Sommer 2024Badis trotzen dem verregneten Sommer – doch andere trifft es richtig hart
Von Stefan Michel
22.7.2024
Ein Besuch in einem Zürcher Seebad zeigt: Die städtischen Betreiber kommen mit der verregneten Saison gut zurecht. Anders sieht es bei den privaten Badi-Beizen und Aushilfe-Mitarbeitenden aus.
Von Stefan Michel
22.07.2024, 04:30
22.07.2024, 08:21
Stefan Michel
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die erste Hälfte der Badesaison 2024 ist vom Regen geprägt. Die Zürcher Freibäder haben nur halb so viele Gäste empfangen, wie im gleichen Zeitraum 2023.
Das ist besonders für Aushilfs-Bademeister*innen ein Problem, die deutlich weniger arbeiten können, als in einer normalen Saison.
Eine grosse Herausforderung ist die Saison 2024 auch für Gastro-Betriebe in Bade-Anstalten. Die Kosten übersteigen die Einnahmen bei Weitem.
Ein weiterer trüber Tag im Seebad Tiefenbrunnen in Zürich. Nichts Neues für Betriebsleiter Adi Kehl. Er arbeitet seit 21 Jahren in Zürcher Freibädern. Die Saison 2024 sei nicht besonders schlecht. «Aber natürlich hätten wir gern besseres Wetter und mehr Leute.»
Das Sportamt der Stadt Zürich liefert die Zahlen zur ersten Saison-Hälfte 2024: 605'000 Eintritte habe es bis am 14. Juli gezählt. «Das entspricht ungefähr der Hälfte der Eintritte im gleichen Zeitraum 2023, die allerdings die stärkste Saison überhaupt war.»
Dass Kehl die Situation nicht als dramatisch einschätzt, liegt möglicherweise auch daran, dass er seine Festangestellten trotzdem braucht, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Das Bad am Zürichsee öffnet jeden Tag, schliesst aber um 14 Uhr, wenn das Wetter allzu schlecht ist. Kehl erzählt: «Auch bei Regen gibt es Menschen, die hier schwimmen wollen.»
An wie vielen Tagen er die Tore schon Anfang Nachmittag schloss, weiss er nicht auswendig. «Ich bin gehalten, mit den Ressourcen sorgsam umzugehen. Das beinhaltet auch, die Angestellten nach Hause zu schicken, wenn es nichts mehr zu tun gibt.»
Schwierige Situation für Aushilfen im Stundenlohn
Ein grosser Teil der Belegschaft an einem Tag sind Festangestellte. Haben sie früher Feierabend, schreiben sie Minusstunden, die sie an den Sonnentagen aufholen. «Diese Tage können sehr lang werden», erklärt Kehl. Die Angestellten der Zürcher Badis dürfen in einer Woche maximal 50 Stunden und in zwei Wochen nicht mehr als 100 arbeiten.
In 21 Saisons habe er eine einzige mit einem negativen Arbeitsstunden-Saldo abgeschlossen: «Ich hatte eine halbe Stunde zu wenig.» Er ist sicher: Auch dieses Jahr werden sich Minus- und Überstunden ausgleichen.
Anders sieht es für die Aushilfen aus, auf die die Zürcher Badis an heissen Tagen angewiesen sind. Erhalten sie vier Tage oder mehr vor ihrem Einsatz eine Absage, gibt es keinen Lohn. Ist diese Frist bereits verstrichen, finde er eine Aufgabe, sagt Kehl: «Es gibt immer etwas zu reinigen oder zu reparieren.» Beim anhaltend nassen Frühsommer 2024 gab es dennoch deutlich weniger Einsätze für Aushilfen.
Mit Badi-Mitarbeitenden, die im Stundenlohn und auf Abruf arbeiten, darf blue News nicht sprechen. Kehl räumt ein, dass der viele Regen einige von ihnen schon in eine schwierige finanzielle Lage bringe. «Einige schauen sich auch nach anderen Einkommensmöglichkeiten um.»
Badi-Restaurants schreiben Verluste
Besonders schwierig ist die verregnete Badesaison für Gastrobetriebe. Diese mieten die Restaurants in den Zürcher Badis und Geschäften auf eigenes Risiko.
Im Freibad im Zürcher Seefeld ist ein Teil der Gastro-Fläche an die Abreise AG vermietet. Deren Inhaber Bernard Kohli spricht Klartext: «Eine Badesaison hat rund 120 Tage. Jetzt ist mehr als die Hälfte um und es gab noch fast keine guten Tage.» Die Einkünfte lägen 65 Prozent tiefer als im langjährigen Schnitt. Andere Betreiber von Badi-Beizen berichten im «Blick» von bis zu 80 Prozent Umsatzeinbusse.
Ein Betriebstag koste ihn im Minimum 1000 Franken, auch wenn er kaum etwas verkauft, rechnet Kohli vor. Er zahlt Löhne, muss Speisen einkaufen, die verderben, Herd, Kühlschrank und weitere Küchen-Ausrüstung ist geleast – «für fünf Monate im Jahr lohnt es sich nicht, diese Geräte zu kaufen» – all diese Kosten fallen an, ob er damit Einnahmen erzielt oder nicht.
Kohli wirtet zwar erst seit zwei Saisons im Strandbad Tiefenbrunnen, aber seit 27 Jahren in verschiedenen Zürcher Badis. «Eine so schlechte erste Saison-Hälfte gab es in dieser ganzen Zeit ein einziges Mal.»
Aushilfen suchen sich neuen Job
Auch Kohli beschäftigt freie Mitarbeitende auf Stundenlohn-Basis. Diese verdienen weniger, als sie sich erhofft haben. «Zuerst versuchen wir, sie in anderen Bereichen einzusetzen, beispielsweise bei Caterings, die wir auch anbieten.» Das sei aber nicht immer möglich.
«Manche suchen sich einen anderen Job, was aktuell glücklicherweise relativ einfach ist», meint er dazu. Möglich, dass sie nicht zurückkehren, wenn sich das Wetter zum Guten wendet und die Badegäste sein Restaurant im Pavillon stürmen.
Die Regen-geprägte Badesaison 2024 bedrohe sein Unternehmen nicht in der Existenz. Sie hätten in guten Jahren Reserven angelegt. Anderseits sei es seit der Corona-Pandemie schwierig, eine ordentliche Rendite zu erwirtschaften. 90 Sonnentage während der Badesaison von 120 Tagen seien der langjährige Durchschnitt und ab dieser Dauer schreibe er einen Gewinn. Sind es weniger Tage, frässen die Betriebskosten die Reserven. «Geht es so weiter, brauchen wir unsere Rücklagen des Restaurants in der Badi Tiefenbrunnen komplett auf.»
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