Jurafrage Sitze der Berntreuen im Stadtparlament von Moutier bleiben leer

SDA/aka

22.8.2021 - 16:58

Die Abstimmungsfeier in Moutier im März – trotz Volks-Ja zu einem Wechsel zum Kanton Jura bleiben die alten politischen Gräben.
Die Abstimmungsfeier in Moutier im März – trotz Volks-Ja zu einem Wechsel zum Kanton Jura bleiben die alten politischen Gräben.
Bild: Keystone

Die Jurafrage gilt seit dem Volks-Ja von Moutier zu einem Wechsel zum Kanton Jura als gelöst. Doch: Die alten politischen Gräben lassen sich nicht so einfach zuschütten. Ein aktuelles Beispiel.

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Die Kluft zwischen Berntreuen und Projurassiern ist noch immer gross. Trotz dem Volks-Ja von Moutier zu einem Wechsel zum Kanton Jura (hier unsere Abstimmungs-Reportage zum Nachlesen). Das zeigt auch die nächste Sitzung des Stadtparlaments. Dort werden die Sitze der berntreuen Mitglieder leer bleiben – wohl für immer.



Vor den Sommerferien haben die berntreuen Stadtratsmitglieder von SVP, FDP und SP samt und sonders ihren Rücktritt bekannt gegeben. Man wolle nicht Handlanger sein für einen Kantonswechsel, den man aus tiefstem Herzen ablehne, hiess es auf berntreuer Seite.

Obschon nun ein Drittel der gewählten Mitglieder des Stadtparlaments zurückgetreten ist, kann der Stadtrat tagen. Er kommt auch so auf das nötige Quorum.

Keine offiziellen Kandidaten

Die berntreuen Parteien haben bereits angekündigt, dass sie keine Kandidaten für eine Ersatzwahl stellen werden. Die projurassischen Kräfte sollen die volle Verantwortung für die Stadt und ihre Zukunft übernehmen, sagte Steve Léchot (FDP), einer der zurückgetretenen Stadträte, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

«Als Minderheit im Stadtrat waren wir nicht in der Lage, politische Entscheidungen zu beeinflussen», so Léchot. Der ehemalige Stadtrat sieht in der Politik der leeren Stühle Vorteile. Nun könne die separatistische Mehrheit die drängendsten Probleme angehen, ohne dass die Jurafrage die Debatten verkompliziere.

Die projurassischen Kräfte haben sich in der Entente jurassienne gesammelt. Ihr gehören der Parti Socialiste autonome, also der projurassische Teil der Sozialdemokraten, die CVP und weitere Gruppierungen an. Léchot sieht die Tage der Entente jurassienne gezählt, da es im Parlament nun niemanden mehr gebe, der in der Jurafrage anderer Meinung sei.

Die Entente jurassienne hat noch nicht über ihre Zukunft nach dem Verschwinden der Berntreuen aus der Legislative entschieden. Es ist aber wahrscheinlich, dass sie bestehen bleibt, bis Moutier tatsächlich in den Kanton Jura überführt wird.

Die Entente Jurassienne bedauert den Rücktritt des gesamten berntreuen Teils des Stadtrats. Damit werde ein Teil der Bevölkerung nicht mehr repräsentiert, sagte Julien Berthold, Sprecher der Entente Jurassienne. Es wäre aber wichtig, dass alle politischen Kräfte im Stadtrat vertreten seien.

Berthold hofft, dass die berntreuen Bürgerinnen und Bürger sich unabhängig von der Jura-Frage für die Stadt engagieren und den politischen Prozess nicht durch Petitionen und Referenden blockieren.

Neue Polarisierung

«Im Fall vom Moutier muss sich die Politik normalisieren», sagte Berthold der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Bisher verliefen die politischen Fronten entlang der Jurafrage: Ja oder Nein zu einem Wechsel der Stadt zum Kanton Jura.

Dieses Gefüge könnte gemäss Berthold nun allmählich durch das in den meisten anderen Städten und Gemeinden gängige Rechts-Links-Muster ersetzt werden.

«Wir werden eine politische Neupolarisierung zwischen links und rechts erleben und nicht länger eine separatistische und antiseparatistische Opposition», stimmt Steve Léchot zu. Beide glauben jedoch, dass dies Zeit brauchen wird.

Auf dem Weg in ruhigere Gewässser

Sowohl für Léchot als auch für Berthold ist es notwendig, im Interesse und mit Respekt für die Bevölkerung politisch zu arbeiten. Für Léchot, den ehemaligen Sprecher der Berntreuen-Bewegung «Moutierplus», stehen die Zeichen eher auf Beruhigung. Von einer Phase der Ruhe spricht auch die Entente Jurassienne.

Die Jurafrage hat die Gemüter im Berner Jura jahrzehntelang erhitzt. Die Bestrebungen für eine Unabhängigkeit des französischsprachigen Gebiets in der Nordwestschweiz vom Kanton Bern gipfelten 1978 in der Gründung des Kantons Jura. Der neue Kanton umfasste allerdings nur die drei Bezirke Delsberg, Pruntrut und die Freiberge. Der südliche Teil des Berner Juras verblieb beim Kanton Bern.

Bald schon keimte der alte Konflikt im Südzipfel, insbesondere in Moutier, wieder auf. Die Stadtbehörden waren und sind projurassisch dominiert. Ende März 2021 sprach sich die Stadtbevölkerung an der Urne für einen Wechsel zum Kanton Jura aus. Der übrige Teil des Berner Juras ist klar bernisch dominiert und hat sich 2013 für einen Verbleib bei Bern ausgesprochen.