Coronavirus Angst vor Infektionsherden: Clubs bleiben im Fokus

Von Gil Bieler

31.7.2020

«Superspreader» – was Sie zum Thema wissen müssen

«Superspreader» – was Sie zum Thema wissen müssen

Ein Superspreader ist eine infizierte Person, die viele andere ansteckt. Oder doch nicht? Warum es nicht ganz so einfach ist, jetzt im «Bluewin»-Videoexplainer.

08.07.2020

Ansteckungen im Nachtleben lösen schnell einmal Hunderte Quarantänefälle aus. Dennoch nennen die Behörden nicht in jedem Fall die Namen der betroffenen Clubs.

Wenn es um Neuinfektionen mit dem Coronavirus geht, steht das Nachtleben besonders im öffentlichen Fokus – nicht erst, seit die Fallzahlen wieder markant ansteigen. Die Bar- und Clubkommission Zürich wird heute Nachmittag eine Coronazwischenbilanz ziehen («Bluewin» berichtet). 

Pascal Strupler, Direktor des Bundesamts für Gesundheit (BAG), griff das Thema auch an der Medienkonferenz vom Donnerstag auf: Obwohl die meisten Ansteckungen anderswo erfolgten – etwa in der Familie oder im Ausland –, sei die Kontrolle in Clubs und Bars wichtig. Denn dort könne es sehr schnell zu einem Massenausbruch kommen.

Das BAG empfiehlt den Kantonen daher nebst einer Maskenpflicht beim Einkaufen auch eine obligatorische Kontrolle der Kontaktdaten in Ausgehlokalen. Ausserdem sollte die maximale Gästezahl von 300 auf 100 Personen gesenkt werden.

Gefahr des Massenausbruchs

Dass ein Infektionsfall im Nachtleben weitreichende Folgen haben kann, zeigte sich diese Woche erneut. Der Kanton Freiburg meldete ebenfalls am Donnerstag: 240 Personen müssen in Quarantäne, weil eine infizierte Person drei Bars und Clubs besucht hatte. Die Betroffenen wurden per SMS kontaktiert.

Um welche Lokale es sich genau handelt, blieb unklar. Mitgeteilt wurde einzig, dass sich diese im Saanebezirk befinden. Und dass eines der Lokale vorübergehend geschlossen wurde, weil sich bei den Kontrollen gezeigt hatte, dass die Sicherheitsauflagen nicht eingehalten worden waren.



Dabei handelt es sich um die QG-Bar in Farvagny, wie Yannick Ragot von der kantonalen Direktion für Gesundheit und Soziales auf Anfrage von «Bluewin» sagt. «Die Namen der anderen kontrollierten öffentlichen Gaststätten, die die Konformität der Schutzkonzepte und deren Umsetzung beachten, werden nicht kommuniziert.»

Sollen Kantone den Clubnamen nennen?

Andere Kantone gehen in ähnlichen Fällen transparenter vor. Bern etwa nannte kürzlich explizit den Namen des Clubs Kapitel Bollwerk, als dort ein Coronafall festgestellt und das Lokal vorübergehend geschlossen wurde. Alle 305 betroffenen Partygängerinnen und -gänger wurden in Quarantäne gesetzt.

Auch Zürich nannte den Club Flamingo explizit beim Namen, als sich dort Ende Juni der erste «Superspreader»-Vorfall im Kanton ereignete. Bei nachfolgenden Fällen wurden die Clubnamen dagegen nicht genannt.

«Grundsätzlich gehen wir bei den Clubs so vor wie bei anderen Ansteckungsquellen und nennen die Namen der betroffenen Organisationen nicht gegenüber der breiten Öffentlichkeit», sagt Patrick Borer, Sprecher des kantonalen Gesundheitsamtes, auf Anfrage. Bei bestimmten Grossereignissen könne die Bekanntgabe des Namens aber aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein: «Beim Flamingo Club handelte es sich um den ersten Superspreader-Event in der Schweiz, worüber wir die Öffentlichkeit transparent informieren wollten.»

Dass die Behörden in einigen Fällen keine Clubnamen öffentlich machen, findet Epidemiologe Marcel Tanner in Ordnung. «Man muss auch an die möglichen geschäftsschädigenden Folgen für die Lokalbetreiber denken», sagt der Forscher, der auch Mitglied der wissenschaftlichen Covid-19-Taskforce des Bundes ist.

Es sei zudem nicht entscheidend, dass jemand in Basel wisse, welches Grotto im Tessin betroffen sei. Viel wichtiger sei es, dass schnell Massnahmen ergriffen würden und die Clubbetreiber die Ausweispflicht konsequent durchsetzen – und dass die lokalen und kantonalen Behörden einschreiten, wenn es wiederholt Probleme geben sollte.

Müsse ein Kanton auf einmal 300 oder mehr Personen in Quarantäne überwachen und ihre Kontakte nachverfolgen, komme das Contact Tracing rasch einmal an den Anschlag, warnt Tanner. Zudem werde das System durch die Reisetätigkeit zusätzlich belastet, da bei der Heimkehr aus Risikoländern ebenfalls eine Quarantäne eingehalten werden muss.

Überprüft wird per Stichproben

Beim Kanton Freiburg verfügt man über 10,5 Vollzeitstellen für das Contact Tracing. Bei «besonderen Situationen» würden die Ressourcen rechtzeitig aufgestockt, sagt Yannick Ragot. Ob die Personen, die eine Quarantäne absitzen müssen, die Vorgaben befolgen, werde mit Stichproben überprüft. Bei Verstössen könne die fehlbare Person «gestützt auf das Epidemiengesetz (EPG) strafrechtlich verfolgt werden», so Ragot.

Schweizweit befinden sich aktuell rund 9'000 Personen in Quarantäne. Das sei ein gutes Zeichen, sagte Patrick Mathys vom BAG an der Medienkonferenz: «Es zeigt, dass sich Rückreisende ihrer Verantwortung bewusst sind.» Gleichzeitig müsse man natürlich damit rechnen, dass nicht jeder sich an die Quarantänepflicht halte. Obwohl gerade das in der derzeitigen Situation «nicht wünschenswert» sei.

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