Belarus-Wahlen «frei und fair» Lukaschenko darf sich über SVP-Lob freuen

gbi

27.2.2024

Alexander Lukaschenko regiert Belarus seit 1994 mit harter Hand, hier zu Besuch bei einer Truppenübung. 
Alexander Lukaschenko regiert Belarus seit 1994 mit harter Hand, hier zu Besuch bei einer Truppenübung. 
AP/dpa

Die Wahlen in Belarus waren frei und fair: Zu dieser Einschätzung kommen ein Zuger SVP-Kantonsrat und ein Ex-SVP-Politiker aus dem Baselbiet. Sie waren als Wahlbeobachter in das autokratische Land gereist.

gbi

27.2.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der Zuger SVP-Kantonsrat Patrik Kretz und der ehemalige SVP-Politiker Wilhelm Wyss haben in belarussischen Medien die Parlamentswahlen vom vergangenen Sonntag gelobt.
  • Die beiden waren als Wahlbeobachter in das autokratisch regierte Land eingeladen worden. Die Reise habe das Aussenministerium in Minsk bezahlt, sagte Wyss zu den Tamedia-Titeln.
  • Dass die Wahlen wirklich frei waren, ist fraglich: Oppositionsparteien waren gar nicht erst zugelassen, und auch Wahlbeobachter*innen der OSZE durften nicht einreisen. 

Die Menschen in Belarus sollten am Sonntag ein neues Parlament wählen. Doch von einer freien Wahl mögen viele internationale Beobachter*innen nicht sprechen – schliesslich überliess Machthaber Alexander Lukaschenko, oft als «Europas letzter Diktator» bezeichnet, nichts dem Zufall.

Oppositionsparteien waren gar nicht erst zur Wahl zugelassen. Eine Folge der Präsidentenwahl im Sommer 2020, die zu langanhaltenden Massenprotesten in dem autokratisch regierten Land geführt hatte.

«Die Parlaments- und Regionalwahlen verliefen ganz im sowjetischen Geiste: Kein Kampf um die Macht, sondern ein Festtag», schreibt das auf Belarus-Themen spezialisierte Portal «Dekoder». «Den Wahlzettel wirfst du nebenbei ein, als symbolische Geste: Alles steht schon vorher fest.»

Ganz anders äussern sich ein SVP-Politiker aus Zug und ein ehemaliger SVP-Politiker aus dem Baselbiet, die am Wahltag beide vor Ort waren, wie die Tamedia-Zeitungen berichten. «Nach allem, was wir heute gesehen haben, können wir sagen, dass alles gut organisiert ist», werde der Zuger Kantonsrat Patrik Kretz in belarussischen Medien zitiert. «Die Menschen gehen motiviert und gut gelaunt zur Wahl.»

«Die Menschen gehen motiviert und gut gelaunt zur Wahl.»

Patrik Kretz

Zuger SVP-Kantonsrat 

Die Wahlen seien «frei und fair» gewesen, lobte Wilhelm Wyss, ehemaliges Vorstandsmitglied der SVP Münchenstein BL. Die Abläufe hätten höchsten internationalen Standards entsprochen. Und weiter sagte er den Tamedia-Titeln: Staaten, die vom Westen mit Sanktionen belegt würden, befänden sich immer «auf der richtigen Seite der Geschichte».

Zur Erinnerung: Die EU erliess ihre Sanktionen gegen Belarus nicht nur wegen der mutmasslich gefälschten Präsidentschaftswahlen 2020, sondern auch wegen dessen Unterstützung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Schweiz übernahm die Sanktionen weitgehend. 

AfD war willkommen, OSZE musste draussen bleiben

Die beiden Schweizer waren als angeblich unabhängige Wahlbeobachter nach Belarus gereist, nebst Politiker*innen unter anderem der Rechtsaussen-Partei Alternative für Deutschland (AfD) und der italienischen kommunistischen Partei Patricia Socialista. Die auf Wahlbeobachtung spezialisierte Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) war dagegen nicht willkommen.

Sowohl Kretz als auch Wyss sitzen im Vorstand der Aktionsgruppe Jugend für Ehe und Familie. Der Verein setzt sich für traditionelle Familienwerte ein und will etwa die Homo-Ehe sowie Geschlechtsumwandlungen verbieten. «Besonders sind intime Schutzzonen wie öffentliche Umkleidekabinen, Toiletten und gemeinschaftliche Duschen von der Transideologie zu schützen», heisst es im Programm des Vereins. 

Wyss fiel laut Bericht auch schon mit Sympathien für Kreml-Chef Putin auf. Im vergangenen Jahr habe er den Verein Russisch-Schweizerischer Freundschaft gegründet. Zudem habe er den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auf der Plattform X (damals noch Twitter) gutgeheissen und mit einem T-Shirt mit dem Z-Symbol posiert, das Unterstützung für Russlands Kriegseinsatz signalisiert. Im Oktober 2023 gratulierte er Putin auch zum Geburtstag. Ehe es zu einem Ausschluss aus dem Vorstand der SVP Münchenstein kommen konnte, habe er seinen Austritt gegeben.

Als Privatperson nach Minsk gereist

Wyss erklärte, er sei von der belarussischen Botschaft in Bern angefragt worden, ob er als Wahlbeobachter in das osteuropäische Land reisen wolle. Die Kosten für Reise und Unterkunft habe das Aussenministerium in Minsk übernommen.

Der Zuger SVP-Kantonsrat Patrik Kretz reiste dem Bericht zufolge ohne Wissen seiner Partei und als Privatperson nach Belarus. Das sei «aber auch sein gutes Recht», wird der Zuger SVP-Parteichef Thomas Werner zitiert.

Kritisch äussert sich der Züricher SVP-Nationalrat Alfred Heer, der selber für den Europarat mehrere Wahlbeobachtungsmissionen geleitet hat: Natürlich sei es nicht verboten, eine solche Einladung anzunehmen. «Die Gefahr, dass man bei solchen Beobachtungen manipuliert wird, ist allerdings sehr hoch.»


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