Von Genf bis Luzern ÖV-Nutzer warnen sich auf Facebook vor Billettkontrollen

Von Stefan Michel

24.2.2024

Im Schweizer ÖV werden laut Alliance SwissPass jährlich zwei Milliarden Fahrten nicht oder nur teilweise bezahlt. Ein Verlust in zweistelliger Millionenhöhe. 
Im Schweizer ÖV werden laut Alliance SwissPass jährlich zwei Milliarden Fahrten nicht oder nur teilweise bezahlt. Ein Verlust in zweistelliger Millionenhöhe. 
Keystone

Mitglieder verschiedener Facebook-Gruppen warnen einander vor Billettkontrollen – sowohl im lokalen ÖV als auch in SBB-Zügen. Den Transportbetrieben sind die Hände gebunden: Die Warnungen sind legal.

Von Stefan Michel

24.2.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Für die ÖV-Betriebe verschiedener Schweizer Städte wie auch der SBB gibt es Facebook-Gruppen, deren Mitglieder einander vor Billettkontrollen warnen.
  • Jemanden auf eine kommende Kontrolle hinzuweisen, ist legal.
  • Zahlen zeigen: Das Ausmass des Schwarzfahrens in der Schweiz ist sehr viel grösser als der mögliche Einfluss der Warngruppen auf Facebook.

Das Vorgehen erinnert an die Radarwarner: ÖV-Nutzer*innen warnen einander auf Facebook vor Billettkontrollen im ÖV. Doch anders als das Hinweisen auf Geschwindigkeitskontrollen auf der Strasse ist das Warnen vor Fahrausweischecks im ÖV legal.

Besonders erfolgreich ist eine private Facebook-Gruppe, die auf Kontrolleur*innen im öffentlichen Verkehr Lausannes aufmerksam macht. Über 30'000 Mitglieder hat die Gruppe, regelmässig kursieren Warnhinweise im Feed der Gruppe, wie RTS, das Schweizer Radio und Fernsehen der Romandie, berichtet. Der Schreibende hat um Aufnahme in die Gruppe gebeten, ist aber bislang nicht akzeptiert worden.

Es gebe kein Gesetz, dass die Praxis verbiete, erklärt Anwalt und Rechtsdozent David Raedler RTS. 

Auch SBB-Fahrgäste warnen einander

Die Administrator*innen der Gruppe legen selber Wert darauf, keine Gesetze zu brechen. Der Hinweis auf Kontrolle diene dazu, entweder ein Billett zu kaufen oder die Strecke zu Fuss zurückzulegen, was auch noch der Gesundheit förderlich sei. Eine vergleichbare Gruppe gibt es laut RTS in Genf.

Die Transports Publics Lausannois TL (Lausanner Verkehrsbetriebe) geben sich gelassen. Sie beförderten mehr als 300'000 Menschen, da seien 30'000, die von einer Kontrolle erfahren könnten, kein Problem. Der Anteil der Schwarzfahrenden beziffern eine Sprecherin der TL auf vier Prozent.

Eine ziemlich exakte Kopie der Gruppe gibt es für Billettkontrollen in den Zügen der SBB in der Romandie. Die SBB wollen sich zu diesem Thema nicht äussern und verweisen auf die Alliance SwissPass. 

Der Zusammenschluss der Schweizer ÖV-Betriebe führt auch ein Schwarzfahrerregister und ist so etwas wie die leitende Organisation im Kampf gegen das Fahren ohne Billett. Drei Prozent der im Jahresschnitt rund zwei Milliarden Fahrten im Schweizer ÖV würden nicht bezahlt, teilt Alliance SwissPass auf ihrer Website mit. 850'000 von ihnen sind 2023  geschnappt worden gibt Sprecher Reto Hügli blue News bekannt. Das sind gut 1,4 Prozent aller Schwarzfahrenden.

Insgesamt verursachen diese laut der Organisation einen Schaden in zweistelliger Millionenhöhe. Für diese bezahlen die Ehrlichen über die Billettpreise, wie die Alliance SwissPass mahnt. 

Ausmass des Schwarzfahrens ist viel grösser

Zu den Kontrollwarnungen auf Facebook nimmt Hügli nur allgemein Stellung: «Wir haben Kenntnis von dieser Social-Media-Gruppe, beobachten die Entwicklung laufend und werden allenfalls geeignete Massnahmen treffen.» Die Frage, ob Alliance SwissPass ein Verbot von Billettkontroll-Warnungen erstrebenswert fände, lässt er unbeantwortet.

Auch für die Fahrgäste der Verkehrsbetriebe Luzern (VBL) gibt es eine Facebook-Gruppe mit Warnungen vor Kontrolleur*innen. VBL-Sprecher Deubelbeiss meint dazu: «Uns ist diese FB-Gruppe bereits länger bekannt und wir wissen ganz gut mit dieser Gruppe umzugehen. Aus taktischen Gründen äussert sich die VBL AG nie zu Schwarzfahrerzahlen oder Anzahl Ticketkontrollen.»

Vielleicht liegt die Zurückhaltung der ÖV-Betriebe und Organisationen daran, dass sie den besagten Facebook-Gruppen nicht noch mehr Beachtung vermitteln wollen. Angesichts der Zahlen zum Ausmass des Schwarzfahrens sind die Warnforen tatsächlich eine Randerscheinung.