Mütter und Polit-Karriere Einer muss in den Hintergrund treten

Von Monique Misteli

12.11.2022

Schweizer*innen blicken oft neidisch auf die nördlichen Länder, wenn es um Vereinbarkeit von Karriere und Familie geht. Immerhin: Trotz unterschiedlicher Rahmenbedingungen haben alle etwas gemeinsam.

Von Monique Misteli

Unbestritten ist: Wer eine Topposition in einem Unternehmen oder ein Amt in der Landesregierung einnimmt, muss praktisch rund um die Uhr verfügbar sein. Und bei der Familienzeit deutliche Abstriche machen. Das gilt für Frauen wie Männer.

Während die Schweizer Wirtschaft sich allmählich aufmacht, Karriere und Familie besser zu vereinbaren, fällt auf, dass in der Schweiz Frauen mit kleinen Kindern kaum politische Spitzenämter bekleiden. Nationalratspräsidentin Irène Kälin (Grüne, AG) dürfte die wohl bekannteste Ausnahme sein.

Das kritisiert die SP mit Hinblick auf die bevorstehenden Bundesratswahlen. Zumal es im Ausland – besonders in den nordeuropäischen Ländern – einige Beispiele gibt, wo sich Familien so organisiert haben, dass die Mutter Politik auf höchster Ebene betreiben kann. Doch zu welchen Bedingungen?

Naheliegend scheint, dass Personen in solch exponierten Jobs zu den Privilegierten gehören, die ausreichend Einkommen und Ressourcen haben, um eine Kinderbetreuung ausserhalb des Familien- und Freundeskreises zu organisieren.

Doch bei genauerem Hinschauen zeigen die Beispiele der Ministerpräsidentinnen aus Finnland, Dänemark, Deutschland und Italien, dass trotz grösstenteils fortschrittlicherer Rahmenbedingungen alle einen gemeinsamen Nenner haben: Die Partner halten den Politikerinnen den Rücken frei.

Ein Prinzip, dass im umgekehrten Fall als logisch und kaum nennenswert gilt. Sind Väter die Spitzenpolitiker, wird die Betreuungsfrage kaum je gestellt. Prominentestes Beispiel ist der heutige Gesundheitsminister Alain Berset. Das zeigt ein Blick ins schweizerische Medienarchiv. Zum Zeitpunkt seiner Bundesratskandidatur waren seine Kinder sechs, vier und zwei Jahre alt.

Die Partner treten in den Hintergrund

So haben die Partner der europäischen Spitzenpolitikerinnen ihre beruflichen Ambitionen zurückgeschraubt, zumindest zeitweise.

Etwa der Ehemann der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin (37). Die vierjährige Tochter besucht eine staatliche Kita. Das Land hat eine stark ausgebaute Betreuungsinfrastruktur für Kinder im Vorschulalter, die zu 75 Prozent von den Gemeinden, die restlichen 25 Prozent vom Staat getragen werden.

Die einjährige Elternzeit hätten sich die Politikerin und ihr Mann Markus Raikkönen geteilt. In einem Interview gab Marin mal preis, dass ihr Mann, der im Tech-Bereich arbeitet, im Beruf flexibler sein müsse. Sei die kleine Tochter krank, seien entweder er oder Marins Mutter zur Stelle, erzählte Marin.

Auch der Partner der kürzlich gewählten italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sei gemäss Medienberichten nun im Hintergrund tätig. Die 45-Jährige und Andrea Giambruno haben gemeinsam eine sechsjährige Tochter. Der Journalist habe seinen Moderatoren-Job aufgegeben und sei nun primär Hausmann, heisst es weiter. Zudem habe die Familie eine Nanny engagiert.

Bereits für den Wahlkampf hat Daniel Holefleisch, Partner von Aussenministerin Annalena Baerbock (41), seinen Job bei der Deutschen Post gekündigt, um sich um die Kinder zu kümmern. Schon davor hatte er sein Pensum reduziert, damit Baerbock ihre Karriere vorantreiben konnte. «Mein Mann ist es, der sich vor allem um Kita, Schule, Hausaufgaben und Pausenbrote kümmert», sagte Baerbock 2021 der «Bild am Sonntag».

Die beiden Kinder der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen (44) waren bei ihrem Amtsantritt im Jahr 2019 längst im schulpflichtigen Alter. Dennoch habe ihr Umfeld in der Erziehung den Rücken freigehalten, um das Amt als ausführen zu können, sagte Frederiksen. Ob und wie ihr Partner in den Hintergrund getreten ist, ist nicht bekannt.