Debatte um Kampfjets Reizthema Luftabwehr – Schweizer Politiker streiten weiter

Anna Kappeler

2.5.2019

Bundesrätin Viola Amherd äussert sich an einer Medienkonferenz zum Programm Air2030.
Bundesrätin Viola Amherd äussert sich an einer Medienkonferenz zum Programm Air2030.
Bild: Keystone/Peter Schneider

Das Volk soll nur über Kampfjets, nicht aber über Abwehrraketen abstimmen können. Und Offsets sollen plötzlich nicht mehr zu 100 Prozent kompensiert werden. Doch was halten Sicherheitspolitiker davon?

Verteidigungsministerin Viola Amherd (CVP) kam, sah – und nahm Tempo aus der Debatte um die neue Schweizer Luftverteidigung. Gleich drei neue Zusatzberichte hat sie zum Programm Air2030, also der Beschaffung neuer Kampfflugzeuge und neuer Bodenluftabwehrraketen (Bodluv), in Auftrag gegeben. Jetzt liegen die Ergebnisse vor. Und die haben es in sich. Astronaut Claude Nicollier empfiehlt, das Volk nur über Kampfjets abstimmen zu lassen. Nicht aber über die Raketen. Damit widerspricht er Amherds Amts-Vorgänger Guy Parmelin (SVP).

Zu Recht? Darüber sind sich Sicherheitspolitiker nicht einig, wie sie «Bluewin» sagen. «Ich persönlich finde es sachlich falsch, das Paket aus Flugzeugen und Raketen an der Urne aufzusplitten», sagt Nationalrat Werner Salzmann (SVP/BE), der Präsident der Sicherheitskommission (SiK) der grossen Kammer. Nur Kampfjets und Flugabwehrraketen zusammen brächten den nötigen Schutz der Bevölkerung vor Angriffen aus der Luft – und es gehe hier ja um die Sicherheit aller. «Die Chance für ein Volks-Ja wird so nicht grösser, weil das «Alles oder nichts»-Argument für oder gegen unsere Armee nicht mehr so stark ist.»

Dennoch: «Das absolute Oberziel ist es, dass wir die Beschaffung der Kampfjets und des Bodluv fristgerecht sicherstellen können», sagt Salzmann. Die Beschaffung der neuen Luftwaffe dürfe nicht an formellen Hürden scheitern: «Ich werde mich also nicht querstellen.»

«Bürgerliche wieder ins gleiche Boot bringen»

Der SiK-Präsident des Ständerates, Josef Dittli (FDP/UR), dagegen lobt Nicolliers Empfehlung. «Die Aufsplittung der Jets und Raketen an der Urne finde ich ein guter Ansatz. So könnte es gelingen, die bürgerliche Seite wieder ins gleiche Boot und somit hinter den Planungsbeschluss zu bringen», sagt Dittli. Das sei wichtig. Dittli spricht hier die Tatsache an, dass FDP und CVP den Vorschlag, Jets und Raketen gemeinsam an die Urne zu bringen, bereits in der Vernehmlassung kritisiert hatten. Für die Splittung sprechen sich auch Linke aus. Nationalrat Balthasar Glättli (GP/ZH), ebenfalls SiK-Mitglied, freut die Empfehlung, «dass der Kampfflugzeugkauf unabhängig vom Boden-Luft-Verteidigungssystem erfolgen soll.»

Dittli hofft diesbezüglich nun auf Bundesrätin Amherd. Er würde es begrüssen, wenn sie «der Empfehlung Nicollier folgen würde». Er sei da zuversichtlich. Frau Amherd habe bereits vor der Wahl zur Bundesrätin im FDP-Hearing angetönt, dass sie Sympathien für diese Variante habe. An der Pressekonferenz vom Donnerstag betonte Amherd allerdings, dass sie die Berichte vorerst nur «zur Kenntnis» nehme. Entscheiden, was sie dem Gesamtbundesrat beantrage, werde sie später.



Einig sind sich die beiden SiK-Präsidenten darin, dass vor dem Planungsbeschluss kein Typenentscheid fallen solle. Diese Lehre aus dem Gripen-Debakel müsse man ziehen, sonst würde man sich nur wieder zerstreiten. Ganz anders allerdings sieht das Nationalrat Glättli: «Nicolliers eindeutig politisch anmutender Bericht ist für die Grünen bedenklich, weil er ein intransparentes Vorgehen gegenüber der Bevölkerung stützt», sagt er. Nun solle sie dem Bundesrat einen Blankoscheck für den Flugzeugkauf erteilen. «Das untergräbt die Grundsätze unserer Demokratie.» 2014 war der Gripen an der Urne wegen einer Allianz aus linken und rechten Gegnern sozusagen abgestürzt – und auch deshalb, weil er als Papier-Flieger galt.

Nicht einig bei Anzahl Kampfjets

Auseinander gehen die Meinungen auch bei Nicolliers Empfehlung, 40 Kampflugzeuge zu beschaffen. Für SiK-N-Präsident Salzmann ist dies die «absolute Minimalvariante». Er sagt: «70 Jets wären besser. Aber dafür findet sich wohl keine politische Mehrheit.» Dass Salzmann mit dieser Einschätzung richtig liegt, zeigt die Aussage von SiK-Mitglied und Nationalrätin Lisa Mazzone (GP/GE). Sie findet den Kauf von 40 Jets «in höchstem Masse unverhältnismässig und reine Geldverschwendung». Acht bis zwölf Flugzeuge genügten laut Mazzone, «damit die Luftpolizei ihre Aufgabe zufriedenstellend erfüllen kann.»

Unterschiedlich kommt auch der zweite Bericht zu den Offsetgeschäften an, den Kompensationsgeschäften im Zusammenhang mit Rüstungsbeschaffungen im Ausland. Bis anhin wollte der Bundesrat diese zu 100 Prozent kompensieren, nun könnte es deutlich weniger werden. Gut so, findet der Grüne Sicherheitspolitiker Glättli: «Dies fördert die Transparenz, verhindert Mehrkosten und erlaubt eine kritische Analyse der Kompensationsgeschäfte.» Gemäss Finanzkontrolle seien deren Auswirkungen kleiner als bisher angenommen, die Mehrkosten betrügen dagegen zwischen fünf und zehn Prozent.

Offsets sind «sehr umstritten»

Dass die Offsets «sehr umstritten» sind, sagt SiK-N-Präsident Salzmann: «Das wird zu diskutieren geben.» Er sei hier anderer Meinung als der externe Experte Kurt Grüter und setze sich wie «eine Mehrheit der Experten» für eine 100-prozentige Kompensation der Offsetgeschäfte ein. Und auch SiK-S-Präsident Dittli äussert Zweifel: «Ich bin nicht überzeugt, dass das der richtige Weg ist.» Aber es sei gut, dass das Geschäft nun nochmals infrage gestellt werde.

Drittens und letztens polarisiert auch der Bericht zur Sicherheitslage. Lob dafür kommt von bürgerlichen Sicherheitspolitikern. «Wir müssen jetzt unbedingt handeln, da sich die Bedrohungslage gerade im Osten durch die massive Aufrüstung verstärkt hat», sagt Salzmann. Kritik äussert dagegen die Linke: Es gelte, sich nun «auf die wahren Bedrohungen zu konzentrieren: die Klimaerhitzung und die Cyber-Risiken». «Dies umso mehr, als dass die Schweiz ein freundschaftliches Verhältnis zu ihren Nachbarländern pflegt und keine Militäroffensiven im Ausland führt», wie Nationalrätin Mazzone betont.

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