Kriminalitätsbekämpfung «Kantönligeist» bei der Polizei – und die Kriminellen sagen Dankeschön 

uri

19.8.2019

Die Polizeikorps der Kantone nutzen modernste Software – dürfen ihre Ergebnisse aber nicht abgleichen. (Symbolbild)
Die Polizeikorps der Kantone nutzen modernste Software – dürfen ihre Ergebnisse aber nicht abgleichen. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Serientäter, Terroristen und internationale Diebesbanden haben es in der Deutschschweiz noch immer leicht – weil Polizeidatenbanken nicht verknüpft sind. Das wollen fünf Kantone nun ändern.

Kantonale Polizeidatenbanken in der Deutschschweiz sind, mutmasslich sehr zur Freude von Kriminellen, noch immer nicht verknüpft. Die fünf im Nordwestschweizer Polizeikonkordat zusammengeschlossenen Kantone möchten den polizeilichen elektronischen Datenaustausch nun aber regeln. Die Baselbieter Regierung hat eine interkantonale Vereinbarung zur Kriminalitätsbekämpfung bereits in die Vernehmlassung gegeben.

Der Fall des Terroristen Chérif C., der im Dezember 2018 auf dem Strassburger Weihnachtsmarkt einen islamistischen Anschlag verübte und fünf Menschen erschoss, ist nur ein besonders tragisches Beispiel: Der bis dahin als kleinkrimineller Serientäter gesuchte C. war noch wenige Wochen zuvor in der Schweiz unterwegs, wurde in Basel-Stadt straffällig und sass dort auch im Gefängnis.

Aber nicht einmal im Kanton Basel-Landschaft hatte man direkten Zugriff auf die neuesten Erkenntnisse. Wie die NZZ schreibt, wurden diese «noch immer per Mail nach Liestal übermittelt – und dort separat weiterbearbeitet.»

Austausch bisher per Telefon und Mail

Auch für professionelle und gut vernetzte Einbrecher- und Diebesbanden gilt, dass der «Kantönligeist» ihnen das Handwerk leicht macht: Der Informationsaustausch zwischen den kantonalen Polizeikorps erfolgt noch immer auf konventionellem Weg mittels wöchentlicher Rapporte, per Mail und Telefon, wie die Zeitung weiter schreibt.



Gemeinsame Datenbanken, die einen schnellen und direkten Zugriff erlauben, unterhalten lediglich sechs Westschweizer Kantone, während die Deutschschweiz hinterhinkt. Doch obwohl auch hier modernste Software und Datenbanken genutzt werden, dürfen die Ergebnisse zwischen den Kantonen wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen noch nicht abgeglichen werden. Kriminelle aller Art können das effektiv ausnutzen: Durch den Wechsel in den Nachbarkanton verschwinden sie von der Bildfläche der Ermittler.

Ändern wollen diesen Zustand nun die Kantone Bern, Aargau, Solothurn, Basel-Stadt und Basel-Landschaft. Unter Führung der Baselbieter Polizei will man hier den vereinfachten Datenaustausch vorantreiben, damit «Verbrechensmuster ohne bürokratische Verzögerung über die Kantonsgrenzen hinweg erkannt werden».

Notfalls will der Nationalrat aktiv werden

Grundlage für den vereinfachten Datenaustausch ist eine Vereinbarung, die nun den Kantonsparlamenten vorgelegt wird. «Damit verfügen die beteiligten Kantone voraussichtlich schon im nächsten Jahr über die gesetzliche Grundlage, um zumindest im Bereich der seriellen Kriminalität Daten austauschen zu können», sagte der baselstädtische Polizeidirektor Baschi Dürr der NZZ.



Dass endlich Bewegung in die schon seit Jahren angedachte Vernetzung der kantonalen Polizeibehörden kommt, wird von Roger Schneeberger, dem Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Polizeidirektoren (KKJPD), begrüsst. Er fordert in der NZZ: «Wir müssen personen- und ereignisbezogene Polizeidaten dringend austauschen können.»

Auch in Bern will man handeln. So forderte die Aargauer FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger in einem Vorstoss im Juni, man müsse die Schweiz als einheitlichen Kriminalitätsraum betrachten, um die internationale Kriminalität effektiv zu bekämpfen. Der Nationalrat beschloss, dass man notfalls eine eigene gesetzliche Grundlage vorlegen müsse, sollten die Kantone es nicht schaffen, zu gemeinsamen Regeln zu kommen.

Bilder aus der Schweiz
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