TötungsvorwurfSterbehelferin wehrt sich in stundenlanger Anhörung vor Gericht
SDA
30.4.2021 - 14:37
Der Berufungsprozess im Fall der Sterbehelferin Erika Preisig ist heute angelaufen. Die Ärztin musste sich in Liestal in der mehrstündigen Befragung erneut dem Vorwurf der vorsätzlichen Tötung stellen.
SDA
30.04.2021, 14:37
SDA/lpe
Der Fall geht auf einen von Erika Preisig begleiteten Freitod einer 66-jährigen suizidalen Frau zurück. Strafrechtlich strittiger Punkt dabei war, dass die Hausärztin und Präsidentin der Sterbehilfeorganisation Eternal Spirit in Aktion getreten war, ohne dass sie ein unabhängiges psychiatrisches Gutachten zur Urteilsfähigkeit der Patientin eingeholt hatte.
Die Baselbieter Staatsanwaltschaft brachte erneut den Straftbestand der vorsätzlicher Tötung in mittelbarer Täterschaft zur Debatte. Das Baselbieter Strafgericht hatte Preisig im Juli 2019 in diesem Hauptanklagepunkt aber freigesprochen.
Das Strafgericht hatte sie erstinstanzlich aber wegen Verstössen gegen das Heilmittelgesetz zu 15 Monaten bedingtem Freiheitsentzug und 20'000 Franken Busse verurteilt. Sie habe das Sterbemittel bereitgestellt, ohne das dazu notwendige fachärztliche Gutachten eingeholt zu haben.
Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Beschuldigte hatten gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt. Die Beschuldigte plädierte auf vollständigen Freispruch von allen Anklagepunkten. Der Berufungsprozess zur Neubeurteilung des Falls wurde von einem starken Polizeiaufgebot begleitet.
Strittiger Punkt der Urteilsfähigkeit
Preisig verteidigte vor dem Kantonsgericht in einer bislang viereinhalbstündigen Befragung erneut ihr Vorgehen. Dabei ging es wiederum vor allem um den strittigen Punkt der Urteilsfähigkeit der Patientin. Sie habe die Frau nie als explizit depressiv und entsprechend stets als urteilsfähig wahrgenommen, sagte sie.
Preisig betonte wiederholt, dass die Patientin durchaus stark unter somatischen, also körperlichen Beschwerden gelitten habe und nicht nur unter einer schweren psychischen Erkrankung mit psychosomatischen Beschwerden, wie es im einen psychiatrischen Gutachten geheissen hatte, das nach dem Tod der Frau auf Anweisung der Staatsanwaltschaft erstellt worden war.
Sie hätte, um sich rechtlich abzusichern, aber trotzdem gerne einen Psychiater oder eine Psychiaterin für ein Gutachtern beigezogen, sagte Preisig weiter. Aufgrund von Erfahrungen aus der Vergangenheit habe sie dieses Unterfangen aber als aussichtslos beurteilt. Unzählige Anfragen um psychiatrische Gutachten seien stets abgewiesen worden. Bei Todeswünschen werde hier abgeblockt.
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Den Vorwurf aus dem gerichtlichen Fachgutachten, dass sie die Willensäusserung mit Urteilsfähigkeit verwechselt habe, wies Preisig als nicht nachvollziehbar zurück. Die Patientin habe stets ein hohes Mass Erkenntnisfähigkeit offenbart, was auf ihre Urteilsfähigkeit schliessen lasse.
Wegweisender Fall für Sterbehilfe
Das Kantonsgericht wird das Urteil am 7. Mai eröffnen. Es ist davon auszugehen, dass der Fall damit aber nicht abgeschlossen sein wird.
Der Fall Preisig hat für die Sterbehilfe in der Schweiz einen wegweisenden Charakter. Es geht nicht zuletzt um die Klärung der gesetzlich nicht geregelten Frage, bei welchen Diagnosen ein psychiatrisches Fachgutachten notwendig ist. Es ist davon auszugehen, dass das Bundesgericht in diesem Fall das letzte Wort haben wird.
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