Spionage-Affäre Neutralität der Schweiz könnte infrage gestellt werden 

dor/SDA

12.2.2020

Der Hauptsitz des Chiffriergeräte-Herstellers Crypto in Steinhausen bei Zug.
Der Hauptsitz des Chiffriergeräte-Herstellers Crypto in Steinhausen bei Zug.
Bild: Keystone/Alexandra We

Die CIA und der deutsche Nachrichtendienst sollen jahrelang über eine Schweizer Firma andere Staaten abgehört haben. Die Affäre könnte die Neutralität und Souveränität der Schweiz gefährden, sagt jetzt FDP-Präsidentin Petra Gössi.

Nach Bekanntwerden der Spionage-Affäre mit der Zuger Firma Crypto AG im Zentrum prüft die FDP, ob sie in der Frühlingssession einen Antrag auf eine Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) stellen will, wie FDP-Präsidentin Petra Gössi am Dienstagabend in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen sagte.

Das sei für ihre Partei «eine ernsthafte Option». Gössi äusserte sich geschockt zum Ausmass der Affäre: «Wenn schon nur der Kern dieser Enthüllungen zutrifft, stellt das unsere Neutralität und die Souveränität unseres Landes infrage.» Letztlich gehe es auch um das Vertrauen in die politischen Institutionen der Schweiz, so Gössi.

Sie sei zwar überzeugt, dass der ehemalige Bundesrichter Niklaus Oberholzer fähig sei, diese Untersuchung zu führen, sagte Gössi weiter. Aber mit einer PUK habe «man schon mehr Kraft und Druck, schnell Resultate zu erzielen», so Gössi. Wenn die Spionageoperation rund um die Crypto AG tatsächlich die Weltpolitik der letzten 50 Jahre geprägt habe, dann könne man nicht bis im Sommer warten. «Dann braucht es schneller Resultate und Antworten.»

Lückenlose Aufdeckung verlangt

Andere Parteien und Amnesty International verlangen ebenfalls eine lückenlose Aufdeckung der Vorgänge. Für die SP stellt sich nach den Enthüllungen etwa die Frage, ab wann der Bundesrat Bescheid wusste und ob der Schweizer Nachrichtendienst Mitwisser oder gar Mittäter war. Die Partei begrüsst daher die eingeleiteten Massnahmen, wie SP-Sprecher Nicolas Häsler gegenüber Keystone-SDA sagte.

Die Partei fordert von der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) eine schonungslose Aufklärung über das Ausmass der Angelegenheit sowie über die allfällige Mittäterschaft des Schweizer Nachrichtendienstes und anderer Behörden. Einer allfälligen PUK, wie sie der Grüne Nationalrat Balthasar Glättli fordert, würde sich die Partei anschliessen, falls tatsächlich staatliches Versagen nachgewiesen werden kann.



Gegen 100 Staaten belauscht

Die CVP ihrerseits findet es richtig und wichtig, dass sich der Bundesrat dieser Sache annimmt und die Angelegenheit überprüft. Mehr könne sie dazu noch nicht sagen, sagte Sprecherin Salomé Steinle gegenüber Keystone-SDA.

Der US-Geheimdienst CIA hat einem «Rundschau»-Bericht zufolge zusammen mit dem deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) über eine Schweizer Firma weltweit geheimste Regierungskommunikation abgehört. Gegen 100 Staaten sollen während der von 1970 bis 1993 laufenden «Operation Rubikon» abgehört worden sein.

Das Zuger Unternehmen Crypto soll während Jahrzehnten Regierungen der ganzen Welt mit Verschlüsselungstechnik beliefert haben – es war Marktführer in dem Bereich. Die Maschinen galten als verlässlich, da der Hersteller in der neutralen Schweiz sass.

Doch nun zeigt sich, dass das ein Trugschluss war. Denn 1970 übernahmen CIA und BND über eine liechtensteinische Stiftung die Kontrolle über Crypto, und schon vorher habe eine lose Zusammenarbeit bestanden. Dies sollen geheime Unterlagen zeigen, die dem ZDF zugespielt und danach von dem Sender gemeinsam mit der «Rundschau» und der «Washington Post» ausgewertet wurden.

Implikationen mit Menschenrechtsverletzungen

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht Implikationen mit Menschenrechtsverletzungen. Es stelle sich die Frage, ob Informationen über schwere Menschenrechtsverletzungen etwa von den Militärdiktaturen in Lateinamerika bis zum Schweizer Nachrichtendienst und dem Bundesrat gelangt sind, sagte Beat Gerber von der Schweizer Sektion gegenüber Keystone-SDA.

Wenn die Informationen an diesen Stellen angekommen seien, stelle sich die Frage, was vonseiten der offiziellen Schweiz dagegen unternommen wurde. Eine lückenlose Aufklärung sei unumgänglich.

Die SVP war bis am Abend nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

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