Schweiz und Iran-Sanktionen «Wir stehen überhaupt nicht abseits»

gbi

18.12.2022

Verteidigt den Schweizer Kurs gegenüber dem Iran: Livia Leu, Staatssekretärin im Aussendepartement (EDA). 
Verteidigt den Schweizer Kurs gegenüber dem Iran: Livia Leu, Staatssekretärin im Aussendepartement (EDA). 
KEYSTONE/PETER SCHNEIDER

Das iranische Regime sperrt zehntausende Menschen ein, schlägt Proteste nieder und richtet junge Menschen hin. Schaut die Schweiz weg? Nein, sagt Staatssekretärin Livia Leu in einem Interview. 

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18.12.2022

Tausende Männer und Frauen werden verhaftet, weil sei an regimekritischen Protesten teilnehmen – zuletzt auch die bekannteste Schauspielerin des Landes, Taraneh Alidoosti. Manchen von ihnen droht der Tod: Zwei Männer Anfang 20 hat das Regime bereits exekutiert, was einen Aufschrei der Empörung im In- und Ausland auslöste.

Wie reagiert die Schweiz auf diese massive Repression? Die Schweizer Botschaft in Teheran habe seit Beginn der Proteste «mehrfach bei den iranischen Behörden interveniert», sagt Livia Leu im Interview mit der «SonntagsZeitung». Sie ist Staatssekretärin im Aussendepartement (EDA) und führt als Chefunterhändlerin die Verhandlungen der Schweiz mit der EU. Von 2009 bis 2013 war sie als Schweizer Botschafterin im Iran tätig.

«Wir haben wiederholt den iranischen Geschäftsträger in Bern einberufen und unsere Botschaft hat im Aussenministerium interveniert, auch diese Woche», sagt Leu. Die Schweiz habe «unmissverständlich gesagt, dass die Hinrichtungen inakzeptabel seien und diese sofort gestoppt werden müssten.»

Die Schweiz hat eine besondere Verbindung zum iranischen Regime. Sie vertritt seit der Islamischen Revolution vor 40 Jahren die Interessen der USA im Iran und vermittelt so zwischen den beiden Staaten, die keine diplomatischen Beziehungen zueinander unterhalten.

«Um diesen Dialog aufrechtzuerhalten, müssen wir vorsichtig sein, was die öffentliche Kritik oder die Übernahme von Sanktionen angeht», räumt Leu ein. Das sei aber keinesfalls ein Hindernis, «klar Position zu beziehen und die Vorgänge im Iran zu verurteilen».

Der Ruf nach Sanktionen wird lauter

Doch die Kritik am Bundesrat wächst. Für eine Petition, die Sanktionen gegen das Mullah-Regime auffordert, kamen über 25'000 Unterschriften zusammen. Auch gibt es im Parlament die Forderung, die Schweiz müsste EU-Sanktionen gegen das iranische Regime übernehmen.

Dazu sagt Leu, der Bundesrat entscheide jeweils im Einzelfall über die Übernahme von EU-Sanktionen. «Wir machen bei jenen Sanktionen nicht mit, die unseren offenen und kritischen Dialog mit den Behörden gefährden könnten.» Aus diesen Überlegungen würde die Schweiz etwa den iranischen Aussenminister nicht auf eine Sanktionsliste setzen, «da der Zugang zu ihm für unsere Vermittlertätigkeit wichtig ist».

«Wir waren leichte Opfer»

«Wir waren leichte Opfer»

«Die junge Generation sei nicht mehr so einfach zu unterdrücken wie wir», sagt Unternehmerin und Aktivistin Awin Tavakoli in «Lässer».

25.11.2022

Die EU fährt einen härteren Kurs. Wegen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit den Protesten haben die 27 EU-Staaten Sanktionen gegen 20 Personen sowie die staatliche Rundfunkgesellschaft IRIB erlassen. Zu den Betroffenen zählt auch der Befehlshaber der berüchtigten iranischen Revolutionsgarden.

Weitere Strafmassnahmen erliess die EU wegen der iranischen Unterstützung für Russland im Krieg gegen die Ukraine. Die Schweiz übernahm diese Sanktionen gegen drei ranghohe iranische Militärs und ein Unternehmen. Sie sollen Russland mit Kampfdrohnen beliefert haben. 

Den Dialog mit Teheran aufrechtzuerhalten, sieht Staatssekretärin Leu als bessere Option, anstatt ihn abzubrechen. «Es ist längerfristig wirksamer, wenn man mit den Verantwortlichen in einen Dialog tritt, als wenn man einfach Tweets absetzt, in denen man sich über die Zustände empört.»