Jährlich können so Rückzahlungen von rund fünf Millionen Franken an die Krankenkassen erwirkt werden, heisst es weiter.