Reform des SexualstrafrechtsParlament definiert Tatbestand der Vergewaltigung neu
su, sda
1.6.2023 - 10:30
Räte einigen sich auf «Nein heisst Nein»-Lösung im Sexualstrafrecht
Die Reform des Sexualstrafrechts kommt voran. National- und Ständerat haben sich nun darauf geeinigt, den Schockzustand von Opfern in den Vergewaltigungstatbestand einzuschliessen. Es bleibt nun beim «Nein heisst Nein» im Sexualstrafrecht.
01.06.2023
Die Reform des Sexualstrafrechts kommt voran. National- und Ständerat haben sich nun darauf geeinigt, den Schockzustand von Opfern in den Vergewaltigungstatbestand einzuschliessen. Der Nationalrat ist auf die Linie des Ständerats eingeschwenkt.
su, sda
01.06.2023, 10:30
01.06.2023, 11:38
SDA
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National- und Ständerat einigen sich und schliessen den Schockzustand von Opfern in den Vergewaltigungstatbestand ein.
Die Räte erkennen damit an, dass Opfer von sexualisierter Gewalt im Schockszustand ihre Ablehnung mitunter nicht zum Ausdruck bringen können.
Es bleibt nun zwar beim «Nein heisst Nein» im Sexualstrafrecht, doch im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt wird sogenanntes Freezing ausdrücklich erwähnt.
Mit 105 zu 74 Stimmen bei 11 Enthaltungen bereinigte der Nationalrat am Donnerstag diesen zentralen Punkt der Vorlage. Der Ständerat hatte dem Kompromiss im März zugestimmt.
Damit anerkennen die Räte, dass Opfer von sexualisierter Gewalt zuweilen ihre Ablehnung nicht zum Ausdruck bringen können, wenn sie sich in einer Art Schockzustand befinden. Gerichte sollen dies künftig ebenfalls als Ablehnung deuten können.
Minderheit für «Nur Ja heisst Ja»
Der Nationalrat hatte bisher das Modell «Nur Ja heisst Ja» gewollt, das Sex nur mit Zustimmung aller Beteiligten propagiert. Der Minderheitsantrag der GLP, dabei zu bleiben, fand nur Unterstützung in den Fraktionen von SP und Grünen.
Der Nationalrat übernahm mit dem Kompromiss auch die Ergänzung des Ständerats, wonach Täterinnen und Täter zu Präventions- und Lernprogrammen verpflichtet werden. Während der Ständerat eine Kann-Formulierung wählte, will der Nationalrat eine grundsätzliche Pflicht und Ausnahmen nur in Einzelfällen zulassen.
Auch beim Strafmass schloss sich der Rat dem Ständerat an: Für Vergewaltigung mit Nötigung wird eine einjährige Mindeststrafe festgeschrieben. Im Nationalrat hätten SVP, Mitte und GLP mindestens zwei Jahre gewollt. Beide Räte schrieben nun auch fest, dass Sexualdelikte an unter zwölfjährigen Kindern nicht verjähren.
Eine Minderheit hätte die Verjährung erst zulassen wollen, wenn das Opfer mindestens 16 Jahre alt ist. Dieser Antrag wurde mit 91 gegen 97 Stimmen bei 3 Enthaltungen nur knapp abgelehnt.
Einig sind die Räte auch über den Umgang mit Rachepornografie (Revenge Porn). Der Ständerat wollte nur unbefugtes Weiterleiten von nicht öffentlichen Text-, Ton- und Bildaufnahmen mit sexuellem Inhalt strafbar machen. Im Nationalrat beantragte die Mehrheit, «das Ansehen erheblich schädigende» Dokumente zu erfassen, namentlich solche mit sexuellem Bezug. Weil aber die Minderheit dem Ständerat folgen wollte und sich durchsetzte, ist der Punkt nun bereinigt.
Streit um Cybergrooming
Eine gewichtige Differenz haben die Räte aber noch: Der Nationalrat will auch das Anbahnen von sexuellen Kontakten mit Kindern unter Strafe stellen, das sogenannte Cybergrooming. Er bekräftigte diese Haltung am Donnerstag stillschweigend. Der Ständerat lehnt dies ab.
Schon früher gefunden hatten sich die Räte bei weiteren Kernpunkten der Vorlage. Heute setzt die Vergewaltigungsnorm eine Nötigung voraus. Neu vergewaltigt, wer gegen den Willen des Opfers eine sexuelle Handlung vornimmt, die mit Eindringen verbunden ist - ob mit oder ohne Nötigung und unabhängig von der Art des Eindringens in den Körper.
Neu gibt es zudem einen Straftatbestand zwischen sexueller Belästigung und Vergewaltigung, der Tatbestand des sexuellen Übergriffs. Dieser liegt vor, wenn jemand gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt, die nicht mit Eindringen verbunden ist.
Die Mehrheit des Parlaments verspricht sich von der Revision des Sexualstrafrechts, dass mehr Fälle von sexueller Gewalt als Vergewaltigung qualifiziert werden. Nichts ändern wird die Reform daran, dass die Beweislage oft schwierig ist. Befürworterinnen der Reform versprechen sich jedoch Veränderungen in der Befragung von Opfern - und hoffen auf eine gesellschaftliche Signalwirkung.
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