Vor Ceneri-Eröffnung Verkehrsminister sind bereits vor Ort: «Grosser Moment für die Schweiz und Europa»

twei / SDA

3.9.2020

In Camorino ergreift Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga das Wort: «Ich bin begeistert, dass wir heute alle hier sind.»
In Camorino ergreift Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga das Wort: «Ich bin begeistert, dass wir heute alle hier sind.»
Screenshot: Pressekonferenz

Nach 28 Jahren Bauzeit ist es am Freitag so weit: Der Ceneri-Basistunnel wird eröffnet. Bundespräsidentin Sommaruga trifft sich schon heute mit Delegationen der Nachbarländer.

Aller guten Dinge sind drei: Mit der Eröffnung des Ceneri-Basistunnels am Freitag steht der Personen- und Güterverkehr auf Schienen vor einer Zeitenwende. Nach dem Lötschberg 2007 und dem Gotthard 2016 – dereinst als «Jahrhundertbauwerk» angepriesen – hat die Schweiz ihren dritten Basistunnel, der den Schienenverkehr fortan durch die Alpen leiten wird.

Bevor der Tunnel am Freitag mit einer feierlichen Zeremonie eröffnet wird, empfängt Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga heute Donnerstag Delegationen aus Deutschland, Österreich, Italien und der EU in Locarno. Im Rahmen des Treffens ist auch eine Begehung des Nordportals des Ceneri-Basistunnels in Camorino geplant.

In Camorino ergreift Sommaruga das Wort: «Ich bin begeistert, dass wir heute alle hier sind. Wir können eine grosse Zukunft gemeinsam erreichen.» Die Zusammenarbeit mit allen sei nun sehr wichtig. «Wir brauchen alle Länder.»

Ein Traum werde wahr, sagte SBB-CEO Vincent Ducrot. Ab Freitag würden die SBB diese Schienen in Betrieb nehmen und bis zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember den Verkehr proben.



15,4 Kilometer Länge, Personenzüge mit einer Geschwindigkeit von 250 Kilometern pro Stunde und eine Reisedauer von Zürich nach Mailand in drei Stunden und 17 Minuten: Das Zahlenwerk, das die NZZ in einem Bericht an die Hand gibt, ist eindrücklich. 28 Jahre dauerten die Arbeiten im Zuge der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (Neat), die 3,6 Milliarden Franken verschlungen. Steigungen gleicht das Bauwerk grossteils aus, die Strecke verläuft an keiner Stelle auf mehr als 550 Metern und erlaubt so, künftig vermehrt den Schwerverkehr auf Schienen durch das Land rollen zu lassen.

Ceneri-Basistunnel prägt Politik seit 30 Jahren

Mit der Inbetriebnahme des Ceneri-Basistunnels ist die Neat an ihrem Höhepunkt angekommen. Das Grossprojekt hinterliess in der Schweizer Politik in den vergangenen 30 Jahren tiefe Spuren – egal ob der Freudentanz des Urner Landammanns Hansruedi Stadler nach der Verabschiedung der Alpen-Initiative 1994, der Streit zwischen Verkehrsminister Adolf Ogi und Finanzminister Otto Stich in den 1990er-Jahren oder die feierliche Eröffnung des Lötschbergs mit Moritz Leuenbergers euphorischen Worten «Habemus Tunnel».

Keine Frage, der Ceneri-Basistunnel ist ein weiterer grosser Schritt zur Verkehrswende. Die Eröffnung offenbart aber auch, dass der Weg zu einer durchgehenden Hochleistungsflachbahn noch nicht zu Ende ist. Anpassungen für die Zukunft sind nötig, und weitere Bauprojekte sind in Planung.

Am Freitag wird der Ceneri-Basistunnel eingeweiht.
Am Freitag wird der Ceneri-Basistunnel eingeweiht.
Bild: Keystone

Unter anderem soll der Fahrplan in den nächsten Jahren Schritt für Schritt erweitert werden: von vier bis fünf Güterzügen pro Richtung und Stunde 2021 auf fünf bis sechs Züge im Jahr 2023. Noch in diesem Jahr soll zudem das gesamte Schweizer Streckennetz für Container und Sattelauflieger mit einer Eckhöhe von vier Metern gerüstet sein.

Verzögerungen von Grossprojekten aus dem Ausland

Weitere Grossprojekte stehen zudem auf der Agenda, unter anderem zwei Tunnel für die Strecke von Basel nach Frankreich und zwei bei Lugano. Vor 2025 wird allerdings nicht mit einer Fertigstellung gerechnet. Noch weiter in die Zukunft blickt das Programm «Ausbauschritt 2035», das den Zimmerberg-Basistunnel II zwischen Zug und Zürich und einen Teilausbau der zweiten Röhre im Lötschberg-Basistunnel vorsieht.

Nachbesserungen sind auch für Steilstücke auf der Gotthard-Achse südlich des Ceneri in der Planung, wo Neigungen von 15 bis 17 Promille ausgeglichen werden sollen. Noch befindet man sich allerdings im Ideenstadium.



Von einem durchgehenden Nord-Süd-Verkehr durch Europa kann also noch nicht die Rede sein – auch weil grosse Bauprojekte im Ausland Verzögerungen vermeldeten. Terzo Valico, ein Streckenabschnitt von 53 Kilometern durch den Apennin, soll künftig die Neat bis zum Mittelmeer anschliessen. Bereits mehrfach wurde die Fertigstellung jedoch verschoben. Aktueller Termin ist 2023.

Rhein-Alpen-Korridor wohl erst 2040 fertig

Auf sich warten lässt auch der Ausbau des Schienennetzes zwischen Zürich  und Stuttgart, wo künftig eine vollwertige Umleitung für den Güterverkehr gewährleistet werden soll. Von einer Fertigstellung weit entfernt ist derweil der Rhein-Alpen-Korridor. Von dem nötigen vierspurigen Ausbau der 182 Kilometer langen Strecke zwischen Basel und Karlsruhe sind erst etwas mehr als 60 Kilometer fertig. Der Abschluss des Streckenabschnitts wird erst für 2040 anvisiert.

Die Bestandsaufnahme des Schienennetzes offenbart: Von einer «durchgehenden Flachbahn» durch die Alpen kann noch lange nicht gesprochen werden. Auf weitere Fortschritte im Verkehr auf Schienen pocht auch der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) und die Alpen-Initiative.

Im Zuge der Eröffnung des Ceneri-Basistunnels fordert der VCS vom Bundesrat Verbesserungen im internationalen Bahnverkehr. Die Alpen-Initiative verlangt, die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene voranzubringen. Ausreden gebe es nun keine mehr.



Der VCS legte am Donnerstag die Petition «1 Reise – 1 Ticket für ganz Europa» vor. Die rund 6'400 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner verlangen einfache Buchungsprozesse, ein besseres Nachtzugangebot, mehr Unterstützung für die Bahn und das Ende der Privilegien für den Flugverkehr. Der Bundesrat solle sich gegenüber der EU stärker für einen modernen europäischen Bahnverkehr einsetzen, hiess es bei der Übergabe der Petition.

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