Rangliste der Knastausbrüche Platz eins in Europa – Warum in der Schweiz so viele Häftlinge fliehen

tafi

3.4.2019

In keinem anderen europäischen Land fleihen so viele Gefangene aus dem Strafvollzug wie in der Schweiz.
In keinem anderen europäischen Land fleihen so viele Gefangene aus dem Strafvollzug wie in der Schweiz.
Keystone / Symbolbild

Nirgendwo in Europa fliehen so viele Gefängnisinsassen aus dem Strafvollzug wie in der Schweiz. Ein Lausanner Kriminologie-Professor findet das aber gar nicht so schlimm.

«Ich bin dann mal weg» – das sagten 2017 in der Schweiz etwa 255 Häftlinge pro 10'000 Gefängnisinsassen. In keinen anderen europäischen Land ist die Zahl so hoch, berichtet SRF. Die Schweiz führt damit die Rangliste im Space-Report an, der von Marcelo F. Aebi für den Europarat erstellt wurde. Der Lausanner Kriminologie-Professor vergleicht darin die Gefägnissystem von 47 Ländern in Europa.

Aebis Bericht zeigt, dass auch in Skandinavien recht häufig getürmt wird: In Finnland waren es 2017 252, in Schweden 238 pro 10'000 Häftlinge, die aus ihren Strafvollzug eigenmächtig beendeten. In anderen Ländern Europas sind die Zahlen deutlich niedriger: In Frankreich flüchten 88, in Deutschland 61 und in Spanien gerade mal zwei pro 10'000 Gefangene.

Ein wirkliches Problem sei die hohe Zahl von flüchtenden Gefangenen in der Schweiz allerdings nicht, betont Marcelo Aebi.«Was aussieht wie ‹bad news›, sind in Wahrheit ‹good news›», sagt er im SRF Fernsehen. Denn die Schweiz setze stark auf den offenen und halboffenen Strafvollzug, der die Reintegration von Kriminellen in die Gesellschaft erleichtert. Am Ende ihrer Haftzeit würden die Gefangenen dadurch wieder an die Freiheit gewöhnt.



«Freiheit kann man nicht im Gefängnis lernen», ist sich Aebi sicher. Länder mit einem restriktiven Gefängnissystem hätten langfristig im Schnitt eine Rückfallrate von rund 50 Prozent. «In Ländern mit einem offenen Strafvollzug beträgt die Rückfallrate bei Erwachsenen – gemessen an erneuten Verurteilungen – gemäss Studien bei 38 Prozent.» Zudem hätten Länder mit offenem Vollzug im Schnitt eine viel geringere Population an Gefägnisinssassen.

Die hohen Fluchtquoten seien demnach ein Preis, den die Schweiz für ein menschliches Gefägnissystem zahlen würde. Ausserdem würden die Strafvollzugsbehörden in der Schweiz sehr genau hinschauen, wen sie in den offenen Vollzug lassen. Schaue man sich die klassischen Gefängnisausbrüche aus geschlossenen Haftanstalten an, so ist diese Zahl in der Schweiz stark rückläufig. 2011 brachen 25 Häftlinge aus, 2017 nur noch sechs.

Bilder aus der Schweiz

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